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Im 'Small g', einer Zürcher Vorstadtkneipe mit zum Teil schwuler Klientel, kreuzen sich die Wege einsamer Habitués. Eines Tages taucht die junge, aufregend hübsche Luisa auf und bringt die Gefühle völlig unterschiedlicher Männer und Frauen durcheinander: eine Bewährungsprobe und tödliche Bedrohung für die zahlreichen, miteinander verflochtenen Liebesbeziehungen. Patricia Highsmith' letzter Roman.

Produktbeschreibung
Im 'Small g', einer Zürcher Vorstadtkneipe mit zum Teil schwuler Klientel, kreuzen sich die Wege einsamer Habitués. Eines Tages taucht die junge, aufregend hübsche Luisa auf und bringt die Gefühle völlig unterschiedlicher Männer und Frauen durcheinander: eine Bewährungsprobe und tödliche Bedrohung für die zahlreichen, miteinander verflochtenen Liebesbeziehungen. Patricia Highsmith' letzter Roman.
Autorenporträt
Patricia Highsmith (geboren am 19.1.1921, Fort Worth/Texas, gestorben 4.2.1995, Locarno, begraben in Tegna/Tessin) wuchs in Texas und New York auf. Studium der Literatur und Zoologie. Erste Kurzgeschichten an der Highschool, erster Lebensunterhalt als Comictexterin, erster Welterfolg 1950 mit ihrem Romanerstling "Zwei Fremde im Zug", dessen Verfilmung durch Alfred Hitchcock sie über Nacht weltberühmt machte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.06.1995

Das schreckliche Schneiderlein
Ein nachgelassener Roman von Patricia Highsmith: "Small g" Von Ingeborg Harms

Der letzte Roman von Patricia Highsmith ist eine naive Erzählung. Die Guten sind gut, und die Bösen sind böse. Das einzige, was an das Genre des Krimis erinnert, ist der Mord zu Beginn des ersten Kapitels. Das einzige, was an die Perfidien der legendären Ripley-Figur heranreicht, ist der Umstand, daß das Rätsel dieses Mordes nie gelöst wird. Niemand zwischen den zwei Buchdeckeln unternimmt auch nur den Versuch, die Schuldigen zu finden, so daß der Leser mit seinen lustlos angestellten, faustdicken Vermutungen bis zum Schluß im Stich gelassen wird.

Die Szene ist Zürich. Das Personal teilt sich grob in Junge und Alte, die ersteren sind gut, die letzteren böse. Die jüngeren Figuren führen ein nicht nur sexuell unkonventionelles Leben, die älteren leben asexuell, sind verklemmt, wenn nicht gar behindert. Im Zentrum der Erzählung steht das Monster Renate. Dieser schmallippigen Schneidermeisterin wird jede erdenkliche Verunstaltung angehängt. Sie hat einen Klumpfuß, appliziert speiende Drachen auf den Kleiderbusen und trägt zeitweise eine Augenklappe. Ihren Lehrlingsbetrieb regiert sie mit eiserner Faust, und ihre liberale Umgebung setzt sie durch die Indoktrinierung des blöden Willi in Schrecken, der auf ihr Geheiß hin nächtlich harte Schläge aus dem Hinterhalt verteilt.

Der stiefmütterlichen Renate ist das Aschenbrödel Luisa beigegeben, ein wegen Mißbrauchs von zu Hause ausgerissenes Mädchen mit großem Talent für das Modedesign. Weil sie sich einmal in einen schwulen jungen Mann verliebt hat, wird Luisa von Renate streng bewacht. Trotzdem begibt sich die Schneiderin mit der von ihr in Kost und Logis aufgenommenen Luisa zweimal täglich in ein belebtes, bevorzugt von der homosexuellen Szene frequentiertes Ecklokal. Es kommt, wie es kommen muß: Luisa verliebt sich wieder, doch diesmal in die Lesbe Dorrie. Als Renate die zwei daheim im Bett erwischt, läßt die Wut sie stolpern - mit letalem Ausgang.

Der Roman ist mit diversen anderen Gestalten angereichert, die alle gleichermaßen unerträglich gut sind. Allen voran ist da Rickie, der Werbegraphiker, der es nicht fertigbringt, seine versoffene Sekretärin zu entlassen. Er vermeidet es sogar, ihr ein paar Stunden freizugeben, aus Angst, sie könnte das als Einleitung zur Kündigung auffassen. Rickie ist schwul, vielleicht muß er deshalb so gut sein. Er eilt in die Kneipe, wenn die Kellnerin anruft, weil eine Nachbarin dort für den Heimweg Unterstützung braucht. Und auch Fredy, der unattraktive Verkehrspolizist, der abends bei Rickie klingelt, den Strafzettel zerreißt und errötend anfragt, ob er bei ihm übernachten dürfe, wird aus lauter Menschlichkeit nicht abgewiesen.

Highsmith macht keinen Hehl daraus, daß sie ein Märchen schreibt. Im Titel ihres Buches steht "Eine Idylle". Luisa wird am Ende zur Millionärin, Rickie hat, wie sich herausstellt, doch kein Aids, Dorries Liebe zu Luisa wird erwidert, Rickie erhört Fredy, und das Monster Renate bricht sich das Genick. Sie repräsentiert den Tod in der Idylle. Alles Lebensfeindliche zieht sich in ihr zusammen und wird mit ihrem Körper eingeäschert. Nur wenn Renate stirbt, steht das Glück auf sicherem Boden. Und weil eins aus dem anderen hervorgeht, ist es Renates eifersüchtig gehorteter Bankschatz, der die sanfte Luisa schließlich beglückt.

Und doch ist das Happy-End verhalten und mit den gemischten Gefühlen der Überlebenden durchsetzt. So wie Renate nicht wirklich böse war, sondern auch eine moderne, psychologisch modellierte Figur, die an der Verdrängung eigener homophiler Neigungen bitterlich zugrunde geht, so sind auch die Guten nicht grundlos gut. Rickie und Luisa haben früh gelernt, daß das große Glück auf Erden schwer zu haben ist. Sie wissen ihre Wünsche einzuschränken. Dieser sich in die Struktur übersetzende Kleinmut zieht der Handlung trotz gelegentlicher Ausgelassenheit eine allgegenwärtige Lähmung zu. Sie ist von der Melancholie der Sonntagsmaler angesteckt. Highsmith entwirft eine Welt, die für sie viel zu klein und putzig ist. Aber der Schritt vom Thriller in die Milieuschilderung hat auch etwas Entwaffnendes.

Denn es geht in "Small g" nicht nur um Renates Testament, es geht auch um das Testament der kürzlich verstorbenen Autorin. Der Roman hat die Last des Bekenntnisses zu tragen. Zum ersten Mal deutet Highsmith, ohne, wie in "Carol", auf ein Pseudonym zurückzugreifen, in ihren Figuren die eigene sexuelle Orientierung an. Hier werden Abgründe sichtbar. Ist die androgyne Luisa das Mädchen, das Patricia Highsmith gern gewesen wäre, neugierig, offen und ohne Schuldgefühle eine lesbische Beziehung lebend? Und hat man in Renate ein Selbstporträt der Highsmith wahrzunehmen, den gepanzerten Drachen, der vor lauter Selbsthaß in das Böse ausweicht? Dann wäre ihr letzter Roman auch eine ungelenke Entzauberung dieses Drachens und die Erlösung der Prinzessin, die sich in ihn verwandelt hatte.

Patricia Highsmith: "Small g". Eine Sommeridylle. Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christiane Buchner. Diogenes Verlag, Zürich 1995. 422 Seiten, geb., 39,- DM.

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