Ständig unterwegs, immer auf der Flucht vor dem Zeremoniell am Hof und vor sich selbst: Die Reisetätigkeit von Kaiserin Elisabeth von Österreich ist legendär. Zum ersten Mal beschreibt jetzt ein Buch die vier zwischen 1870 und 1897 stattfindenden Reisen der Kaiserin nach Meran. Es erzählt anhand von originalen Zeitungsberichten, von Archivmaterial aus der Zeit und anhand von teils noch un-veröffentlichten Briefen von Sissis Erlebnissen am "Südbalkon der Monarchie": Was hat sie in den Wochen, die sie vor allem in Meran verbrachte, erlebt? Wie war ihr Alltag? Und wie haben die Einheimischen auf diese sonderbare Frau reagiert?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2010Mit Schirmen und Stiefeln
Zuerst schlägt man ihr die Nase ab. Sie bekommt eine neue. Zwei Jahre später muss ihr Kopf dran glauben. Auch er wird ersetzt. Dann beschließt man, die marmorne Sissi vom Zentrum an den Rand des Elisabethparks zu übersiedeln: Der Faschismus sucht auch in Meran, die Erinnerungen an die Habsburger schnell verblassen zu lassen. Erst 1978 holt man die österreichische Kaiserin aus dem Exil zurück und schließt sie samt Denkmal wieder in die Arme. In "Sissi in Meran - Kleine Fluchten einer Kaiserin" widmet sich Josef Rohrer den vier kaiserlichen Tirol-Reisen zum "Südbalkon der k.k. Monarchie", wie man die Stadt nannte. Sissis erste Reise nach Meran, das als "climatischer Kurort" gilt, fällt in den Herbst 1870. Mit ihrer Entourage von hundertzwei Personen richtet sie sich im Schloss Trauttmansdorff ein. Bald schon beschwert sich die Bevölkerung: Sissi zeige sich zu wenig, sie lasse sich abschirmen und die Honoratioren der Stadt vergeblich anklopfen. Verehrt wird sie trotzdem. Das Glas, aus dem sie auf einem ihrer Reitausflüge getrunken hat, wird zur Reliquie. Solcherart gefeiert, kommt Sissi noch dreimal: im folgenden Winter, nach dem Selbstmord ihres Sohnes Rudolf und kurz vor ihrem Tod. Josef Rohrer begleitet die durchlauchtigste Besucherin auf ihren Touren in und um Meran und präsentiert eine Reihe kurioser Dokumente: Briefe, Fotos von Sissis Wanderstiefeln und Sonnenschirmen, Zahnarztrechnungen. Neben dem Porträt der rastlosen Elisabeth entsteht augenzwinkernd das Bild eines Orts, der mehr Kuh- denn Kaiserstadt ist. "Die Gesellschaft ist unter der Kanone", wie der Maler Carl Spitzweg gestöhnt hat. "Zum Verzweifeln." Die marmorne Sissi jedoch lächelt und lächelt.
aber
"Sissi in Meran - Kleine Fluchten einer Kaiserin" von Josef Rohrer. Folio Verlag, Wien und Bozen 2009. 112 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 15,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zuerst schlägt man ihr die Nase ab. Sie bekommt eine neue. Zwei Jahre später muss ihr Kopf dran glauben. Auch er wird ersetzt. Dann beschließt man, die marmorne Sissi vom Zentrum an den Rand des Elisabethparks zu übersiedeln: Der Faschismus sucht auch in Meran, die Erinnerungen an die Habsburger schnell verblassen zu lassen. Erst 1978 holt man die österreichische Kaiserin aus dem Exil zurück und schließt sie samt Denkmal wieder in die Arme. In "Sissi in Meran - Kleine Fluchten einer Kaiserin" widmet sich Josef Rohrer den vier kaiserlichen Tirol-Reisen zum "Südbalkon der k.k. Monarchie", wie man die Stadt nannte. Sissis erste Reise nach Meran, das als "climatischer Kurort" gilt, fällt in den Herbst 1870. Mit ihrer Entourage von hundertzwei Personen richtet sie sich im Schloss Trauttmansdorff ein. Bald schon beschwert sich die Bevölkerung: Sissi zeige sich zu wenig, sie lasse sich abschirmen und die Honoratioren der Stadt vergeblich anklopfen. Verehrt wird sie trotzdem. Das Glas, aus dem sie auf einem ihrer Reitausflüge getrunken hat, wird zur Reliquie. Solcherart gefeiert, kommt Sissi noch dreimal: im folgenden Winter, nach dem Selbstmord ihres Sohnes Rudolf und kurz vor ihrem Tod. Josef Rohrer begleitet die durchlauchtigste Besucherin auf ihren Touren in und um Meran und präsentiert eine Reihe kurioser Dokumente: Briefe, Fotos von Sissis Wanderstiefeln und Sonnenschirmen, Zahnarztrechnungen. Neben dem Porträt der rastlosen Elisabeth entsteht augenzwinkernd das Bild eines Orts, der mehr Kuh- denn Kaiserstadt ist. "Die Gesellschaft ist unter der Kanone", wie der Maler Carl Spitzweg gestöhnt hat. "Zum Verzweifeln." Die marmorne Sissi jedoch lächelt und lächelt.
aber
"Sissi in Meran - Kleine Fluchten einer Kaiserin" von Josef Rohrer. Folio Verlag, Wien und Bozen 2009. 112 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 15,80 Euro.
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