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Die Autoren dokumentieren, an welchen Standorten Zwangsarbeiter im Einsatz waren und wer davon profitiert hat. Überlebende schildern ihre Zeit in den Arbeitslagern. Ein politisches Lesebuch, das auf eindringliche Weise ein dunkles Kapitel der österreichischen Geschichte erhellt.

Produktbeschreibung
Die Autoren dokumentieren, an welchen Standorten Zwangsarbeiter im Einsatz waren und wer davon profitiert hat. Überlebende schildern ihre Zeit in den Arbeitslagern. Ein politisches Lesebuch, das auf eindringliche Weise ein dunkles Kapitel der österreichischen Geschichte erhellt.
Autorenporträt
Dr. Joana Radzyner, geb. 1954 in Warschau, 1959 Emigration nach Wien, studierte neuere Geschichte und Soziologie an der Universität Wien, lebt als Autorin und Journalistin in Wien, Redakteurin des Profil, seit 1983 ORF-Redakteurin, Korrespondentin in Warschau und Bratislava. 1999 ist das Buch Sklavenarbeit unterm Hakenkreuz in Zusammenarbeit mit Reinhard Engel bei Deuticke erschienen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999

Lieferung prompt auf Bestellung
Auch Österreich hat seine Zwangsarbeiter-Frage

Reinhard Engel, Joana Radzyner: Sklavenarbeit unterm Hakenkreuz. Die verdrängte Geschichte der österreichischen Industrie. Deuticke Verlag, Wien und München 1999. 283 Seiten, Abbildungen, 39,- Mark.

Man muss die Sache in die Länge ziehen! Der Satz entstammt einer in den fünfziger Jahren ergangenen vertraulichen Stellungnahme des sozialistischen Innenministers Oskar Helmer dazu, wie jüdische Restitutionsansprüche behandelt werden sollten - nämlich möglichst gar nicht. Das offizielle Österreich hatte keine Eile mit derartigen "Ansuchen", durfte es sich dank der Moskauer Deklaration der Alliierten (1943) doch als "erstes Opfer der Hitler-Aggression" verstehen. Der ministerielle Ukas gilt offensichtlich noch heute. Denn Tausende Zwangsarbeiter warten auf eine materielle "Entschädigung" für ihre Sklavenarbeit in Österreichs Kriegsindustrie.

Hitler hatte seinem Heimatland eine bedeutende Rolle bei der Versorgung seiner Kriegsmaschinerie mit Gütern zugedacht, ob es sich nun um Erze, Strom, Panzerplatten, Flugzeugmotoren, Karabiner oder Munition handelte. Göring trug dafür Sorge, dass des "Führers" Befehl in den "Reichswerken Hermann-Göring" rücksichtslos in die Tat umgesetzt wurde. Da die dafür notwendigen Arbeitskräfte in der "Ostmark" fehlten, wurden zunächst Freiwillige aus befreundeten Ländern herangezogen, nach Kriegsausbruch immer mehr Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und schließlich KZ-Häftlinge, vorwiegend aus der Sowjetunion, Polen, Frankreich und Italien.

Der "Arbeitskräfteverleih" der SS lieferte auf Bestellung und prompt. Von den 7,5 Millionen ausländischen Zwangsarbeitern im Dritten Reich waren fast zehn Prozent in der kleinen "Ostmark" eingesetzt. Die Ausländerquote in den Betrieben lag durchschnittlich bei 50 Prozent, konnte aber auch 90 Prozent überschreiten. Die Todesrate unter den Zwangsarbeitern war die höchste im ganzen Reich. Die Arbeitsbedingungen waren derart unmenschlich - besonders seit die Nazis mit dem Bau von Stollensystemen begonnen hatten, in denen die kriegswichtige Produktion vor Luftangriffen geschützt werden sollte -, dass sich sogar der KZ-Inspekteur darüber beklagte. Zu den damals Beteiligten zählen der Fahrzeughersteller Steyr-Daimler-Puch, das Tauern-Kraftwerk von Kaprun, die Chemiefaserwerke Lenzing AG, das Voest Alpine Stahlwerk in Linz, die Aluminiumwerke Ranshofen und viele andere mehr.

Dieser forcierten Industrialisierung Österreichs durch die Nazis ist es zu verdanken, dass die Alpenrepublik nach Kriegsende in Rekordzeit den Wandel vom Agrar- zum Industrieland schaffte, konnten die dafür notwendigen Devisen doch mit Exportgütern aus Görings einstiger Rüstungsschmiede verdient werden. Doch die österreichische Industrie hat sich mit dem Hinweis auf die erfolgten Lohnzahlungen an die SS bislang erfolgreich gegen jegliche Wiedergutmachung gesperrt. Sie, die heute mit Macht in die Märkte der Reformländer drängt, wartet erst mal die Entwicklung in gleicher Angelegenheit in Deutschland ab, vertröstet - oder schweigt ganz. Lediglich die Bank Austria und ihre Tochter, die Creditanstalt, haben gerade die Zahlung von umgerechnet 73 Millionen Mark angeboten. Doch heute leben von den einst 700 000 in Österreich eingesetzten Zwangsarbeitern gerade noch 50 000. Es ist das Verdienst der ORF-Journalistin Joana Radzyner und des Wirtschaftsjournalisten Reinhard Engel, dass sie in ihrem Buch diese wirtschaftshistorischen Hintergründe gerafft und damit die Zusammenhänge klarer als bisher herausgearbeitet haben. Aus den Interviews mit ehemaligen Zwangsarbeitern, die Radzyner/Engel jedem Kapitel über ein österreichisches Unternehmen zugestellt haben, wird zudem eines klar: Auch die Überlebenden waren physisch und psychisch gebrochen, hatten die Kraft zum Aufbau einer bürgerlichen Existenz oft nicht mehr.

KLAUS W. BENDER

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