Endlich im Taschenbuch!
»Weißhaupt hat meine Schwester geraubt! Wir müssen sie zurückholen!« Aber niemand außer Siri hat den Mut, sich dem gefährlichsten Mann des ganzen Eismeers, Piratenkapitän Weißhaupt, entgegenzustellen. Die gefangenen Kinder lässt er in seiner Diamantenmine schuften, bis sie an der harten Arbeit zugrunde gehen. Siri wagt, was kein Erwachsener sich traut: Sie fährt ihrer Schwester Miki hinterher. Ihre Fahrt führt sie über das schier unendliche Eismeer mit seinen zahlreichen kleinen und großen Inseln, sie findet Verbündete und macht sich neue Feinde. Sie besiegt ihre Angst und schafft, was unmöglich scheint ...
»Weißhaupt hat meine Schwester geraubt! Wir müssen sie zurückholen!« Aber niemand außer Siri hat den Mut, sich dem gefährlichsten Mann des ganzen Eismeers, Piratenkapitän Weißhaupt, entgegenzustellen. Die gefangenen Kinder lässt er in seiner Diamantenmine schuften, bis sie an der harten Arbeit zugrunde gehen. Siri wagt, was kein Erwachsener sich traut: Sie fährt ihrer Schwester Miki hinterher. Ihre Fahrt führt sie über das schier unendliche Eismeer mit seinen zahlreichen kleinen und großen Inseln, sie findet Verbündete und macht sich neue Feinde. Sie besiegt ihre Angst und schafft, was unmöglich scheint ...
buecher-magazin.deSiri lebt mit ihrem gebrechlichen Vater und der jüngeren Schwester in einem Dorf, weit abgelegen auf einer kleinen Insel. Die Menschen fischen, sammeln Früchte - viel gibt die Natur im ewigen Eis nicht her. Das Leben ist einfach, hart und, schlimmer noch, geprägt von der Angst vor dem gefährlichen Piratenkapitän Weißhaupt, der Kinder entführt, um sie in einem mysteriösen Bergwerk schuften zu lassen. Als eines Tages Siris Schwester verschwindet, weiß das Mädchen keinen anderen Rat, als allein loszuziehen, um sie zu retten. Was für ein mutiges Kind! Dabei ist Siri in den richtigen Momenten nicht nur ausgesprochen waghalsig, sondern handelt ebenso bedacht. Sie besitzt viel Mitgefühl und eine Art natürlichen Gerechtigkeitssinn, was ihr nicht nur Freude, sondern auch einige Enttäuschung einbringt. So genau und differenziert wie ihre junge Heldin schildert die Autorin jeden tiefverschneiten Schauplatz atmosphärisch und beobachtungsreich. Dazu kommen großartige, lebendig erzählte Figuren, die Siri auf ihrer gefährlichen Suche durch das Eismeer begleiten: eine verrohte Wolfsjägerin, ein einsames Nixenbaby und nicht zu vergessen ein herzensguter Schiffskoch. Bis sie schließlich tatsächlich vor Weißhaupt steht…
© BÜCHERmagazin, Jana Kühn (jk)
© BÜCHERmagazin, Jana Kühn (jk)
Dieses wunderbare Buch wurde zurecht mit Preisen ausgezeichnet und von Kritikern hoch gelobt. Es war ein wunderschönes Leseerlebnis und ich spreche eine klare Leseempfehlung aus. Martina Kösling mattisbuecherecke.blogspot.com 20191005
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.09.2017Am Rand der Welt
Ein Mädchen bekämpft die Eismeerpiraten
Blauwiek – das ist der Ort im Eismeer, an dem im Winter die Segel der Schiffe in der Luft gefrieren, selbst wenn am Horizont hoffnungsvolle blaue Himmelsinseln im Wolkengrau auftauchen. Das Fischerdorf auf dem Inselchen Blautum liegt auf der Frontispizkarte von „Siri und die Eismeerpiraten“ – dem neuen Roman der schwedischen Autorin Frida Nilsson –, am östlichen Rand des Meeres, nicht weit entfernt vom Rand der Welt.
Dass die Welt dort zu Ende ist, glauben jedenfalls die Menschen, die vor zwei, drei Jahrhunderten in jenen fiktiven Gestaden lebten. Das glaubt auch die zehnjährige Siri, die sich an einem graukalten Novembertag aus ihrem kärglichen Heim in Blauwiek schleicht, weil etwas Entsetzliches geschehen ist – das zwingt das Mädchen, ein Wagnis einzugehen, zu dem niemand im Ort, außer seinem gebrechlichen alten Vater (die Mutter ist gestorben), bereit wäre: den gefürchteten Piraten Weißhaupt aufzuspüren, der seit Jahr und Tag mit seiner Mannschaft auf dem Dreimaster Schneerabe das Eismeer durchkreuzt und Kinder raubt, um sie – wie man glaubt – irgendwo am Rand der Polarwelt in einer Diamantenmine für sich schuften zu lassen. Und jetzt hat der Schurke Miki erwischt, Siris siebenjährige Schwester, weil die Große beim Beerensammeln nur einen Augenblick lang nicht auf die Kleine aufgepasst hat. Mit dem Mut der Verzweiflung und ohne jeden Plan macht sich Siri auf den Weg. Sie heuert als Kombüsenhilfe auf einem Handelsschiff an, stößt auf Misstrauen und Ablehnung, gewinnt den Smutje Fredrik als einzigen Vertrauten und durchleidet auf den nächsten dreihundert Seiten – jedes Kapitel beginnt mit einem kleinen Schwarzweißbild von Torben Kuhlmann – eine wahre Odyssee.
Keine Sorge: Auf der Höllenfahrt werden die Leser zwar mit Ereignissen konfrontiert, die ihnen die Haare zu Berge stehen lassen, aber es gibt ein Happy End und ein paar handfeste Überraschungen. Wie könnte es bei einem Kinderroman von Frida Nilsson, Schöpferin der preisgekrönten Hedvig-Geschichten, auch anders sein? Ihre Hauptfiguren tragen immer sehr offene und sympathische Züge, die es jungen Lesern leicht machen, sich mit ihnen zu identifizieren. Sie sind herrlich normal, auch in ihren Macken und Schwächen. Aber trotz aller Nöte besitzen sie etwas unverzichtbar Wertvolles, wenn es darum geht, sich in einer schrecklich lebensfeindlichen, schrecklich schönen und schrecklich unberechenbaren Welt als freundliche und mitfühlende Wesen zu behaupten: Siris Gerechtigkeitssinn ist so fest in ihr verwurzelt, dass er ihr hilft, Wagnisse einzugehen, die sie sich selbst im Traum nicht zutrauen würde.
Man könnte die ganze Geschichte auch als Parabel über die Boshaftigkeit von Menschen, über die Unerbittlichkeit von Naturgewalten und über den zeitlosen Kampf eines couragierten, unschuldigen Kindes um Güte und Wärme in der kalten und kargen Welt lesen. Aber es ist eben nicht nur eine Parabel, sondern eine, von Friederike Buchinger quicklebendig übersetzte, graubunte Abenteuergeschichte voller Fantasie. Und zu dramatischen Geschehnissen gehört in einer guten Erzählung auch immer ein Augenzwinkern, so, wie die ersten blauen Himmelsinseln am Horizont von einem Wetterumschwung künden. (ab 12 Jahre)
SIGGI SEUSS
Frida Nilsson: Siri und die Eismeerpiraten. Aus dem Schwedischen von Friederike Buchinger. Mit Bildern von Torben Kuhlmann. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2017. 376 Seiten, 14,95 Euro.
Illustration aus Frida Nilsson
und Torben Kuhlmann:
Siri und die Eismeerpiraten.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ein Mädchen bekämpft die Eismeerpiraten
Blauwiek – das ist der Ort im Eismeer, an dem im Winter die Segel der Schiffe in der Luft gefrieren, selbst wenn am Horizont hoffnungsvolle blaue Himmelsinseln im Wolkengrau auftauchen. Das Fischerdorf auf dem Inselchen Blautum liegt auf der Frontispizkarte von „Siri und die Eismeerpiraten“ – dem neuen Roman der schwedischen Autorin Frida Nilsson –, am östlichen Rand des Meeres, nicht weit entfernt vom Rand der Welt.
Dass die Welt dort zu Ende ist, glauben jedenfalls die Menschen, die vor zwei, drei Jahrhunderten in jenen fiktiven Gestaden lebten. Das glaubt auch die zehnjährige Siri, die sich an einem graukalten Novembertag aus ihrem kärglichen Heim in Blauwiek schleicht, weil etwas Entsetzliches geschehen ist – das zwingt das Mädchen, ein Wagnis einzugehen, zu dem niemand im Ort, außer seinem gebrechlichen alten Vater (die Mutter ist gestorben), bereit wäre: den gefürchteten Piraten Weißhaupt aufzuspüren, der seit Jahr und Tag mit seiner Mannschaft auf dem Dreimaster Schneerabe das Eismeer durchkreuzt und Kinder raubt, um sie – wie man glaubt – irgendwo am Rand der Polarwelt in einer Diamantenmine für sich schuften zu lassen. Und jetzt hat der Schurke Miki erwischt, Siris siebenjährige Schwester, weil die Große beim Beerensammeln nur einen Augenblick lang nicht auf die Kleine aufgepasst hat. Mit dem Mut der Verzweiflung und ohne jeden Plan macht sich Siri auf den Weg. Sie heuert als Kombüsenhilfe auf einem Handelsschiff an, stößt auf Misstrauen und Ablehnung, gewinnt den Smutje Fredrik als einzigen Vertrauten und durchleidet auf den nächsten dreihundert Seiten – jedes Kapitel beginnt mit einem kleinen Schwarzweißbild von Torben Kuhlmann – eine wahre Odyssee.
Keine Sorge: Auf der Höllenfahrt werden die Leser zwar mit Ereignissen konfrontiert, die ihnen die Haare zu Berge stehen lassen, aber es gibt ein Happy End und ein paar handfeste Überraschungen. Wie könnte es bei einem Kinderroman von Frida Nilsson, Schöpferin der preisgekrönten Hedvig-Geschichten, auch anders sein? Ihre Hauptfiguren tragen immer sehr offene und sympathische Züge, die es jungen Lesern leicht machen, sich mit ihnen zu identifizieren. Sie sind herrlich normal, auch in ihren Macken und Schwächen. Aber trotz aller Nöte besitzen sie etwas unverzichtbar Wertvolles, wenn es darum geht, sich in einer schrecklich lebensfeindlichen, schrecklich schönen und schrecklich unberechenbaren Welt als freundliche und mitfühlende Wesen zu behaupten: Siris Gerechtigkeitssinn ist so fest in ihr verwurzelt, dass er ihr hilft, Wagnisse einzugehen, die sie sich selbst im Traum nicht zutrauen würde.
Man könnte die ganze Geschichte auch als Parabel über die Boshaftigkeit von Menschen, über die Unerbittlichkeit von Naturgewalten und über den zeitlosen Kampf eines couragierten, unschuldigen Kindes um Güte und Wärme in der kalten und kargen Welt lesen. Aber es ist eben nicht nur eine Parabel, sondern eine, von Friederike Buchinger quicklebendig übersetzte, graubunte Abenteuergeschichte voller Fantasie. Und zu dramatischen Geschehnissen gehört in einer guten Erzählung auch immer ein Augenzwinkern, so, wie die ersten blauen Himmelsinseln am Horizont von einem Wetterumschwung künden. (ab 12 Jahre)
SIGGI SEUSS
Frida Nilsson: Siri und die Eismeerpiraten. Aus dem Schwedischen von Friederike Buchinger. Mit Bildern von Torben Kuhlmann. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2017. 376 Seiten, 14,95 Euro.
Illustration aus Frida Nilsson
und Torben Kuhlmann:
Siri und die Eismeerpiraten.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2017Für Diamanten geht er über Kinderleichen
Spuren im Herzen: Frida Nilssons großer Roman "Siri und die Eismeerpiraten" geht dahin, wo es weh tut.
Von Eva-Maria Magel
Anfänge, die uns jemand im Präteritum erzählt, haben häufig etwas Tröstliches. "Es war Mitte November, und ich war gerade zehn geworden" - offenbar hat die Erzählerin, älter als damals, Abenteuer überlebt, Furcht überwunden, ihre Aufgabe gelöst. Bald wissen wir, dass damals der schrecklichste aller Piraten, der berüchtigte Kapitän Weißhaupt, seine Klauen nach Siris kleiner Schwester Miki ausgestreckt hatte. Aber wir erfahren auch, dass der Schmerz bleibt.
Ein paar Seiten weiter, noch am Anfang, steht der Schlüssel zu dem, was Frida Nilsson, mit Büchern wie "Die maskierte Makrone", "Frohe Weihnachten, Zwiebelchen" oder der "Hedvig"-Reihe innerhalb weniger Jahre zu einer der wichtigsten schwedischen Autorinnen geworden, uns in "Siri und die Eismeerpiraten" eigentlich erzählt. Siris alter Vater will Miki selbst suchen gehen, obwohl er weiß, dass er diese Suche nicht leisten und nicht überleben kann. Weil, so sagt er, alles, was man tut, Spuren hinterlässt. Die guten Dinge gute Spuren, die schlechten schlechte. "Wenn ich nicht versuche, Miki zu finden, dann kann ich nicht weiterleben. Die Spur in meinem Herzen würde zu sehr schmerzen."
Siri, nur drei Jahre älter als die Schwester, zieht aus, um sie Weißbart zu entreißen. Weil sie sich schuldig an Mikis Entführung fühlt. Und auch Weißbart ist ein von Spuren Gezeichneter wie alle, die Nilsson in ihrem bildersatten Eismeerpanorama näher an uns heranrückt. Weißbart lässt kleine Kinder rauben, um sie in einem Bergwerk so lange nach der besten Kohle graben zu lassen, bis sie sterben. Denn er will Diamanten herstellen, dafür geht er über Kinderleichen. Das ist genauso bizarr und schlüssig wie all die Gestalten und Begebenheiten, die Nilsson sich für Siri, ihre erzählende Heldin, ausgedacht hat.
Siri, tapfer, aber keineswegs furchtlos, bewegt sich in einer vormodernen, vage phantastisch entworfenen nordischen Welt, in der es Eiswölfe und ihre Jäger gibt, merkwürdige Tiere und sogar Meerjungfrauen, die ganz und gar nicht so sind wie diejenige von Andersen. Die allermerkwürdigsten Wesen aber sind die Menschen. Siri ist mit einem feinen Gespür dafür ausgestattet, was in ihrer Welt das wirklich Gefährliche ist. Es ist die Gier derer, die sich von der Natur und voneinander mehr nehmen, als ihnen zusteht. Das gipfelt in Weißhaupt, aber schon ein kleiner Junge, der einen Vogel quält, um ihn zum Jagen abzurichten, missbraucht die Großzügigkeit der Natur für seine Zwecke.
Dass all diese Ausbeuter selbst wiederum Opfer der Verhältnisse sind, erkennt Siri gleichwohl, und auch dieser Schmerz hinterlässt Spuren in ihrem Herzen, zumal wenn Siri schwant, dass aus den geraubten Kindern in ihrem Überlebenskampf aggressive Tiere werden. Wie eine erzählerische Schutzhaut umhüllt Siris Zuneigung zu allem Lebendigen die Heldin, dass es, gerade in den drastischsten, blutigen und traurigen Szenen des Romans eine Freude ist, die zweifelsohne Spuren im Leser legt.
Eine antikapitalistische, humanistische Botschaft grundiert Nilssons Abenteuerroman, der alle Piratenklischees buchstäblich über Bord wirft. Geradezu genüsslich entfaltet sie das Vokabular der Fischer- und Schifferwelt, was ihre Übersetzerin Friederike Buchinger vermutlich kleine Wunder hat vollbringen lassen, von Achterducht bis Schnicke. Thorben Kuhlmann, der erstmals einen Nilsson-Titel mit Cover und schönen Kapitel-Vignetten ausstattet, hütet sich, zu viel vorwegzunehmen. Seine Seekarte im Vorsatz könnte fast jene sein, die Siris Freund Fredrik auf der "Polarstern" entrollt - nur die Wale fehlen. Hat sie unterdessen jemand gejagt? Auf Siris Heimatinsel Blauwiek jagt niemand Wale. Es bringt Unglück. Und sicher schlechte Spuren.
Frida Nilsson: "Siri und die Eismeerpiraten".
Roman.
Aus dem Schwedischen von Friederike Buchinger. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2017.
376 S., geb., 14,95 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Spuren im Herzen: Frida Nilssons großer Roman "Siri und die Eismeerpiraten" geht dahin, wo es weh tut.
Von Eva-Maria Magel
Anfänge, die uns jemand im Präteritum erzählt, haben häufig etwas Tröstliches. "Es war Mitte November, und ich war gerade zehn geworden" - offenbar hat die Erzählerin, älter als damals, Abenteuer überlebt, Furcht überwunden, ihre Aufgabe gelöst. Bald wissen wir, dass damals der schrecklichste aller Piraten, der berüchtigte Kapitän Weißhaupt, seine Klauen nach Siris kleiner Schwester Miki ausgestreckt hatte. Aber wir erfahren auch, dass der Schmerz bleibt.
Ein paar Seiten weiter, noch am Anfang, steht der Schlüssel zu dem, was Frida Nilsson, mit Büchern wie "Die maskierte Makrone", "Frohe Weihnachten, Zwiebelchen" oder der "Hedvig"-Reihe innerhalb weniger Jahre zu einer der wichtigsten schwedischen Autorinnen geworden, uns in "Siri und die Eismeerpiraten" eigentlich erzählt. Siris alter Vater will Miki selbst suchen gehen, obwohl er weiß, dass er diese Suche nicht leisten und nicht überleben kann. Weil, so sagt er, alles, was man tut, Spuren hinterlässt. Die guten Dinge gute Spuren, die schlechten schlechte. "Wenn ich nicht versuche, Miki zu finden, dann kann ich nicht weiterleben. Die Spur in meinem Herzen würde zu sehr schmerzen."
Siri, nur drei Jahre älter als die Schwester, zieht aus, um sie Weißbart zu entreißen. Weil sie sich schuldig an Mikis Entführung fühlt. Und auch Weißbart ist ein von Spuren Gezeichneter wie alle, die Nilsson in ihrem bildersatten Eismeerpanorama näher an uns heranrückt. Weißbart lässt kleine Kinder rauben, um sie in einem Bergwerk so lange nach der besten Kohle graben zu lassen, bis sie sterben. Denn er will Diamanten herstellen, dafür geht er über Kinderleichen. Das ist genauso bizarr und schlüssig wie all die Gestalten und Begebenheiten, die Nilsson sich für Siri, ihre erzählende Heldin, ausgedacht hat.
Siri, tapfer, aber keineswegs furchtlos, bewegt sich in einer vormodernen, vage phantastisch entworfenen nordischen Welt, in der es Eiswölfe und ihre Jäger gibt, merkwürdige Tiere und sogar Meerjungfrauen, die ganz und gar nicht so sind wie diejenige von Andersen. Die allermerkwürdigsten Wesen aber sind die Menschen. Siri ist mit einem feinen Gespür dafür ausgestattet, was in ihrer Welt das wirklich Gefährliche ist. Es ist die Gier derer, die sich von der Natur und voneinander mehr nehmen, als ihnen zusteht. Das gipfelt in Weißhaupt, aber schon ein kleiner Junge, der einen Vogel quält, um ihn zum Jagen abzurichten, missbraucht die Großzügigkeit der Natur für seine Zwecke.
Dass all diese Ausbeuter selbst wiederum Opfer der Verhältnisse sind, erkennt Siri gleichwohl, und auch dieser Schmerz hinterlässt Spuren in ihrem Herzen, zumal wenn Siri schwant, dass aus den geraubten Kindern in ihrem Überlebenskampf aggressive Tiere werden. Wie eine erzählerische Schutzhaut umhüllt Siris Zuneigung zu allem Lebendigen die Heldin, dass es, gerade in den drastischsten, blutigen und traurigen Szenen des Romans eine Freude ist, die zweifelsohne Spuren im Leser legt.
Eine antikapitalistische, humanistische Botschaft grundiert Nilssons Abenteuerroman, der alle Piratenklischees buchstäblich über Bord wirft. Geradezu genüsslich entfaltet sie das Vokabular der Fischer- und Schifferwelt, was ihre Übersetzerin Friederike Buchinger vermutlich kleine Wunder hat vollbringen lassen, von Achterducht bis Schnicke. Thorben Kuhlmann, der erstmals einen Nilsson-Titel mit Cover und schönen Kapitel-Vignetten ausstattet, hütet sich, zu viel vorwegzunehmen. Seine Seekarte im Vorsatz könnte fast jene sein, die Siris Freund Fredrik auf der "Polarstern" entrollt - nur die Wale fehlen. Hat sie unterdessen jemand gejagt? Auf Siris Heimatinsel Blauwiek jagt niemand Wale. Es bringt Unglück. Und sicher schlechte Spuren.
Frida Nilsson: "Siri und die Eismeerpiraten".
Roman.
Aus dem Schwedischen von Friederike Buchinger. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2017.
376 S., geb., 14,95 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main