Grimmelshausens Vogelnest-Romane sind Variationen über das schon im Springinsfeld auftauchende Problem, ob der Mensch aus sich heraus zum Guten fähig ist, auch wenn er unbemerkt das Böse tun kann. Dabei erweist sich das christliche Gewissen als entscheidende Instanz zur Selbsterkenntnis, wobei das richtige Verständnis der göttlichen Schöpfung oder die Anleitung durch einen geistlichen Führer entscheidend weiterhelfen. Beide Romane werden als Beispiele für selbstkritisches Erzählen im Sinne einer augustinischen Lebensbeichte in die Tradition des Simplicissimus gestellt. Das unsichtbar machende Vogelnest erscheint in Titelkupfer und Text zwar als poetologische Allegorie des weltkritischen Satirikers, jedoch nicht des simplicianischen Erzählers, welcher vielmehr erst aufgrund seines Verzichts auf das Zauberding zur notwendigen Selbstsatire fähig wird. Eine saubere Unterscheidung des Ich-Erzählers vom handelnden Helden ermöglicht die auktoriale Zuordnung der satirischen Stoßrichtung gegen eine verkehrte Welt, die in vieler Hinsicht vom Wahn betrogen wird, wobei auch helles Licht auf Grimmelshausens religiösen Standpunkt fällt. Als moralisches Leitmotiv erweist sich das Prinzip, daß die Sünder von anderen Sündern bestraft werden und daß Gott das Unglück als Strafe für die Sünde, mehr aber noch als Angebot zur Besserung verhängt.