Im Mai 1967 erzwang Nasser den Abzug der UN-Friedenstruppen aus dem Sinai und sperrte den Golf von Aqaba. Israel fasste dies als Angriff auf und eröffnete am 5. Juni 1967 den sogenannten Sechs-Tage-Krieg. Ursprünge und Verlauf dieses Krieges stehen in großer Diskrepanz zu seinen militärstrategischen Ergebnissen und weitreichenden Folgen. - Die Geschichte der Nahost-Region seit 1917, die israelisch-arabischen Konflikte, der Terrorismus und die Entwicklung des islamischen Fundamentalismus bis in die Gegenwart.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.02.1998Trügerischer Erfolg
NAHOST. Der Sechs-Tage-Krieg 1967 erwies sich für Israel als trügerischer Erfolg. Bereits am Mittag des ersten Kriegstages beherrschte es den gesamten ägyptischen Luftraum - trotz eines Drei-Fronten-Krieges an den Grenzen eines Landes, das so groß ist wie Hessen, mit einer im Vergleich zu den arabischen Gegnern winzigen Armee. Fünf Tage später hatten die Israelis unter Rabin und Dajan nicht nur Ägypter, Jordanier und Syrer vernichtend geschlagen, sie hatten auch den Sinai besetzt, das Westjordanland mit dem östlichen Jerusalem erobert und die Golanhöhen erstürmt, wie Helmut Mejcher in seinem Buch über die schicksalsträchtige Woche im Juni 1967 darlegt. Leider bleibt seine Darstellung so trocken wie der Negev im Sommer, und es fehlt die Disziplin, sich auf das Thema zu beschränken. Dennoch lohnt die Lektüre. Der Hamburger Zeithistoriker zeichnet die Interessen der einzelnen Regierungen nach, erläutert das Kriegsgebrüll Nassers genauso schlüssig wie das Krisenmanagement der bedrängten Israelis, ohne den Einfluß der Supermächte zu übergehen. Allerdings erliegt Mejcher immer wieder seiner Neigung, dem Leser möglichst sämtliche Winkelzüge zentralarabischer Stammesfürsten nahezubringen. Die epochale Bedeutung des Ereignisses verschwimmt in seinem Redefluß. Innerhalb einer Woche hatte die Region ihr Antlitz verändert. Israel stand plötzlich als regionale Vormacht da - die Araber, vor allem der ägyptische Staatschef Nasser, hingegen als Windbläser und Phrasendrechsler. Unter dem Bombardement der Israelis hatte der Panarabismus seinen Glanz verloren. Nun erschien der Islamismus in günstigerem Licht und gewann geradezu magnetische Kraft. Der Sechs-Tage-Krieg gebar die Reislamisierung, auch den islamischen Fundamentalismus. Israels Fiasko indes begann am siebten Tag, wie der jüngst verstorbene, wohl bedeutendste Denker des jüdischen Staates, Jeshajahu Leibovitz, überspitzt, aber treffend, bemerkte: nicht aus strategischer oder außenpolitischer Sicht, sondern innenpolitisch. Über Nacht war Israel in die Rolle des Besatzers gerutscht, mit allen moralischen Beschädigungen, die eine solche Position mit sich bringt, von den horrenden Militärkosten zu schweigen. Außerdem brach sich eine Idee Bahn, die mehr und mehr Anhänger fand und heute das aufgeklärt zionistische Lager schwer bedrängt: der ethnozentrische, religiös orthodoxe Nationalismus, der noch nicht an sein Ziel gelangt ist. (Helmut Mejcher: Sinai, 5. Juni 1967. Krisenherd Naher und Mittlerer Osten. Reihe 20 Tage im 20. Jahrhundert. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998. 302 Seiten, 19,90 Mark.) JACQUES SCHUSTER
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NAHOST. Der Sechs-Tage-Krieg 1967 erwies sich für Israel als trügerischer Erfolg. Bereits am Mittag des ersten Kriegstages beherrschte es den gesamten ägyptischen Luftraum - trotz eines Drei-Fronten-Krieges an den Grenzen eines Landes, das so groß ist wie Hessen, mit einer im Vergleich zu den arabischen Gegnern winzigen Armee. Fünf Tage später hatten die Israelis unter Rabin und Dajan nicht nur Ägypter, Jordanier und Syrer vernichtend geschlagen, sie hatten auch den Sinai besetzt, das Westjordanland mit dem östlichen Jerusalem erobert und die Golanhöhen erstürmt, wie Helmut Mejcher in seinem Buch über die schicksalsträchtige Woche im Juni 1967 darlegt. Leider bleibt seine Darstellung so trocken wie der Negev im Sommer, und es fehlt die Disziplin, sich auf das Thema zu beschränken. Dennoch lohnt die Lektüre. Der Hamburger Zeithistoriker zeichnet die Interessen der einzelnen Regierungen nach, erläutert das Kriegsgebrüll Nassers genauso schlüssig wie das Krisenmanagement der bedrängten Israelis, ohne den Einfluß der Supermächte zu übergehen. Allerdings erliegt Mejcher immer wieder seiner Neigung, dem Leser möglichst sämtliche Winkelzüge zentralarabischer Stammesfürsten nahezubringen. Die epochale Bedeutung des Ereignisses verschwimmt in seinem Redefluß. Innerhalb einer Woche hatte die Region ihr Antlitz verändert. Israel stand plötzlich als regionale Vormacht da - die Araber, vor allem der ägyptische Staatschef Nasser, hingegen als Windbläser und Phrasendrechsler. Unter dem Bombardement der Israelis hatte der Panarabismus seinen Glanz verloren. Nun erschien der Islamismus in günstigerem Licht und gewann geradezu magnetische Kraft. Der Sechs-Tage-Krieg gebar die Reislamisierung, auch den islamischen Fundamentalismus. Israels Fiasko indes begann am siebten Tag, wie der jüngst verstorbene, wohl bedeutendste Denker des jüdischen Staates, Jeshajahu Leibovitz, überspitzt, aber treffend, bemerkte: nicht aus strategischer oder außenpolitischer Sicht, sondern innenpolitisch. Über Nacht war Israel in die Rolle des Besatzers gerutscht, mit allen moralischen Beschädigungen, die eine solche Position mit sich bringt, von den horrenden Militärkosten zu schweigen. Außerdem brach sich eine Idee Bahn, die mehr und mehr Anhänger fand und heute das aufgeklärt zionistische Lager schwer bedrängt: der ethnozentrische, religiös orthodoxe Nationalismus, der noch nicht an sein Ziel gelangt ist. (Helmut Mejcher: Sinai, 5. Juni 1967. Krisenherd Naher und Mittlerer Osten. Reihe 20 Tage im 20. Jahrhundert. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998. 302 Seiten, 19,90 Mark.) JACQUES SCHUSTER
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