Alice Schwarzers Klassiker über Simone de Beauvoir - »Dieses Buch wird helfen, die Sache, der ich so tief verbunden bin, besser zu verstehen.« Simone de Beauvoir.
Alice Schwarzers Gespräche mit Simone de Beauvoir sind das Herzstück dieses Buches. Sie wurden in den so bewegten Jahren 1972 bis 1982 geführt und damals weltweit veröffentlicht und diskutiert. Die Gespräche gelten als Schlüssel zum politischen Teil von Simone de Beauvoirs Werk und Leben. Die Einheit von Werk und Leben machte Simone de Beauvoir zum Modell der engagierten Intellektuellen unserer Zeit (»Ich hielt mich nicht für eine 'Frau', ich war ich.«)
Die Gespräche sind - für die als sehr scheu und spröde bekannte Simone de Beauvoir - von einer ungewöhnlichen Offenheit und Intimität. Was der persönlichen Beziehung der beiden Frauen zu verdanken ist: Alice Schwarzer war politische Weggefährtin und Freundin. Die Fragen, die darin aufgeworfen werden - Identität, Macht, Liebe, Kinder, Politik - sind hochaktuell.
Alice Schwarzers Gespräche mit Simone de Beauvoir sind das Herzstück dieses Buches. Sie wurden in den so bewegten Jahren 1972 bis 1982 geführt und damals weltweit veröffentlicht und diskutiert. Die Gespräche gelten als Schlüssel zum politischen Teil von Simone de Beauvoirs Werk und Leben. Die Einheit von Werk und Leben machte Simone de Beauvoir zum Modell der engagierten Intellektuellen unserer Zeit (»Ich hielt mich nicht für eine 'Frau', ich war ich.«)
Die Gespräche sind - für die als sehr scheu und spröde bekannte Simone de Beauvoir - von einer ungewöhnlichen Offenheit und Intimität. Was der persönlichen Beziehung der beiden Frauen zu verdanken ist: Alice Schwarzer war politische Weggefährtin und Freundin. Die Fragen, die darin aufgeworfen werden - Identität, Macht, Liebe, Kinder, Politik - sind hochaktuell.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2007Das Beste, bis heute
Eine klare Bilanz: Simone de Beauvoir in zwei von Alice Schwarzer edierten Büchern / Von Julia Voss
Vielleicht sollte man mit einem der unsympathischen Sätze beginnen: "Es wäre falsche Bescheidenheit von mir, nicht zu sehen, dass in diesem Bereich bisher nichts Besseres geschrieben worden ist." Nichts Besseres - damit ist das Buch "Das andere Geschlecht" gemeint. Und gesagt wird der Satz von der Autorin selbst, Simone de Beauvoir, in einem Gespräch, das Alice Schwarzer 1978 in der Zeitschrift "Emma" führte. Anlass war der siebzigste Geburtstag der Schriftstellerin, sie war also eingeladen, Bilanz zu ziehen. Die Bilanz fiel dann überraschend klar aus. Nichts Besseres. Punkt.
Es ist natürlich ungewöhnlich, solche Urteile über sich selbst zu fällen. Überlesen kann man diesen Satz in dem gerade von Alice Schwarzer als Taschenbuch veröffentlichten Interviewband nicht, im Gegenteil, man liest ihn wieder und wieder und fragt sich, ob das wirklich da so steht; danach bleibt bei der Lektüre eine gewisse Anspannung zurück - aber das ist gut so. Denn wenn wir Anfang Januar den hundertsten Geburtstag von Simone de Beauvoir feiern, wird sich auch diese Frage stellen. Nichts Besseres? Würden wir dreißig Jahre später noch immer dieselbe Antwort geben wie Simone de Beauvoir?
Als "Das andere Geschlecht" 1949 erschien, wurde es sofort ein Verkaufserfolg, zweiundzwanzigtausend Exemplare gingen bereits in der ersten Woche über die Ladentische. Hämisch und verletzend waren dabei oft die Rezensionen, auch davon berichtet Simone de Beauvoir, trocken, ausführlich, ohne Auslassungen. Nachlesen lässt sich dies in dem zweiten von Alice Schwarzer kommentierten Sammelband "Simone de Beauvoir. Ein Lesebuch mit Bildern". Er stellt Auszüge aus dem umfangreichen Werk zwischen 1943 bis 1972 vor, darunter auch die Memoiren "Der Lauf der Dinge". Es macht den Reiz der beiden Bände aus, dass man sie komplementär lesen kann.
"Ich erhielt", schreibt Simone de Beauvoir dort 1963 über die Aufnahme ihres Buchs, "signierte und anonyme Epigramme, Satiren, Strafpredigten, Ermahnungen. Man sagte, dass ich unbefriedigt, frigid, priapisch, nymphoman, lesbisch sei und hundert Abtreibungen hinter mir habe und sogar heimlich ein Kind hätte. Man machte sich erbötig, meine Frigidität zu heilen, meine vampirischen Gelüste zu befriedigen, man versprach mir Offenbarungen, zwar mit schmutzigen Ausdrücken, aber im Namen des Wahren, des Schönen, des Guten, der Gesundheit und sogar der Poesie, an denen ich mich auf unwürdige Weise vergangen hatte."
Die Beleidigungen notiert Simone de Beauvoir so ungerührt wie das Lob, nur eine Bemerkung wird in der Niederschrift mit einem Ausrufezeichen versehen: "Es ist langweilig, Klosettwände zu bekritzeln: Dass manische Sexualphantasten es vorzogen, mir ihre Fleißarbeiten zuzuschicken, konnte ich verstehen. Aber dass sich selbst Mauriac darunter befand! Er schrieb an einen Mitarbeiter der ,Temps Modernes': Nun weiß ich alles über die Vagina ihrer Chefin.'"
Die Geschichte hat den, der das für einen guten Herrenwitz hielt, François Mauriac, Schriftsteller und Nobelpreisträger, inzwischen kleingeschrumpft - geblieben ist aber die Schieflage, in die Debatten um Gleichberechtigung und Geschlechterrollen bis heute abrutschen. In "Das andere Geschlecht" hatte Simone de Beauvoir eine umfassende Kritik der Geschlechterrollen geliefert, ihre Geschichte aufgezeigt, die soziale Funktion und vor allem jene widerlegt, die glaubten, sie könnten sich auf eine natürliche Ordnung berufen, die jenseits von Gesellschaft festlegt, wie ein Mann sei - und wie eine Frau.
Statt kluger Widerworte erhielt Simone de Beauvoir dafür fast ausschließlich Beschimpfungen, aus den Reaktionen sprach häufig nicht mehr als die gewaltige Anstrengung, die Autorin persönlich zu treffen. Und genau deshalb lohnt es sich, den Auszug, den Alice Schwarzer aus "Das andere Geschlecht" ausgewählt hat, sorgfältig zu lesen. Simone de Beauvoir beschreibt darin die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, so wie sie unter den Bedingungen der Ungleichheit stattfindet: "Mit etwas gutem Willen versucht er, die ungleiche Situation durch Großzügigkeit auszugleichen. Allerdings betrachtet er es als ein Verdienst, das er dieses Mitleid aufbringt, und beim ersten Krach wirft er der Frau Undankbarkeit vor. Verärgert denkt er sich: ,Ich bin zu gutmütig.' Sie spürt, dass sie sich als Bittstellerin gebärdet, obwohl sie vom hohen Wert ihrer Gaben überzeugt ist: Sie fühlt sich gedemütigt." Bei der nächsten Gelegenheit wird sie versuchen, sich dafür zu rächen. Im Ergebnis: "Beide sind gekränkt."
Es ist diese kleine Szene, die einen bedauern lässt, dass Simone de Beauvoir neben Romanen, Essays und Memoiren nie ein Drehbuch oder Theaterstück schrieb. Im Kleinen führt sie vor, wovon "Das andere Geschlecht" im Großen handelt: die unglaubliche Kränkungsspirale, deren Windungen die Rache von Menschen dafür sind, dass sie in die Rolle nicht passen, die ihnen zugedacht wurde. Die Hasstiraden auf Beauvoir waren Teil davon. Auch die erbitterten Verfechter von Geschlechterdifferenz entsprechen selbst nicht den Klischees, die sie von Männlichkeit entwerfen. Um mit Beauvoir zu schließen: Sie sind gekränkt.
Ins Leere zielt der Vorwurf, dass, wer Menschen nicht in männlich und weiblich sortieren wolle, Unterschiede ignoriere. Es ist das Gegenteil von Gleichmacherei. Denn weder leugnete Beauvoir, dass es tradierte Geschlechterrollen gebe - nur bestritt sie, dass diese von der Natur eingerichtet seien. In Abrede wurde auch nicht gestellt, dass Menschen verschieden sind - nur dass das Geschlecht ein richtiges Ordnungskriterium für diese Unterschiede ist. Was Besseres wurde dazu bis heute tatsächlich nicht geschrieben.
Alice Schwarzer: "Simone de Beauvoir". Weggefährtinnen im Gespräch. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007. 123 S., Abb., br., 7,95 [Euro].
Alice Schwarzer: "Simone de Beauvoir". Ein Lesebuch mit Bildern. Rowohlt Verlag, Reinbek 2007. 336 S., S/W-Abb. auf Tafeln, geb., 19,90 [Euro].
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Eine klare Bilanz: Simone de Beauvoir in zwei von Alice Schwarzer edierten Büchern / Von Julia Voss
Vielleicht sollte man mit einem der unsympathischen Sätze beginnen: "Es wäre falsche Bescheidenheit von mir, nicht zu sehen, dass in diesem Bereich bisher nichts Besseres geschrieben worden ist." Nichts Besseres - damit ist das Buch "Das andere Geschlecht" gemeint. Und gesagt wird der Satz von der Autorin selbst, Simone de Beauvoir, in einem Gespräch, das Alice Schwarzer 1978 in der Zeitschrift "Emma" führte. Anlass war der siebzigste Geburtstag der Schriftstellerin, sie war also eingeladen, Bilanz zu ziehen. Die Bilanz fiel dann überraschend klar aus. Nichts Besseres. Punkt.
Es ist natürlich ungewöhnlich, solche Urteile über sich selbst zu fällen. Überlesen kann man diesen Satz in dem gerade von Alice Schwarzer als Taschenbuch veröffentlichten Interviewband nicht, im Gegenteil, man liest ihn wieder und wieder und fragt sich, ob das wirklich da so steht; danach bleibt bei der Lektüre eine gewisse Anspannung zurück - aber das ist gut so. Denn wenn wir Anfang Januar den hundertsten Geburtstag von Simone de Beauvoir feiern, wird sich auch diese Frage stellen. Nichts Besseres? Würden wir dreißig Jahre später noch immer dieselbe Antwort geben wie Simone de Beauvoir?
Als "Das andere Geschlecht" 1949 erschien, wurde es sofort ein Verkaufserfolg, zweiundzwanzigtausend Exemplare gingen bereits in der ersten Woche über die Ladentische. Hämisch und verletzend waren dabei oft die Rezensionen, auch davon berichtet Simone de Beauvoir, trocken, ausführlich, ohne Auslassungen. Nachlesen lässt sich dies in dem zweiten von Alice Schwarzer kommentierten Sammelband "Simone de Beauvoir. Ein Lesebuch mit Bildern". Er stellt Auszüge aus dem umfangreichen Werk zwischen 1943 bis 1972 vor, darunter auch die Memoiren "Der Lauf der Dinge". Es macht den Reiz der beiden Bände aus, dass man sie komplementär lesen kann.
"Ich erhielt", schreibt Simone de Beauvoir dort 1963 über die Aufnahme ihres Buchs, "signierte und anonyme Epigramme, Satiren, Strafpredigten, Ermahnungen. Man sagte, dass ich unbefriedigt, frigid, priapisch, nymphoman, lesbisch sei und hundert Abtreibungen hinter mir habe und sogar heimlich ein Kind hätte. Man machte sich erbötig, meine Frigidität zu heilen, meine vampirischen Gelüste zu befriedigen, man versprach mir Offenbarungen, zwar mit schmutzigen Ausdrücken, aber im Namen des Wahren, des Schönen, des Guten, der Gesundheit und sogar der Poesie, an denen ich mich auf unwürdige Weise vergangen hatte."
Die Beleidigungen notiert Simone de Beauvoir so ungerührt wie das Lob, nur eine Bemerkung wird in der Niederschrift mit einem Ausrufezeichen versehen: "Es ist langweilig, Klosettwände zu bekritzeln: Dass manische Sexualphantasten es vorzogen, mir ihre Fleißarbeiten zuzuschicken, konnte ich verstehen. Aber dass sich selbst Mauriac darunter befand! Er schrieb an einen Mitarbeiter der ,Temps Modernes': Nun weiß ich alles über die Vagina ihrer Chefin.'"
Die Geschichte hat den, der das für einen guten Herrenwitz hielt, François Mauriac, Schriftsteller und Nobelpreisträger, inzwischen kleingeschrumpft - geblieben ist aber die Schieflage, in die Debatten um Gleichberechtigung und Geschlechterrollen bis heute abrutschen. In "Das andere Geschlecht" hatte Simone de Beauvoir eine umfassende Kritik der Geschlechterrollen geliefert, ihre Geschichte aufgezeigt, die soziale Funktion und vor allem jene widerlegt, die glaubten, sie könnten sich auf eine natürliche Ordnung berufen, die jenseits von Gesellschaft festlegt, wie ein Mann sei - und wie eine Frau.
Statt kluger Widerworte erhielt Simone de Beauvoir dafür fast ausschließlich Beschimpfungen, aus den Reaktionen sprach häufig nicht mehr als die gewaltige Anstrengung, die Autorin persönlich zu treffen. Und genau deshalb lohnt es sich, den Auszug, den Alice Schwarzer aus "Das andere Geschlecht" ausgewählt hat, sorgfältig zu lesen. Simone de Beauvoir beschreibt darin die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, so wie sie unter den Bedingungen der Ungleichheit stattfindet: "Mit etwas gutem Willen versucht er, die ungleiche Situation durch Großzügigkeit auszugleichen. Allerdings betrachtet er es als ein Verdienst, das er dieses Mitleid aufbringt, und beim ersten Krach wirft er der Frau Undankbarkeit vor. Verärgert denkt er sich: ,Ich bin zu gutmütig.' Sie spürt, dass sie sich als Bittstellerin gebärdet, obwohl sie vom hohen Wert ihrer Gaben überzeugt ist: Sie fühlt sich gedemütigt." Bei der nächsten Gelegenheit wird sie versuchen, sich dafür zu rächen. Im Ergebnis: "Beide sind gekränkt."
Es ist diese kleine Szene, die einen bedauern lässt, dass Simone de Beauvoir neben Romanen, Essays und Memoiren nie ein Drehbuch oder Theaterstück schrieb. Im Kleinen führt sie vor, wovon "Das andere Geschlecht" im Großen handelt: die unglaubliche Kränkungsspirale, deren Windungen die Rache von Menschen dafür sind, dass sie in die Rolle nicht passen, die ihnen zugedacht wurde. Die Hasstiraden auf Beauvoir waren Teil davon. Auch die erbitterten Verfechter von Geschlechterdifferenz entsprechen selbst nicht den Klischees, die sie von Männlichkeit entwerfen. Um mit Beauvoir zu schließen: Sie sind gekränkt.
Ins Leere zielt der Vorwurf, dass, wer Menschen nicht in männlich und weiblich sortieren wolle, Unterschiede ignoriere. Es ist das Gegenteil von Gleichmacherei. Denn weder leugnete Beauvoir, dass es tradierte Geschlechterrollen gebe - nur bestritt sie, dass diese von der Natur eingerichtet seien. In Abrede wurde auch nicht gestellt, dass Menschen verschieden sind - nur dass das Geschlecht ein richtiges Ordnungskriterium für diese Unterschiede ist. Was Besseres wurde dazu bis heute tatsächlich nicht geschrieben.
Alice Schwarzer: "Simone de Beauvoir". Weggefährtinnen im Gespräch. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007. 123 S., Abb., br., 7,95 [Euro].
Alice Schwarzer: "Simone de Beauvoir". Ein Lesebuch mit Bildern. Rowohlt Verlag, Reinbek 2007. 336 S., S/W-Abb. auf Tafeln, geb., 19,90 [Euro].
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