Der zwölfjährige Chris darf auf Einladung seines Onkels an einem Segeltrip entlang der Küste Alaskas teilnehmen. Doch keine zwei Tage nach dem Start kentert das Boot; nur Chris und ein drei Jahre älterer Junge namens Frank - der Chris von Anfang an hasst - überleben. Die zwei Jungs retten sich an eine verlassene Küste - ohne Feuer, ohne Nahrung, ohne Funkmöglichkeit. Sie müssen den Strand nach Essbarem absuchen und Fische fangen. Bei einem neugierigen, freundlichen Raben fühlt Chris sich deutlich wohler als in der Gesellschaft des reizbaren Frank, aber die beiden müssen sich arrangieren, wenn sie in der Wildnis überleben wollen. Und was für ein Geheimnis birgt der unheimliche Baum der Toten, auf den sie bei ihrer Suche stoßen? Schließlich entdecken Chris und Frank eine unglaubliche Gemeinsamkeit zwischen sich. Und entwickeln ein Mitgefühl füreinander, das vielleicht den Weg in die Rettung weist ...
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Florian Welle enthält sich eines klaren Urteils zu Iain Lawrence' Abenteuerroman. Erzählt wird hier die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Jungen, die an der Küste Alaskas stranden und trotz Antipathien gemeinsam um ihr Leben kämpfen müssen. "Rasant erzählt" sei diese Geschichte, mit einer "schauerlichen Seite", schreibt Welle. Dass damit auch eine gewisse Spannung beschrieben ist, können wir nur vermuten. Außerdem erfahren wir von zahlreichen Verweisen auf Daniel Defoes "Robinson Crusoe", aber auch auf Charles Dickens und Mary Shelley. Das "schauerliche" Element a la Shelley in diesem Buch, erklärt Welle, ist jenes "Wesen", dass einer der Jungen nachts zu hören glaubt sowie der titelgebende Skeleton Tree. In Bäumen wie diesem haben die Indigenen früher ihre Verstorbenen bestattet, wie der Rezensent dem Nachwort entnimmt. Was auch immer Welle von "Skeleton Tree" hält - immerhin hat er etwas gelernt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.05.2021Der Rabe Thursday
Wie zwei Jungen auf einem einsamen Küstenstreifen in Alaska überleben
Iain Lawrence verliert keine Zeit, um seine zwei Protagonisten dorthin zu kriegen, wo er sie haben will: in die Wildnis Alaskas, ganz auf sich allein gestellt. Die Mutter von Chris äußert nur kurz Bedenken, dann lässt sie ihren zwölfjährigen Sohn auf eine mehrwöchige Segeltour entlang der rauen Küste Alaskas gehen, mit Onkel Jack und einem ihm unbekannten Jungen. Obwohl keine Ferien sind und sie über Jack sagt: „Er ist erst glücklich, wenn er sich in Gefahr begibt.“
Genauso schnell wie Lawrence Chris an Bord der Puff gebracht hat, lässt er das Boot bei einem Sturm untergehen. Jack ertrinkt. Der ängstliche Chris und der drei Jahre ältere, leicht reizbare Frank können sich nur mit Mühe an Land retten. Es ist zwar keine Insel, auf der die Jungs stranden, wie bei Daniel Defoe und seinem „Robinson Crusoe“, sondern ein einsamer Küstenstreifen. Die beiden müssen jedoch bis zu ihrer Rettung genauso um ihr Leben kämpfen wie der berühmteste Schiffbrüchige der Literaturgeschichte. Danach sind sie nicht mehr dieselben wie vor der Reise. Mehrmals spielt Iain Lawrence in „Skeleton Tree. Nur die Wilden überleben“ auf Robinson an. So, als Chris in einem Raben einen treuen Begleiter findet und ihn Thursday tauft. Das ist nicht der einzige Verweis, den der kanadische Jugendbuchautor eingebaut hat. Erwähnt werden auch die „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens und Mary Shelleys „Frankenstein“. „Skeleton Tree“ ist nicht nur ein rasant erzähltes Abenteuerbuch, das von der Magie der Wildnis lebt und die gefährliche Begegnung mit einem Grizzlybären als Herzstück hat. Es besitzt auch eine schauerliche Seite.
Dabei bleibt es in der Schwebe, was real und was nur eingebildet ist. „Christopher hat eine lebhafte Fantasie“, steht in seinem Schulzeugnis, und so weiß man nicht, woher die Geräusche kommen, die er nachts hört, wenn er kein Auge zumachen kann und „ein Wesen“ zu sehen meint. Skeleton Trees allerdings, sogenannte Bestattungsbäume, gab es einst wirklich bei der indigenen Bevölkerung. In Kisten oder Kanus bestatteten diese ihre Toten oben in den Bäumen. Das erfährt man im Nachwort des Autors. Solch ein unheimlicher Skeleton Tree steht in der Nähe der verfallenen Hütte, die den Jungen eine Art Zuhause bietet.
Neben der Erzählung aus der Perspektive von Chris gibt es jedoch mit dem Buch „Rabenjäger Kaetil“, das sie finden, noch eine Geschichte in der Geschichte. Darin geht es um eine „symbiotische Beziehung“ zwischen Mensch, Wolf und Rabe. Frank und Chris wissen zwar nicht, was „symbiotisch“ bedeuten soll, spüren jedoch, dass es „etwas Besonderes“ sein muss. Auch sie müssen nämlich lernen zueinanderzufinden, wollen sie überleben. Und das ist gar nicht so einfach, wenn man so unterschiedlich ist und sich eigentlich „hasst“. Der wahre Grund dafür kommt freilich erst ganz am Schluss heraus. Es zeigt sich, dass beide viel mehr verbindet, als ihnen zunächst lieb ist. (ab 12 Jahre)
FLORIAN WELLE
Iain Lawrence: Skeleton Tree. Nur die Wilden überleben. Aus dem Englischen von Anne Brauner. Freies Geistesleben, 2021. 272 Seiten, 19,00 Euro.
Es gibt
noch eine Geschichte
in der Geschichte
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Wie zwei Jungen auf einem einsamen Küstenstreifen in Alaska überleben
Iain Lawrence verliert keine Zeit, um seine zwei Protagonisten dorthin zu kriegen, wo er sie haben will: in die Wildnis Alaskas, ganz auf sich allein gestellt. Die Mutter von Chris äußert nur kurz Bedenken, dann lässt sie ihren zwölfjährigen Sohn auf eine mehrwöchige Segeltour entlang der rauen Küste Alaskas gehen, mit Onkel Jack und einem ihm unbekannten Jungen. Obwohl keine Ferien sind und sie über Jack sagt: „Er ist erst glücklich, wenn er sich in Gefahr begibt.“
Genauso schnell wie Lawrence Chris an Bord der Puff gebracht hat, lässt er das Boot bei einem Sturm untergehen. Jack ertrinkt. Der ängstliche Chris und der drei Jahre ältere, leicht reizbare Frank können sich nur mit Mühe an Land retten. Es ist zwar keine Insel, auf der die Jungs stranden, wie bei Daniel Defoe und seinem „Robinson Crusoe“, sondern ein einsamer Küstenstreifen. Die beiden müssen jedoch bis zu ihrer Rettung genauso um ihr Leben kämpfen wie der berühmteste Schiffbrüchige der Literaturgeschichte. Danach sind sie nicht mehr dieselben wie vor der Reise. Mehrmals spielt Iain Lawrence in „Skeleton Tree. Nur die Wilden überleben“ auf Robinson an. So, als Chris in einem Raben einen treuen Begleiter findet und ihn Thursday tauft. Das ist nicht der einzige Verweis, den der kanadische Jugendbuchautor eingebaut hat. Erwähnt werden auch die „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens und Mary Shelleys „Frankenstein“. „Skeleton Tree“ ist nicht nur ein rasant erzähltes Abenteuerbuch, das von der Magie der Wildnis lebt und die gefährliche Begegnung mit einem Grizzlybären als Herzstück hat. Es besitzt auch eine schauerliche Seite.
Dabei bleibt es in der Schwebe, was real und was nur eingebildet ist. „Christopher hat eine lebhafte Fantasie“, steht in seinem Schulzeugnis, und so weiß man nicht, woher die Geräusche kommen, die er nachts hört, wenn er kein Auge zumachen kann und „ein Wesen“ zu sehen meint. Skeleton Trees allerdings, sogenannte Bestattungsbäume, gab es einst wirklich bei der indigenen Bevölkerung. In Kisten oder Kanus bestatteten diese ihre Toten oben in den Bäumen. Das erfährt man im Nachwort des Autors. Solch ein unheimlicher Skeleton Tree steht in der Nähe der verfallenen Hütte, die den Jungen eine Art Zuhause bietet.
Neben der Erzählung aus der Perspektive von Chris gibt es jedoch mit dem Buch „Rabenjäger Kaetil“, das sie finden, noch eine Geschichte in der Geschichte. Darin geht es um eine „symbiotische Beziehung“ zwischen Mensch, Wolf und Rabe. Frank und Chris wissen zwar nicht, was „symbiotisch“ bedeuten soll, spüren jedoch, dass es „etwas Besonderes“ sein muss. Auch sie müssen nämlich lernen zueinanderzufinden, wollen sie überleben. Und das ist gar nicht so einfach, wenn man so unterschiedlich ist und sich eigentlich „hasst“. Der wahre Grund dafür kommt freilich erst ganz am Schluss heraus. Es zeigt sich, dass beide viel mehr verbindet, als ihnen zunächst lieb ist. (ab 12 Jahre)
FLORIAN WELLE
Iain Lawrence: Skeleton Tree. Nur die Wilden überleben. Aus dem Englischen von Anne Brauner. Freies Geistesleben, 2021. 272 Seiten, 19,00 Euro.
Es gibt
noch eine Geschichte
in der Geschichte
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