Pindar, geboren 522/518 v. Chr. bei Theben, hat Chorlyrik überwiegend religiösen Inhalts geschrieben: Hymnen, Paiane und Dithyramben, aber auch Mädchenlieder, Tanzlieder und Trauergesänge. Vollständig erhalten geblieben sind die vier Bücher Siegeslieder (Epinikien), die den strengen Stil mythischer Dichtung mit der Sprache der sportlichen Wettkämpfe verbinden. Mit dieser Verschränkung von aktuellem Anlass, mythischem Hintergrund, überlieferter Lebensweisheit und poetologischer Reflexion werden Spannungsbögen entworfen, die in der antiken wie in der modernen Lyrik einzigartig sind. Bereits in hellenistischer Zeit galt Pindar als der Lyriker schlechthin. Nicht anders sahen ihn die Römer, wobei Horaz in seiner Ode 4,2 warnt, der Versuch, Pindar nachzuahmen, könne leicht wie der Flug des Ikaros mit einer Bruchlandung enden. In Deutschland beginnt die Wirkungsgeschichte mit Klopstock, reicht über Hölderlin und die Dichter des Sturm und Drang, wie den jungen Goethe, hin zu Nietzsche und den George-Kreis. Auch in der Lyrik Ezra Pounds sind Nachklänge der Oden Pindars unverkennbar. Die vorliegende Ausgabe der Siegeslieder bietet neben dem griechischen Text eine Übersetzung, deren Präzision es dem Kenner des Griechischen ermöglicht, sich in den Urtext einzulesen. Pindars Bildwelt wird exakt reproduziert, gewissermaßen "dokumentiert", in einer rhythmisierten Prosa, die eigenständig neben früheren Pindar-Verdeutschungen steht. Die sprachliche Struktur des Originals wird in ihrer harten Fügung bewahrt und nicht einer Umsetzung in das Gewohnte geopfert. Zugleich wird eine Annäherung an eine unserer Zeit gemäße Sprachform erreicht, die dem literarisch Interessierten den Zugang zu Pindar entschließt. Eingehende Analyse zur Deutung und zur Wirkungsgeschichte können zu einem vertieften Verständnis führen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Die Bedeutung des griechischen Dichters Pindar, der im 5. Jahrhundert vor Christus gelebt hat und dessen Siegeslieder im 18. Jahrhundert Hölderlin, Klopstock und viele andere Dichter und Denker beeinflusst haben, sollte man in jedem Fall sehr hoch ansetzen, findet Heinz Schlaffer und plädiert für eine Übersetzung und Verbreitung von Pindars Werk. Aber nicht in der Form, wie sie der 1996 verstorbene Tübinger Gräzist Uvo Hölscher gewählt habe, meint der Rezensent. Denn Hölscher sei anscheinend darauf aus gewesen, Pindar dem Leser in seiner ganzen Kompliziertheit vorsetzen zu wollen, wozu er eine ganze Reihe längst nicht mehr gebräuchlicher Worte oder Satzkonstrukte verwende oder gar selbst welche neu konstruiere, ärgert sich Schlaffer, der sich fragt, wen das begeistern könne. Pindar zu übersetzen sei keine leichte Aufgabe, gesteht der Rezensent zu, aber den Dichter so zu "verfremden", könne eigentlich nur den Übersetzer erfreuen, schimpft Schlaffer.
© Perlentaucher Medien GmbH
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