Dieses Buch stellt die Berliner Start-Up-Szene vor und zeigt sowohl Schwierigkeiten und Stolpersteine als auch die Erfolgsfaktoren von Gründern auf. Viele Aspekte - wie zum Beispiel die Finanzierungsfragen - lassen sich dabei auch auf Gründungen in der gesamten Republik übertragen. Die Autorin bedient sich sowohl Zahlen und Fakten als auch den aussagekräftigen Interviews mit Machern und Beobachtern, die interessante und überraschende Insider-Einblicke gewähren.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.2015Silicon-City
Berlin als Mekka für Unternehmensgründer
Silicon Valley, der Geburtsort von Google, Facebook, Apple und Amazon, hat magischen Klang, wenn es um Start-ups geht. Wo immer anderswo auf der Welt nach aktuellem Gründergeist gesucht wird, taucht der Name als Wortspiel mit auf. So auch im Buchtitel von Nadine Schimroszik, die sich mit den Erfolgen und Stolpersteinen von Start-ups speziell in Berlin beschäftigt. Schimroszik stellt auf gut 200 Seiten die Berliner Szene aus der Sicht von Gründern, Investoren, Wissenschaftlern und Branchenkennern vor. Deren Aussagen werden unterfüttert mit Studien von KPMG, McKinsey, Boston Consulting und anderen Beobachtern des Geschehens.
Teil I des Buches bietet mehr oder weniger eine Momentaufnahme. In Teil II geht es detailliert ums Geld dafür. Basis war wohl eine Reportage der Reuters-Autorin über die Finanzierungsmöglichkeiten von Start-ups, aus der letztlich die Idee zu ihrem Buch entstand. Teil III reflektiert, was von Politik, Staat und Wirtschaft für junge Unternehmen als zukunftsträchtiges Ökosystem getan werden kann.
Das Buch ist sicher nicht für Insider gedacht; eher vielleicht für Leute, die an die Gründung eines eigenen Unternehmens in Berlin denken. Sie nehmen die vielen nützlichen Tipps zu Finanzierung, Fördermitteln und Netzwerken vermutlich gern entgegen. Doch auch wer nicht in die Branche einsteigen will, wird mit Staunen verfolgen, was Unternehmen wie etwa Zalando, Wooga und Coffee Circle, Soundcloud oder Delivery Hero so groß und erfolgreich gemacht hat und warum andere Berliner Start-ups schlichtweg gescheitert sind. Laut der McKinsey-Studie "Berlin gründet" musste im Schnitt jedes fünfte der zwischen 2007 und 2011 initiierten Unternehmen wieder liquidiert werden. Viele Gründer lassen sich jedoch offenbar nicht entmutigen. Ein nicht unerheblicher Teil von ihnen versucht es stets ein weiteres Mal und behauptet sich dann mit einer revidierten oder neuen Idee und mehr Erfahrung besser am Markt.
Von den 4000 bis 5000 Start-ups in Deutschland befinden sich nach Angaben der Industrie- und Handelskammer rund 2500 in Berlin. Angeblich gehen in der Hauptstadt täglich zwei neue Gründungen in innovativen Bereichen wie E-Commerce oder Software an den Start. Wie viele junge Unternehmen dort wirklich agierten, sei kaum festzustellen, sagt Schimroszik. An validen Zahlen mangele es seit Jahren. Das liege an den fließenden Übergängen von jungen Unternehmen zu etablierten Marktteilnehmern, aber auch an dem schwammigen Begriff "Start-up". Sie selbst favorisiert eine Definition, die sie als Unternehmen mit hochinnovativem Geschäftsmodell oder entsprechender Technologie, hoher Risikofinanzierung und weniger als 15 Mitarbeitern ausweist.
Wirtschaftsberater aller Couleur malen ein rosiges Bild von der Szene in der Hauptstadt. Vor wenigen Jahren gab es dort eine solche noch nicht. Bei Schimroszik erinnert sich unter anderem Robert Gentz, Chef des seit 2014 börsennotierten Moderiesen Zalando mit mehr als 6000 Mitarbeitern, wie er selbst 2008 als Pionier in Berlin anfing: "Damals waren StudiVZ mit 18 Mitarbeitern und Toptarif die Ikonen. Und uns erschien es unerreichbar, ein Unternehmen in dieser Größenordnung aufzubauen."
Eine Reihe von Faktoren haben allem Anschein nach Berlin zu einer Art Mekka für Gründungswillige gemacht. Das ist nicht weiter erstaunlich: Im Vergleich zu anderen Standorten sind die Wege dort kurz und die Gewerbemieten bezahlbar. Zudem gibt es ein großes Angebot an Fachkräften, leistungsfähige Hochschulen, funktionierende Netzwerke, umfangreiche Freizeitangebote sowie eine ganz eigene Kreativ- und Künstlerszene, die sehr unterschiedliche Leute von überall her anzieht. Außerdem machen die deutlich günstigeren Lebenshaltungskosten im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten das Anwerben von Talenten leichter.
Um erfolgreich zu bleiben, müsse allerdings die Berliner Szene vielseitiger werden, schreibt Schimroszik. Von Diversifizierung und Differenzierung könne bisher kaum die Rede sein: "Alle machen in Software und Internet. Eine Neuheit im Hardware-Bereich, die aus Berlin kommt, scheint derzeit fast undenkbar." Als Grund vermutet die Autorin: "Die Summen, die in die Hand genommen werden müssen, um einem Hardware-Start-up einen guten Start zu ermöglichen, sind viel größer als bei einer E-Commerce-Gründung. Zudem versprechen sie nicht auf Anhieb die Rendite, die erfolgreiche Software-Start-ups haben." Wichtig sei es deshalb, die Ausrichtung innovativer Neugründungen in Berlin nicht zuletzt durch die entsprechende Vergabe von Risikokapital etwas zu modifizieren, damit ähnlich wie in Silicon Valley alle Wirtschaftsbereiche beteiligt würden.
Für Schimroszik hat Berlin noch eine weiten Strecke vor sich, bis die Stadt den Weg zu einer international führenden Hochburg geschafft hat. Rang eins nimmt ihrer Recherche nach unangefochten das Silicon Valley ein. Es folgen Tel Aviv, Los Angeles sowie Seattle. London kommt als erste europäische Stadt auf Platz sieben, Paris auf Platz elf und Berlin bis jetzt erst auf den 15. Platz, noch hinter Moskau und kurz vor dem kanadischen Waterloo. "Damit ist die deutsche Hauptstadt meilenweit von den ersten Plätzen entfernt, auf denen sie von einigen schon vermutet wird", sagt Schimroszik.
Sie ruft dazu auf, die Ausgangslage substantiell zu verbessern. Potential und Dynamik seien dafür in Berlin genug vorhanden. Doch werde viel davon abhängen, ob es ausreichend Finanzierungsmöglichkeiten und Fachkräfte gebe. Aber auch davon, ob Politik, Großkonzerne, Investoren und Gründer an einem Strang zögen. Die Attraktivität der Stadt müsse erhalten bleiben und gleichzeitig die Situation junger Unternehmen durch mehr steuerliche Anreize für Investoren verbessert werden.
ULLA FÖLSING
Nadine Schimroszik: Silicon Valley in Berlin. Erfolge und Stolpersteine für Start-ups. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz und München 2015, 207 Seiten, 24,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Berlin als Mekka für Unternehmensgründer
Silicon Valley, der Geburtsort von Google, Facebook, Apple und Amazon, hat magischen Klang, wenn es um Start-ups geht. Wo immer anderswo auf der Welt nach aktuellem Gründergeist gesucht wird, taucht der Name als Wortspiel mit auf. So auch im Buchtitel von Nadine Schimroszik, die sich mit den Erfolgen und Stolpersteinen von Start-ups speziell in Berlin beschäftigt. Schimroszik stellt auf gut 200 Seiten die Berliner Szene aus der Sicht von Gründern, Investoren, Wissenschaftlern und Branchenkennern vor. Deren Aussagen werden unterfüttert mit Studien von KPMG, McKinsey, Boston Consulting und anderen Beobachtern des Geschehens.
Teil I des Buches bietet mehr oder weniger eine Momentaufnahme. In Teil II geht es detailliert ums Geld dafür. Basis war wohl eine Reportage der Reuters-Autorin über die Finanzierungsmöglichkeiten von Start-ups, aus der letztlich die Idee zu ihrem Buch entstand. Teil III reflektiert, was von Politik, Staat und Wirtschaft für junge Unternehmen als zukunftsträchtiges Ökosystem getan werden kann.
Das Buch ist sicher nicht für Insider gedacht; eher vielleicht für Leute, die an die Gründung eines eigenen Unternehmens in Berlin denken. Sie nehmen die vielen nützlichen Tipps zu Finanzierung, Fördermitteln und Netzwerken vermutlich gern entgegen. Doch auch wer nicht in die Branche einsteigen will, wird mit Staunen verfolgen, was Unternehmen wie etwa Zalando, Wooga und Coffee Circle, Soundcloud oder Delivery Hero so groß und erfolgreich gemacht hat und warum andere Berliner Start-ups schlichtweg gescheitert sind. Laut der McKinsey-Studie "Berlin gründet" musste im Schnitt jedes fünfte der zwischen 2007 und 2011 initiierten Unternehmen wieder liquidiert werden. Viele Gründer lassen sich jedoch offenbar nicht entmutigen. Ein nicht unerheblicher Teil von ihnen versucht es stets ein weiteres Mal und behauptet sich dann mit einer revidierten oder neuen Idee und mehr Erfahrung besser am Markt.
Von den 4000 bis 5000 Start-ups in Deutschland befinden sich nach Angaben der Industrie- und Handelskammer rund 2500 in Berlin. Angeblich gehen in der Hauptstadt täglich zwei neue Gründungen in innovativen Bereichen wie E-Commerce oder Software an den Start. Wie viele junge Unternehmen dort wirklich agierten, sei kaum festzustellen, sagt Schimroszik. An validen Zahlen mangele es seit Jahren. Das liege an den fließenden Übergängen von jungen Unternehmen zu etablierten Marktteilnehmern, aber auch an dem schwammigen Begriff "Start-up". Sie selbst favorisiert eine Definition, die sie als Unternehmen mit hochinnovativem Geschäftsmodell oder entsprechender Technologie, hoher Risikofinanzierung und weniger als 15 Mitarbeitern ausweist.
Wirtschaftsberater aller Couleur malen ein rosiges Bild von der Szene in der Hauptstadt. Vor wenigen Jahren gab es dort eine solche noch nicht. Bei Schimroszik erinnert sich unter anderem Robert Gentz, Chef des seit 2014 börsennotierten Moderiesen Zalando mit mehr als 6000 Mitarbeitern, wie er selbst 2008 als Pionier in Berlin anfing: "Damals waren StudiVZ mit 18 Mitarbeitern und Toptarif die Ikonen. Und uns erschien es unerreichbar, ein Unternehmen in dieser Größenordnung aufzubauen."
Eine Reihe von Faktoren haben allem Anschein nach Berlin zu einer Art Mekka für Gründungswillige gemacht. Das ist nicht weiter erstaunlich: Im Vergleich zu anderen Standorten sind die Wege dort kurz und die Gewerbemieten bezahlbar. Zudem gibt es ein großes Angebot an Fachkräften, leistungsfähige Hochschulen, funktionierende Netzwerke, umfangreiche Freizeitangebote sowie eine ganz eigene Kreativ- und Künstlerszene, die sehr unterschiedliche Leute von überall her anzieht. Außerdem machen die deutlich günstigeren Lebenshaltungskosten im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten das Anwerben von Talenten leichter.
Um erfolgreich zu bleiben, müsse allerdings die Berliner Szene vielseitiger werden, schreibt Schimroszik. Von Diversifizierung und Differenzierung könne bisher kaum die Rede sein: "Alle machen in Software und Internet. Eine Neuheit im Hardware-Bereich, die aus Berlin kommt, scheint derzeit fast undenkbar." Als Grund vermutet die Autorin: "Die Summen, die in die Hand genommen werden müssen, um einem Hardware-Start-up einen guten Start zu ermöglichen, sind viel größer als bei einer E-Commerce-Gründung. Zudem versprechen sie nicht auf Anhieb die Rendite, die erfolgreiche Software-Start-ups haben." Wichtig sei es deshalb, die Ausrichtung innovativer Neugründungen in Berlin nicht zuletzt durch die entsprechende Vergabe von Risikokapital etwas zu modifizieren, damit ähnlich wie in Silicon Valley alle Wirtschaftsbereiche beteiligt würden.
Für Schimroszik hat Berlin noch eine weiten Strecke vor sich, bis die Stadt den Weg zu einer international führenden Hochburg geschafft hat. Rang eins nimmt ihrer Recherche nach unangefochten das Silicon Valley ein. Es folgen Tel Aviv, Los Angeles sowie Seattle. London kommt als erste europäische Stadt auf Platz sieben, Paris auf Platz elf und Berlin bis jetzt erst auf den 15. Platz, noch hinter Moskau und kurz vor dem kanadischen Waterloo. "Damit ist die deutsche Hauptstadt meilenweit von den ersten Plätzen entfernt, auf denen sie von einigen schon vermutet wird", sagt Schimroszik.
Sie ruft dazu auf, die Ausgangslage substantiell zu verbessern. Potential und Dynamik seien dafür in Berlin genug vorhanden. Doch werde viel davon abhängen, ob es ausreichend Finanzierungsmöglichkeiten und Fachkräfte gebe. Aber auch davon, ob Politik, Großkonzerne, Investoren und Gründer an einem Strang zögen. Die Attraktivität der Stadt müsse erhalten bleiben und gleichzeitig die Situation junger Unternehmen durch mehr steuerliche Anreize für Investoren verbessert werden.
ULLA FÖLSING
Nadine Schimroszik: Silicon Valley in Berlin. Erfolge und Stolpersteine für Start-ups. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz und München 2015, 207 Seiten, 24,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Ein Buch nicht nur für angehende Gründer, sondern auch für Entscheider in Stadt, Land und Bund und natürlich alle Interessierten."
(unitednetworker.com)
"[...] ein äußerst lesenswerter und kurzweiliger Schnelleinstieg in die Berliner Gründerszene."
(deutsche-startups.de)
(unitednetworker.com)
"[...] ein äußerst lesenswerter und kurzweiliger Schnelleinstieg in die Berliner Gründerszene."
(deutsche-startups.de)