Dem Manifest der Urban Sketcher folgend hält der Hamburger Zeichner Timo Zett in seinem Skizzenbuch nur fest, was er tatsächlich sieht. Seine Skizzen entwirft er ohne doppelten Boden, also ohne Vorzeichnung und immer vor Ort - bei Sonnenschein und unterm Regenschirm, an Bord einer schwankenden Hafenbarkasse oder im nächtlichen Licht einer flackernden Neonröhre. Und auf jeder Seite notiert er seinen Standort und das verwendete Material: Hamburg, Fineliner, auf Papier. Sketching Hamburg ist das gezeichnete Tagebuch einer Reise durch die eigene Stadt. Dabei nimmt der Zeichner den Betrachter mit zu seinen Lieblingsorten, lässt sich treiben oder geht dorthin, wo er noch nie war, aber schon immer mal hinwollte. Hotspots wie die Hafencity und die Elbphilharmonie zeigt er genauso wie einen Fußballnachmittag am Millerntor, eine Kanufahrt auf dem Isebekkanal und einen Sommerabend am Elbstrand. Bild für Bild entsteht so ein Hamburg-Porträt, in dem die Bewohner ihre Stadt im Detail wiedererkennen und Besucher die Elbmetropole jenseits des touristischen Blicks kennenlernen. In einer Welt, in der ein Smartphone-Bild schnell gemacht ist und auch ohne fotografische Anstrengung Posterqualität erreicht, ist Sketching Hamburg eine Übung im genauen Sehen, eine Liebeserklärung ans Handgemachte und an Hamburg zugleich.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.2020Vom Ballindamm zur Roten Flora
Eigentlich eine charmante Idee: eine Stadt mit dem Zeichenstift zu erkunden statt mit der Kamera; genau und konzentriert zu schauen und nicht mit dem Smartphone noch mehr digitalen Bildermüll zu produzieren. Aber dann, wie schade: So vielversprechend das Vorhaben, so enttäuschend bleibt die Umsetzung. Dieses gezeichnete "Hamburg Tagebuch" möchte "die Stadt und ihre BewohnerInnen neu und unmittelbar erleben". Genau das aber vermittelt kaum eine der zahlreichen schwarzweißen Zeichnungen und auch keiner der begleitenden Texte. Allzu oberflächlich, manchmal schlicht nebensächlich ist dieser Blick auf die Stadt. Der Leser erfährt zwar allerlei über die persönlichen, durchaus sympathischen Vorlieben des Autors, aber wer würde über das linksautonome Kulturzentrum Rote Flora in sein Tagebuch eine solche Banalität schreiben: "Sie ist so beliebt wie umstritten." Oder wer, jetzt sind wir in Mümmelmannsberg, die Begegnung mit einem Polizisten zwar erzählenswert finden, dann aber nicht mehr notieren, als dass er "gerne hier arbeitet und betont, dass er alleine Streife läuft". Das war es schon. Die Zeichnungen sind virtuos, jedoch ohne jede Poesie. "Fenster für Fenster" wird der Ballindamm abgezeichnet, das ist so gekonnt wie langweilig. Nur wenn diese fleißigen Zeichnungen skizzenhafter und weniger perfekt werden, was manchmal geschieht, lohnt sich ein zweiter Blick. Diesem gutgemeinten, netten Buch fehlt es an Mut und Gedankenschärfe - und an der Tiefe und Reflektion, die ein wirkliches Tagebuch erfordert.
üte
"Sketching Hamburg - Ein gezeichnetes Tagebuch" von Timo Zett. Junius Verlag, Hamburg 2019. Ohne Paginierung, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 19,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eigentlich eine charmante Idee: eine Stadt mit dem Zeichenstift zu erkunden statt mit der Kamera; genau und konzentriert zu schauen und nicht mit dem Smartphone noch mehr digitalen Bildermüll zu produzieren. Aber dann, wie schade: So vielversprechend das Vorhaben, so enttäuschend bleibt die Umsetzung. Dieses gezeichnete "Hamburg Tagebuch" möchte "die Stadt und ihre BewohnerInnen neu und unmittelbar erleben". Genau das aber vermittelt kaum eine der zahlreichen schwarzweißen Zeichnungen und auch keiner der begleitenden Texte. Allzu oberflächlich, manchmal schlicht nebensächlich ist dieser Blick auf die Stadt. Der Leser erfährt zwar allerlei über die persönlichen, durchaus sympathischen Vorlieben des Autors, aber wer würde über das linksautonome Kulturzentrum Rote Flora in sein Tagebuch eine solche Banalität schreiben: "Sie ist so beliebt wie umstritten." Oder wer, jetzt sind wir in Mümmelmannsberg, die Begegnung mit einem Polizisten zwar erzählenswert finden, dann aber nicht mehr notieren, als dass er "gerne hier arbeitet und betont, dass er alleine Streife läuft". Das war es schon. Die Zeichnungen sind virtuos, jedoch ohne jede Poesie. "Fenster für Fenster" wird der Ballindamm abgezeichnet, das ist so gekonnt wie langweilig. Nur wenn diese fleißigen Zeichnungen skizzenhafter und weniger perfekt werden, was manchmal geschieht, lohnt sich ein zweiter Blick. Diesem gutgemeinten, netten Buch fehlt es an Mut und Gedankenschärfe - und an der Tiefe und Reflektion, die ein wirkliches Tagebuch erfordert.
üte
"Sketching Hamburg - Ein gezeichnetes Tagebuch" von Timo Zett. Junius Verlag, Hamburg 2019. Ohne Paginierung, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 19,90 Euro.
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