Unerhört! Die Journalisten suchen ihn, das Publikum liebt ihn, die Mächtigen fürchten ihn: den Skandal. Welche Ereignisse lösen öffentliche Empörung aus? Welche nicht? Wem nutzt, wem schadet der Eklat? Und wozu führt er? Lassen sich Skandale bewusst produzieren und kontrollieren? Wie wehrt man sich dagegen, an den Pranger gestellt zu werden? Streitbare, überraschende und berührende Antworten geben 30 Menschen - von denen etliche aus eigener Erfahrung sprechen. Zu Wort kommen: das Entführungsopfer Natascha Kampusch, die ehemalige CSU-Rebellin Gabriele Pauli, der Soziologe Ulrich Beck, der Radrennfahrer Patrik Sinkewitz, der Medienanwalt Matthias Prinz, der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff, der Ex-Terrorist Peter-Jürgen Boock, die Schauspielerin Desirée Nick, der ehemalige Spiegel-Chefredakteur Erich Böhme, der Lyriker Sascha Anderson und viele mehr.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2009DIE LIEBEN KOLLEGEN
VON HARALD STAUN
Die Institutionalisierung der Blogosphäre schreitet voran. Nach der Auseinandersetzung der Deutschen Bahn mit dem Betreiber des Blogs "Netzpolitik.org", Markus Beckedahl, der auf seiner Seite ein internes Memorandum der Bahn veröffentlicht und daraufhin eine Abmahnung erhalten hat, erwägt nun eine Reihe bekannter Blogger, zu einem besonders drastischen Mittel zu greifen: zur Gründung einer Gewerkschaft. Oder zumindest einer "IG Blog". Naturgemäß halten es nicht alle Blogger für sinnvoll, die unabhängigkeitsliebenden Netzpublizisten in einer Interessensgemeinschaft zu organisieren, eine Umfrage des Medienportals "Meedia" ergab diese Woche ein klares Jein. Während etwa Sascha Lobo, der von den ahnungslosen Mainstreammedien ja sowieso schon als inoffizieller Bloggerpressesprecher anerkannt wird, ein gemeinsames Gremium für sehr sinnvoll hält und schon mit Personaldiskussionen beginnt, schreckt andere die Vereinsmeierei eher ab. Die deutlichste Absage erteilte Beckedahl selbst, der sich fragt: "Was kommt als Nächstes: Eine Interessenvertretung der Youtube-Nutzer?" Noch ist der "Bundesverband Deutscher Blogger" nur eine Idee, sein zentrales Organ aber wurde schon geschaffen: ein Blog. Auf www.bvdb.org geht die Diskussion nun weiter.
* * *
Wenn man ganz streng sein will, mit den Studenten des Instituts für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg, dann muss man den Großteil ihrer gerade veröffentlichten Arbeiten als Themaverfehlung einstufen, was aber glücklicherweise kein Mangel ist: Ihre Dozenten Bernhard Pörksen und Jens Bergmann haben sie in die Welt hinausgeschickt, um in Interviews "zum Zentrum des Skandals vorzustoßen", und wenn man dem Band, der dabei herausgekommen ist, bescheinigt, dass der Versuch mit Bravour gescheitert ist, dann liegt das eher an der Unergründbarkeit des Untersuchungsobjekts. Klugerweise aber haben sich die Studenten dem Phänomen eher auf Umwegen genähert, durch Interviews mit Skandalaufdeckern, -opfern und -abwehrern, und wo sie da überall vorbeigekommen sind, ist schon ziemlich interessant. Dass es sich bei fast jedem Skandal um eine Inszenierung handelt, wird im Gespräch mit dem PR-Berater der Familie McCann, Clarence Mitchell, so deutlich wie im Interview mit Moritz Hunzinger. Dass aber das Buch dadurch nicht auf eine dünne Medienkritik hinausläuft, die behauptet, dass die mediale Aufbereitung der Skandale oft der wahre Skandal ist, dafür sorgt, zum einen, Hans Leyendecker, der die Legitimität journalistischer Inszenierungen sehr plausibel darlegt. Zum anderen will man von einer selbstkritischen Skandalisierung der Skandalisierung spätestens dann nichts mehr wissen, wenn die zu Recht Diffamierten die Aufgabe der Medienschelte selbst übernehmen. Wenn etwa Udo Röbel, der Kollege, zur Erinnerung, der 1988 in das Auto der Geiselnehmer von Gladbeck stieg und danach folgerichtig zum Chefredakteur der "Bild"-Zeitung wurde, sich über die Berichterstattung über die wehrlose Britney Spears erregt, als diese sich unter Drogeneinfluss eine Glatze schneiden ließ, ist das fast so beeindruckend wie die schöne Beschreibung von Journalisten, die Sascha Anderson von sich gibt und die wir fortan als Auftrag verstehen wollen: "Das sind die freundlichsten Menschen der Welt, aber sobald sie schreiben, ändert sich das." ("Skandal! Die Macht öffentlicher Empörung". Verlag Herbert von Halem, 352 Seiten, 18 Euro)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
VON HARALD STAUN
Die Institutionalisierung der Blogosphäre schreitet voran. Nach der Auseinandersetzung der Deutschen Bahn mit dem Betreiber des Blogs "Netzpolitik.org", Markus Beckedahl, der auf seiner Seite ein internes Memorandum der Bahn veröffentlicht und daraufhin eine Abmahnung erhalten hat, erwägt nun eine Reihe bekannter Blogger, zu einem besonders drastischen Mittel zu greifen: zur Gründung einer Gewerkschaft. Oder zumindest einer "IG Blog". Naturgemäß halten es nicht alle Blogger für sinnvoll, die unabhängigkeitsliebenden Netzpublizisten in einer Interessensgemeinschaft zu organisieren, eine Umfrage des Medienportals "Meedia" ergab diese Woche ein klares Jein. Während etwa Sascha Lobo, der von den ahnungslosen Mainstreammedien ja sowieso schon als inoffizieller Bloggerpressesprecher anerkannt wird, ein gemeinsames Gremium für sehr sinnvoll hält und schon mit Personaldiskussionen beginnt, schreckt andere die Vereinsmeierei eher ab. Die deutlichste Absage erteilte Beckedahl selbst, der sich fragt: "Was kommt als Nächstes: Eine Interessenvertretung der Youtube-Nutzer?" Noch ist der "Bundesverband Deutscher Blogger" nur eine Idee, sein zentrales Organ aber wurde schon geschaffen: ein Blog. Auf www.bvdb.org geht die Diskussion nun weiter.
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Wenn man ganz streng sein will, mit den Studenten des Instituts für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg, dann muss man den Großteil ihrer gerade veröffentlichten Arbeiten als Themaverfehlung einstufen, was aber glücklicherweise kein Mangel ist: Ihre Dozenten Bernhard Pörksen und Jens Bergmann haben sie in die Welt hinausgeschickt, um in Interviews "zum Zentrum des Skandals vorzustoßen", und wenn man dem Band, der dabei herausgekommen ist, bescheinigt, dass der Versuch mit Bravour gescheitert ist, dann liegt das eher an der Unergründbarkeit des Untersuchungsobjekts. Klugerweise aber haben sich die Studenten dem Phänomen eher auf Umwegen genähert, durch Interviews mit Skandalaufdeckern, -opfern und -abwehrern, und wo sie da überall vorbeigekommen sind, ist schon ziemlich interessant. Dass es sich bei fast jedem Skandal um eine Inszenierung handelt, wird im Gespräch mit dem PR-Berater der Familie McCann, Clarence Mitchell, so deutlich wie im Interview mit Moritz Hunzinger. Dass aber das Buch dadurch nicht auf eine dünne Medienkritik hinausläuft, die behauptet, dass die mediale Aufbereitung der Skandale oft der wahre Skandal ist, dafür sorgt, zum einen, Hans Leyendecker, der die Legitimität journalistischer Inszenierungen sehr plausibel darlegt. Zum anderen will man von einer selbstkritischen Skandalisierung der Skandalisierung spätestens dann nichts mehr wissen, wenn die zu Recht Diffamierten die Aufgabe der Medienschelte selbst übernehmen. Wenn etwa Udo Röbel, der Kollege, zur Erinnerung, der 1988 in das Auto der Geiselnehmer von Gladbeck stieg und danach folgerichtig zum Chefredakteur der "Bild"-Zeitung wurde, sich über die Berichterstattung über die wehrlose Britney Spears erregt, als diese sich unter Drogeneinfluss eine Glatze schneiden ließ, ist das fast so beeindruckend wie die schöne Beschreibung von Journalisten, die Sascha Anderson von sich gibt und die wir fortan als Auftrag verstehen wollen: "Das sind die freundlichsten Menschen der Welt, aber sobald sie schreiben, ändert sich das." ("Skandal! Die Macht öffentlicher Empörung". Verlag Herbert von Halem, 352 Seiten, 18 Euro)
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