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4 Kundenbewertungen

Wir waren gerade zehn Jahre verheiratet. Andere Ehefrauen bekommen da ja gern einen Ring, eine Reise oder einen neuen Busen spendiert. Mir schenkte mein Kerl mal eben ein neues Leben. Als ihr Mann für ein Jahr ins kalifornische Silicon Valley muss, sagt Katja Kessler ihrem gemütlichen Leben in Potsdam kurzentschlossen Tschüss und findet sich über Nacht mit vier kleinen Kindern und sieben großen Koffern in einem Mini-Apartment am Highway wieder. Mit einem Mal heißt Alltag: Kolibris vor dem Küchenfenster, der Duft von Eukalyptus in der Luft, Popo-Vermessungs-Roboter in der Jeans-Abteilung. Aber…mehr

Produktbeschreibung
Wir waren gerade zehn Jahre verheiratet. Andere Ehefrauen bekommen da ja gern einen Ring, eine Reise oder einen neuen Busen spendiert. Mir schenkte mein Kerl mal eben ein neues Leben.
Als ihr Mann für ein Jahr ins kalifornische Silicon Valley muss, sagt Katja Kessler ihrem gemütlichen Leben in Potsdam kurzentschlossen Tschüss und findet sich über Nacht mit vier kleinen Kindern und sieben großen Koffern in einem Mini-Apartment am Highway wieder.
Mit einem Mal heißt Alltag: Kolibris vor dem Küchenfenster, der Duft von Eukalyptus in der Luft, Popo-Vermessungs-Roboter in der Jeans-Abteilung. Aber schnell wird auch klar: Mist! Hier läuft leider gerade verdammt viel schief ...
Wie es ist, im Land der unbegrenzten Möglichketen an eigene Grenzen zu stoßen, warum Glück ein Gast ist, der gern durch die Hintertür kommt - Katja Kessler erzählt. Mitreißend und saukomisch. Beim Reisen lernst du vieles kennen.
Zum Beispiel dich selbst.
Autorenporträt
Katja Kessler, Zahnärztin, Bild-Kolumnistin, Dieter-Bohlen-Biografin und Mutter von vier Kindern stand 2007 mit ihrem ersten Roman bereits auf der Spiegel-Bestsellerliste. Katja Kessler lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Potsdam.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nachdem er Christian Wulff erledigt hatte, nahm sich Kai Diekmann ein Jahr Auszeit im Silicon Valley, um sich dort zusammen mit anderen Größen des Springer-Verlags inspirieren und einen Vollbart wachsen zu lassen. Seine Frau, die Bild-Kolumnistin Katja Kessler, und seine vier Kinder haben ihn begleitet. Mit überraschender Ausführlichkeit widmet sich der hier rezensierende FAZ-Feuilletonchef Nils Minkmar den Erinnerungen Kesslers an dieses Jahr, das ein wenig Durcheinander in die gut gesettelte Familie brachte und Anlass zu einem jener "Sympathisches Chaos"-Bücher gab, von denen zu fürchten ist, dass sie als ZDF-Schmonzette verfilmt werden. Minkmar ist aber ernstlich angetan: Die Autorin habe einen trockenen Witz, der in tragischen Vorfällen in ihrer frühen Familiengeschichte grundiert sei. Und so münden die Schilderungen des burlesken Alltags im Silicon Valley, das nach Minkmar allein dem Profitstreben gewidmet ist, sogar in einige existenzielle Fragen über "die Komplexität des Alltags, die Wagnisse moderner Familien" und Ähnliches.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.09.2014

Als Schatzi einen Mann umarmte

Katja Kessler begleitete ihren Mann, den "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann, nach Kalifornien. Dort lernte sie etwas ganz anderes als er: dass es erst einmal darauf ankommt, das analoge Leben zu meistern.

Früher pilgerte man nach Kalifornien, um Gold zu schürfen, in den späten sechziger Jahren wegen der guten Schwingungen unter Blumenkindern, heute ist diese Reise eine Suche nach der Zukunft des Profits. Investoren, Medienmanager oder einfache Journalisten lassen sich von jugendlichen Maklern den Weg zum neuen heißen Ding weisen. Die digitale Umwälzung kennt keine Ruhe, wer gestern noch die Welt beherrschte, ist heute, wenn er Glück hat, höchstens noch Kult. Da kann man schon auf die Idee kommen, mal hinzureisen ins gelobte Kalifornien, um vielleicht heute schon zu erfahren, womit morgen die Kunden beglückt werden könnten: Wird nach der Ein-Wort-App Yo noch eine Zweitwort- oder gar die ultimative Satzzeichen-App kommen? Oder eine, die im Fahrstuhl die Musik individuell auf den Nutzergeschmack abstimmt? Die mir sagt, welche Ampeln auf der Welt gerade welche Phasen haben?

Wie man auf der Suche nach der zukünftig profitabelsten Anwendung, nach dem Idealrezept der Medien von morgen die Gegenwart vernachlässigen kann, davon handelt Katja Kesslers Reisetagebuch "Silicon Wahnsinn". Ein Jahr lang war ihr Mann, ein bekannter deutscher Journalist, von seinem Verlag nach Kalifornien entsandt worden, um dort die digitale Revolution zu studieren, was insofern ein widersprüchliches Unterfangen war, als der Witz der Digitalisierung ja gerade darin besteht, alle Orte zugleich zu erreichen und das Denken nach Standorten zu überwinden.

Das Buch, das die Ehefrau dieses Journalisten nun über die gemeinsamen Monate in Kalifornien geschrieben hat, beschreibt eine ganz andere Reise: die der Autorin zu sich selbst. Es ist zunächst ein sehr komisches Buch. Katja Kessler hat einen schnellen und völlig respektlosen Humor und eine hemmungslose Freude am schiefen Denken. Ihre Pointen und Dialoge sitzen, und wenn sie ins Erzählen kommt, gibt es keine Umwege oder überflüssigen Beschreibungen, Tempo ist dann alles.

Kessler über ihre Heimatstadt: "Sommer in Potsdam ist so, als wenn Renoir gesoffen und ein paar Stilelemente durcheinander gekriegt hätte." Dekonstruktion der Idylle, das ist das Programm des Buchs, und das bezieht sich mit Vorliebe auf den Mann an sich und den eigenen Ehemann im Besonderen. Ephraim Kishon nannte die Frau, die in seinen Satiren über den Ehealltag auftauchte, stets "die beste Ehefrau von allen" - hier heißt der Mann immer nur "Schatzi". Der hat so seine individuellen Spleens und Eigenheiten, ist aber gerade darin auch Sinnbild des männlichen Geschlechts überhaupt. Für dessen, also unsere Art, mit den Fragen des täglichen Lebens umzugehen, führt die Autorin einen neuen Kasus ein, den Männerkonjunktiv: "Katja, wenn ich wüsste, wo die Schuhe der Kinder sind, könnte ich dir dabei helfen, ihre Füße zu suchen." Der Mann formuliert im Konjunktiv, die vierfache Mutter verzweifelt im Indikativ. So wird das Leben zum Schachtelsatz, auf den sich alle ihren Reim machen müssen.

Ganz leicht ist die Aufstellung der Familie nicht zu verstehen; vieles, mutmaßt man, wird auch nicht aufgeschrieben. Zwar begleiten Frau und Kinder den Mann auf seiner Suche, aber nur im analogen Teil der Mission. Was er dort eigentlich treibt, will und erlebt, spielt in der Familie keine große Rolle. "Schatzi" hatte sich eine Wohngemeinschaft mit zwei Kollegen organisiert und wollte, als Frau und Kinder sich entschlossen, ihn zu begleiten, aus der nicht mehr aussteigen. So wird er in Kalifornien zum Wochenendvater und als eine Art Spezialeffekt beschrieben, der mal erleichtert empfangen, mal auch brüsk abgewiesen wird. Das analoge Leben ist kompliziert genug.

Einmal drohen beide Welten zu kollidieren: Da sucht die vom kalifornischen Alltag mit vier kleinen Kindern zermürbte, alleinerziehende Ehefrau ihren Mann in seinem Büro auf und will ihm ihr Leid klagen, aber er macht erst mal ein Foto von ihr, appliziert eine App, und schon sieht man, wie sie zum Ziel einer Rakete oder eines Steinschlags wird, superlustig. Man muss dazu aber in passender Stimmung sein. War sie aber nicht, vielmehr suchte sie, sprachlich ganz nah am digitalen Wahnsinnsalltag, "das Ladekabel für sich selbst".

Wie in allen gelungenen Komödien geht es auch in "Silicon Wahnsinn" um die großen, alle Menschen berührenden Fragen - sie werden bloß in einer Sprache gestellt, die der Schwere des Gegenstands durch Leichtigkeit begegnen will. Wir lesen also plötzlich von einem tragischen Autounfall, einem Schicksalsschlag, der in den siebziger Jahren der Familie der Autorin alle Sicherheit geraubt hat. Seitdem fällt es ihr schwer, menschengemachten Plänen zu vertrauen. Das Leben, das doch materiell gesichert und, was Krankheit, Gewalt, Verfolgung angeht, sorgenfrei dahinfließen könnte, zumal im sonnigen Kalifornien, wo sich doch so viele hinträumen, wird als tückisch und unberechenbar beschrieben. Es ist eine Form existentiellen Misstrauens des modernen Subjekts gegen die freundliche Benutzeroberfläche einer Welt, in der man nie ganz zu Hause ist.

Und wenn mal nichts ist, bricht sich ein Kind den Arm, erstickt beinahe auf dem Kindergeburtstag, oder das Klo explodiert. Alle paar Wochen gibt es Stress mit den Behörden und ansonsten eben mit der Schule oder der Kraftfahrzeugbehörde, den Haustieren oder den übrigen deutschen Landsleuten in Kalifornien. Es ist, als wäre das Leben dort, wo es besonders leicht und frei zu sein verspricht, extra gemein und beschwerlich. Schließlich erarbeitet sich die Autorin einen Weg aus diesem Gestrüpp aus Einsamkeit, Anstrengung und Sorge: Sie besinnt sich auf ihre Stärke und schreibt alles auf, schiebt eine Folie aus Witz zwischen sich und die Dinge.

So macht das Buch, bei all seinen gelungenen und trotz der einen oder anderen weniger gelungenen Pointe vor allem nachdenklich: über die Komplexität des Alltags, die Wagnisse moderner Familien und die Lage einer Generation, die ihre Lebensführung ganz neu erfinden muss, ohne die Modelle der Vorfahren und jene das Selbst stabilisierende Praxis, die Michel Foucault in der "Sorge um sich" beschrieb. Sie muss alles in vollem Lebenslauf nachholen, obwohl doch immer so viel zu tun ist.

NILS MINKMAR

Katja Kessler: "Silicon Wahnsinn". Wie ich mal mit Schatzi nach Kalifornien auswanderte.

Verlag Marion von Schröder, Berlin 2014. 448 S., geb., 14,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Katja Kessler hat einen schnellen und völlig respektlosen Humor und eine hemmungslose Freude am schiefen Denken.", FAZ, Nils Minkmar, 30.09.2014