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Arkady Renko ermittelt in den eigenen Reihen. Ein Polizist steht unter dem Verdacht der Korruption, doch die Beweislage ist mehr als dürftig. Was die Sache nicht einfach macht, Renkos Freundin Eva hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Affäre mit dem Mann ...

Produktbeschreibung
Arkady Renko ermittelt in den eigenen Reihen. Ein Polizist steht unter dem Verdacht der Korruption, doch die Beweislage ist mehr als dürftig. Was die Sache nicht einfach macht, Renkos Freundin Eva hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Affäre mit dem Mann ...
Autorenporträt
Martin Cruz Smith, 1943 als Sohn einer Indianerin und eines Jazz-Musikers in Philadelphia geboren, gelang mit dem Roman 'Gorki Park' ein Welterfolg. Seither hat der russische Chefinspektor Arkadi Renko eine große Fan-Gemeinde, die nach 'Polar Star' und 'Das Labyrinth' jetzt endlich ihren unvergleichlichen und abgeklärten Helden wiederhat.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.03.2008

Die leicht radioaktive Ex-Geliebte
So müssen Polit-Thriller sein: Martin Cruz Smiths rasanter Roman „Stalins Geist”
In der Moskauer Metro erscheint spät nachts Stalins Geist. Eine Prostituierte sieht ihn, aber auch zwei Amerikaner, Wiley und Pachecho. Sie sind gerade in Moskau, um den Wahlkampf von Nikolaj Isakow etwas aufzupeppen. Der Inspektor der Staatsanwaltschaft soll für die russischen Patrioten ins Parlament.
Seltsam. Viel ist derzeit von diesem Isakow die Rede. Einerseits war er der Anführer einer Eliteeinheit russischer Soldaten im zweiten tschetschenischen Krieg. Sie gehörten zu den Schwarzen Beretten, Omon genannt, setzten sich bei einer Brückenschlacht gegen eine mehrfache Übermacht durch. Andererseits nimmt Victor, ein Kollege des Inspektors, einen Anruf ab, der an Urman, einen treuen Gehilfen von Isakow, gerichtet ist. Die Dame am Apparat, Chefin eines Partnervermittlungsinstituts, sucht nach jemandem, der ihren Mann umbringt. Er schlägt sie, ist faul, trinkt. Victor traut seinen Ohren nicht, lädt die Dame ein und horcht sie, gemeinsam mit Arkadi Renko, aus.
Renko ist die Hauptfigur von „Stalins Geist” und eigentlich ein Veteran. Vor siebenundzwanzig Jahren landete Martin Cruz Smith, ein 1942 geborener Amerikaner halbindianischer Herkunft, mit seinem Renko-Erstling „Gorki Park” gleich einen Kulterfolg. Der neue Roman ist Renkos sechster Auftritt. Sollte Smith den armen Kerl nicht endlich pensionieren, denkt man sich erst. Aber nach der Lektüre ist Renko zwar um ein paar Wunden reicher, doch man muntert ihn auf: Bleib noch ein bisschen. Selten gelingen Polit-Thriller so gut.
Das liegt, scheint es, an dreierlei: Daran, dass Cruz Smith das Land, in dem er seine Handlungen situiert, inzwischen besser zu kennen scheint als viele, die gewohnheitsmäßig darüber schreiben. Zweitens daran, dass er sein Wissen so geschickt in der Handlung aufgehen lässt, dass man sich nicht wie in der Geschichtsstunde vorkommt. Und drittens daran, dass Cruz Smith auch in beinahe jeder anderen Hinsicht überzeugt.
Das meint etwa die Souveränität, in der er seine Leser in Informationslücken fallen lässt, die sie die Handlung aus der Sicht der Hauptfigur erleben lassen. Schön langsam wird die Bekanntschaft mit der partnersuchenden Hotel-Harfenistin Tanja aufgebaut. Renko, der gerade von seiner Geliebten Eva, die Isakow aus Tschetschenien kennt, für diesen verlassen wurde, ist dabei, sich in Tanja zu verlieben, als sie ihn von hinten mit der Garotte, einer stählernen Harfensaite, umschlingt. Erst vermutet man absonderliche Praktiken, bis klar wird, dass die Angehimmelte Renko erdrosseln will. Sie ist Urmans Vertraute.
Das Erstaunliche ist, dass Cruz Smith durchaus heftige Sitten schildert, diese aber nicht nur glaubwürdig vermittelt, sondern die interessantesten Irritationen anderswo herholt. Beispielsweise Renkos schöne Angewohnheit, immer in der Nähe von Isakow und Urman zu bleiben, auch wenn diese schon mehrfach versucht haben, ihn umbringen zu lassen – warum stellt sich nur allmählich heraus: Renko, erst durch den zufällig abgehörten Anruf auf die beiden aufmerksam geworden, interessiert sich zu sehr für ihre Heldentat im Tschetschenien-Krieg. Irgendetwas muss daran faul sein.
Auch Renko selbst ist übrigens eine Art Idol. Sein Vater war immerhin ein General, den Stalin ab und zu getroffen hat, ohne ihn umbringen zu lassen. Das macht Renko zur Respektsperson, aber nicht unangreifbar. Immer tiefer steigt man in diesem Buch unter die Oberfläche der glitzernden russischen Neureichen-Gesellschaft, die so sehr in ihren Altlasten gefangen ist. Ein realitätsnahes Bild dafür findet Cruz Smith in den Entdeckungen immer neuer ehemaliger Schlachtfelder, die von russischen Patrioten nach Verwandten abgesucht werden, um diese von der Schande des Verdachts, Überläufer zu sein, zu befreien.
Ebenso vergangenheitsgesättigt ist Renkos Ex-Geliebte Eva, eine leicht radioaktive ukrainische Ärztin, die im Umkreis von Tschernobyl zu tun hatte. Danach hat sie in Tschetschenien geholfen, beiden Parteien. Was sie natürlich in russischen Augen zur Verräterin macht. Isakow hat trotzdem zu ihr gehalten, hat sie im Krisengebiet gefahren, was sie ihm hoch anrechnet – weswegen sie sich damals in ihn verliebt hat. Doch was ist das Geheimnis, das der mirakulöse Isakow und sein Mann fürs Grobe verstecken müssen? Erst über zwei Fotos, die der Kriegsjournalist Ginsberg, ein Jude, mehr oder weniger zufällig aus einem Helikopter gemacht hat, begreift Renko langsam die Wahrheit. Isakow und Urman waren keine Helden und die Tschetschenen keine Übermacht, sondern Handelspartner. Statt überlegene Feinde großrussisch zu eliminieren, wollten Isakow und Kollegen gerade gestohlene Teppiche kaufen. Doch als russische Truppen in der Nähe gemeldet wurden, blieb keine Zeit, die Sache zu vertuschen. Kurz entschlossen wurden die freundlich-geschäftsmäßig gesinnten Tschetschenen abgeschlachtet. Das wäre für Isakows Parteigänger kein großes Problem, doch handeln hätte er mit ihnen nicht gedurft. Aber Isakow ist kein Patriot, sondern ein auf Gewinn fixierter, mehr oder weniger vorurteilsloser neuer Russe, dem jedes Mittel recht ist.
Nur einmal verstößt Crux Smith gegen das für Thriller relevante Gesetz der Wahrscheinlichkeit. Dass Renkos Vater ein berühmter General war und andere Vater-Sohn-Geschichten des Buchs glaubt man. Doch dass Isakows Vater genau jener Henker gewesen sein soll, der die Polen, die auf einem Gräberfeld peinlicherweise gefunden werden, hingerichtet haben soll, geht ein bisschen weit.
„Auf der Fahrt nach Twer verließ Arkadi Moskau und kam nach Russland.” Eine der großen Stärken von „Stalins Geist” ist jedoch, dass Cruz Smith denselben nicht nur in Moskau sucht. Das Sonderkommando, um dessen Heldentaten es geht, kommt geschlossen aus Twer, einer kleineren Stadt, die nicht allzu weit vor Moskau liegt, aber weit genug, um heute als zunehmend leere Welt zu erscheinen. Früher elegant, war sie im Zweiten Weltkrieg eines der Zentren der Front. Hier haben die Ausgräber Konjunktur, die nationalistischen russischen Patrioten, aber auch ihre nicht weniger nationalistischen Gegenspieler. Sehr differenziert entwirft Cruz Smith die makabre Atmosphäre eines Orts, in dem nur der Hass auf Moskau alle einigt. Kein Wunder: „kein Mercedes, kein Bolschoi, kein Sushi, keine asphaltierte Welt – stattdessen Schlamm, Gänse und Äpfel, die vom Pferdewagen kullerten.” HANS-PETER KUNISCH
MARTIN CRUZ SMITH: Stalins Geist. Ein Arkadi-Renko-Roman. Deutsch von Rainer Schmidt. C. Bertelsmann, München 2007. 365 Seiten, 19,90 Euro.
Martin Cruz Smith Bloomberg News.
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