Drei Paare im Niemandsland zwischen Single-Leben und Ehe. Der Abend vor einer Hochzeit, die Freunde feiern Polterabend im Hotel, erschöpft, betrunken und müde. Zwei von ihnen werden sich morgen das Ja-Wort geben. Aber bis dahin ist viel Zeit, und keiner hat vor, noch schlafen zu gehen. Georg und Franziska sind Braut und Bräutigam, auch wenn Franziska andere Fantasien hat. Als Georg sie beleidigt, revanchiert sie sich mit dem Aufdecken bitterer Geheimnisse. Clara hat sich mit Frank arrangiert und hängt doch alten Erinnerungen nach. Max ist mit Charlotte gekommen, die er hübsch nennt, Clara dagegen findet er schön, Franziska aber erotisch.
Auf engstem Raum entsteht ein zum Reißen gespanntes Netz aus Anziehung und Abstoßung, aus Attraktion und Arroganz. Eine orientierungslose Hochzeitsgesellschaft zieht durch die Etagen des Hotelgebäudes, auf der Suche nach dem Glück. Beim Bowling kegelt Frank Georg um. Max droht sich vom Dach zu stürzen. Im Pool wird Clara gerade noch vor dem Ertrinken gerettet.
Susanne Heinrich gelingt auf engstem Raum ein höchst treffendes Sittengemälde unserer Zeit, ebenso tabulos wie moralisch. "Alles ist Sex, und Liebe und Traurigkeit sind nur Ausreden, die niemand hören will." Es wird eine lange Nacht.
Auf engstem Raum entsteht ein zum Reißen gespanntes Netz aus Anziehung und Abstoßung, aus Attraktion und Arroganz. Eine orientierungslose Hochzeitsgesellschaft zieht durch die Etagen des Hotelgebäudes, auf der Suche nach dem Glück. Beim Bowling kegelt Frank Georg um. Max droht sich vom Dach zu stürzen. Im Pool wird Clara gerade noch vor dem Ertrinken gerettet.
Susanne Heinrich gelingt auf engstem Raum ein höchst treffendes Sittengemälde unserer Zeit, ebenso tabulos wie moralisch. "Alles ist Sex, und Liebe und Traurigkeit sind nur Ausreden, die niemand hören will." Es wird eine lange Nacht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.2009Feiern, bis der Ring kommt
Susanne Heinrich lässt es noch einmal richtig krachen
Der Polterabend von Georg und Franziska ist in den frühen Morgenstunden vorbei, und das Brautpaar und der harte Kern feiern weiter bis zum Exzess. Am kommenden Morgen soll die Trauung im engen Freundes- und Familienkreis stattfinden. Doch das Minimum an körperlicher (und vor allem geistiger) Ausgeschlafenheit ist nur einen kurzen Gedanken wert. Das Hochzeits- und zwei weitere Paare Mitte oder Ende zwanzig schlagen sich die Nacht beziehungsweise das Morgengrauen um die Ohren, vergnügen sich im Hotel, das inklusive Bar, Swimmingpool und Fitnessstudio reichhaltige Möglichkeiten bietet. Ein erschöpfter Hotelbediensteter läuft ab und zu durch die Szenerie. Die Beteiligten trinken und kiffen bis an ihre Grenzen, verzweifeln und euphorisieren sich wieder, betreiben Seitensprünge und raufen sich wieder zusammen.
Susanne Heinrich, 1985 in Leipzig geboren und Absolventin des dortigen Literaturinstituts, hat bereits einen Erzählband und einen Roman veröffentlicht, denen die Kritiker "schwüle Bilder" und einen starken Hang zum Kitsch vorgeworfen haben. In ihrem zweiten Roman "So, jetzt sind wir alle mal glücklich" stören weniger Kitsch und schwüle Bilder, sondern vor allem die nicht enden wollenden, oberflächlichen Reflexionen ihrer sechs Figuren, die sie auf engstem Raum und Zeitraum zusammenpfercht. Die Autorin erzählt aus sechs Perspektiven, die jeweils die Kapitelüberschrift zuordnet. Leider muss man des Öfteren zurückblättern, um sich zu vergewissern, wer gerade Erzähler ist, denn alle reden fast ununterscheidbar.
Die Braut Franziska, die durchaus Augen für die anderen Männer der Kleingruppe hat, sinniert: "Aber das Schlimmste ist, dass Männer und Frauen so unterschiedlich sind, dass es überhaupt keine Möglichkeit gibt, zusammenzukommen. Auf der einen Seite die Männer mit ihrem unbewussten Trieb, auf der anderen Seite die Frauen, die diesen Trieb überwachen und beherrschen." Und auch Clara, die in der Schicksalsnacht einen Suizidversuch überlebt, hat solche Gender- und Post-Gender-Phantasien: "und solange es Männer und Frauen gibt, kann es keine Liebe geben. Es lebe die Verwischung der Geschlechter! Bald werden sie ausgestorben sein, bald werden sie sich kaum mehr unterscheiden. Und wer weiß? Vielleicht gibt es einmal eine Welt, in der etwas Anderes, Neues ihren Platz einnehmen kann, etwas, weit weg von der Biologie."
Susanne Heinrichs Protagonisten verzweifeln an der schlichten Beobachtung, dass alle Menschenwesen biologisch kompatibel sind und vielfältige, scheinbar kontingente sexuelle Anziehung herrscht. Aber die nötige analytische und erzählerische Härte, die etwa Michel Houellebecq in seiner "Ausweitung der Kampfzone" vor fünfzehn Jahren erreichte, der eine ähnliche reductio ad sexum durchspielte - diese Härte fehlt der Autorin.
Die Wahl eines Polterabends als Nacht der fallenden Masken und des verwischten Make-ups ist an sich schon prekär - denn ein Polterabend soll sowieso den Aufruhr und die Abfuhr der unterdrückten Emotionen ritualisieren. So lässt der Leser, der ohnehin nach dem ersten Kapitel weiß, worauf das Ganze hinauslaufen soll, konstitutionell ermüdet Skandälchen nach Skandälchen über sich ergehen und wünscht dem gebeutelten Brautpaar alles Gute.
MARIUS MELLER
Susanne Heinrich: "So, jetzt sind wir alle mal glücklich". Roman. DuMont Buchverlag, Köln 2009. 300 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Susanne Heinrich lässt es noch einmal richtig krachen
Der Polterabend von Georg und Franziska ist in den frühen Morgenstunden vorbei, und das Brautpaar und der harte Kern feiern weiter bis zum Exzess. Am kommenden Morgen soll die Trauung im engen Freundes- und Familienkreis stattfinden. Doch das Minimum an körperlicher (und vor allem geistiger) Ausgeschlafenheit ist nur einen kurzen Gedanken wert. Das Hochzeits- und zwei weitere Paare Mitte oder Ende zwanzig schlagen sich die Nacht beziehungsweise das Morgengrauen um die Ohren, vergnügen sich im Hotel, das inklusive Bar, Swimmingpool und Fitnessstudio reichhaltige Möglichkeiten bietet. Ein erschöpfter Hotelbediensteter läuft ab und zu durch die Szenerie. Die Beteiligten trinken und kiffen bis an ihre Grenzen, verzweifeln und euphorisieren sich wieder, betreiben Seitensprünge und raufen sich wieder zusammen.
Susanne Heinrich, 1985 in Leipzig geboren und Absolventin des dortigen Literaturinstituts, hat bereits einen Erzählband und einen Roman veröffentlicht, denen die Kritiker "schwüle Bilder" und einen starken Hang zum Kitsch vorgeworfen haben. In ihrem zweiten Roman "So, jetzt sind wir alle mal glücklich" stören weniger Kitsch und schwüle Bilder, sondern vor allem die nicht enden wollenden, oberflächlichen Reflexionen ihrer sechs Figuren, die sie auf engstem Raum und Zeitraum zusammenpfercht. Die Autorin erzählt aus sechs Perspektiven, die jeweils die Kapitelüberschrift zuordnet. Leider muss man des Öfteren zurückblättern, um sich zu vergewissern, wer gerade Erzähler ist, denn alle reden fast ununterscheidbar.
Die Braut Franziska, die durchaus Augen für die anderen Männer der Kleingruppe hat, sinniert: "Aber das Schlimmste ist, dass Männer und Frauen so unterschiedlich sind, dass es überhaupt keine Möglichkeit gibt, zusammenzukommen. Auf der einen Seite die Männer mit ihrem unbewussten Trieb, auf der anderen Seite die Frauen, die diesen Trieb überwachen und beherrschen." Und auch Clara, die in der Schicksalsnacht einen Suizidversuch überlebt, hat solche Gender- und Post-Gender-Phantasien: "und solange es Männer und Frauen gibt, kann es keine Liebe geben. Es lebe die Verwischung der Geschlechter! Bald werden sie ausgestorben sein, bald werden sie sich kaum mehr unterscheiden. Und wer weiß? Vielleicht gibt es einmal eine Welt, in der etwas Anderes, Neues ihren Platz einnehmen kann, etwas, weit weg von der Biologie."
Susanne Heinrichs Protagonisten verzweifeln an der schlichten Beobachtung, dass alle Menschenwesen biologisch kompatibel sind und vielfältige, scheinbar kontingente sexuelle Anziehung herrscht. Aber die nötige analytische und erzählerische Härte, die etwa Michel Houellebecq in seiner "Ausweitung der Kampfzone" vor fünfzehn Jahren erreichte, der eine ähnliche reductio ad sexum durchspielte - diese Härte fehlt der Autorin.
Die Wahl eines Polterabends als Nacht der fallenden Masken und des verwischten Make-ups ist an sich schon prekär - denn ein Polterabend soll sowieso den Aufruhr und die Abfuhr der unterdrückten Emotionen ritualisieren. So lässt der Leser, der ohnehin nach dem ersten Kapitel weiß, worauf das Ganze hinauslaufen soll, konstitutionell ermüdet Skandälchen nach Skandälchen über sich ergehen und wünscht dem gebeutelten Brautpaar alles Gute.
MARIUS MELLER
Susanne Heinrich: "So, jetzt sind wir alle mal glücklich". Roman. DuMont Buchverlag, Köln 2009. 300 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"So, jetzt sind wir alle mal glücklich" ist ein kraftvolles und bezwingendes Erzählwerk über Paare an der Schwelle zur Familienbildung. [...] Ein wenig ist diese garstige Geschichte auch ein Künstlerroman." -- FREIE PRESSE
"...dieser Roman lehnt sich weit aus dem Fenster, ist so hart und mutig pathetisch - und enthält so kluge, wache, wahre Sätze, dass man sie sich auf den Unterarm tätowieren lassen möchte." -- WDR/ 1 LIVE
"Man darf natürlich keine anderen, womöglich echte Probleme haben, um sich freiwillig dreihundert Seiten lang mit solchen amourösen Verzwicktheiten zu befassen. Aber selbst dann kann man sich zum Trost immer noch einen von Heinrichs hübschen Sätzen übers Bett hängen. Diesen zum Beispiel: Die Welt könnte sich zusammenfalten und in einer Streichholzschachtel verschwinden, niemand würde es bemerken." -- BERLINER ZEITUNG
"...dieser Roman lehnt sich weit aus dem Fenster, ist so hart und mutig pathetisch - und enthält so kluge, wache, wahre Sätze, dass man sie sich auf den Unterarm tätowieren lassen möchte." -- WDR/ 1 LIVE
"Man darf natürlich keine anderen, womöglich echte Probleme haben, um sich freiwillig dreihundert Seiten lang mit solchen amourösen Verzwicktheiten zu befassen. Aber selbst dann kann man sich zum Trost immer noch einen von Heinrichs hübschen Sätzen übers Bett hängen. Diesen zum Beispiel: Die Welt könnte sich zusammenfalten und in einer Streichholzschachtel verschwinden, niemand würde es bemerken." -- BERLINER ZEITUNG
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.11.2009Franziska ist wie eine Straßenbahn
Susanne Heinrichs Roman „So, jetzt sind wir alle mal glücklich”
Sind sechs Menschen in einem Hotel und schlagen sich die Nacht um die Ohren. Zwei von ihnen, Franziska und Georg, wollen am nächsten Tag heiraten. Ein wenig Missstimmung kommt auf, weil jemand das Hochzeitsgeschirr zum Poltern benutzt hat. War es Georg? Der ist dicklich, Bibliothekar von Beruf und hat schon eine Glatze. Franziska hat große Brüste, auf die sie stolz ist, und ein überspanntes Wesen. Mit Letzterem ist sie nicht allein. Clara ist Schriftstellerin und hat sich in Frank das mitgebracht, was man vulgär wohl einen Stecher nennen könnte. Sie ruft ihn „Tier”, die anderen schütteln den Kopf. Charlotte hingegen glaubt noch an die echte Liebe und kann nicht ertragen, wenn ihr Freund Max von seiner geschiedenen Frau redet.
Sind sechs Menschen auf engstem Raum zusammengesperrt und müssen sich miteinander beschäftigen. Das Generalthema von Susanne Heinrichs Roman, ihrem zweiten, ist die Liebe in sämtlichen Facetten der entzauberten Gegenwart. Die Liebe und wie man sich bequem in ihr einrichtet. Warum man das besser nicht tun sollte. Wie man damit umgeht, wenn man die einzig wahre verloren hat. Was Männer denken. Was Frauen denken. Wie es ist, wenn die Jugend vorbei ist. All das geschieht auf einem ungeheuer banalen Niveau.
Die Erzählperspektiven wechseln zwischen Clara, Max und Franziska; die Erzählstimme bleibt stets die gleiche. Der Ton strotzt nur so von aufgedonnerten Formulierungen, hinter denen sich Allgemeinplätze und gendertheoretische Klischees nicht lange verstecken lassen: „Rette mich! Ich glaube, du bist der einzige Mann, der Männlichkeit nicht mit Animalität verwechselt!” Es ist eine Prosa, die keine unfreiwillige Komik auslässt: „Worüber reden wir? Fragt Franziska mit einer Stimme wie eine Straßenbahn, wie das Geräusch, wenn sie bremst und vorlaut schrillt, weil noch jemand über die Schienen huscht. Überhaupt ist vieles an Franziska wie eine Straßenbahn.”
Männer vermasseln immer alles
Sind sechs Menschen beisammen und reden miteinander. Thirtysomethings, die sich wechselweise benehmen wie Teenager oder Kindergartenkinder. Die aufs Hoteldach klettern, kiffen, ihre Kippen auf dem Teppich ausdrücken, auf die Bowlingbahn gehen und den einen oder anderen hilflosen und nicht ernstzunehmenden Selbstmordversuch unternehmen. Alles in einer Nacht. Die dem unverstellten Fühlen immer auf den Fersen sind, zumindest die Frauen. Die Männer vermasseln zumeist alles, indem sie den richtigen Moment verpassen. Auf den kommt es an.
Die Angst davor, nicht mehr einmalig zu sein, treibt Charlotte um. Dass Max nicht weiß, ob sie ihren Kaffee mit Milch oder Zucker trinkt, treibt sie in den Wahnsinn und stellt alles in Frage. Währenddessen findet Franziska sich damit ab, dass Georg der Letzte sein wird, dessen Unterhosen sie aufhängt. Das nennt sie eine „gesunde Beziehung”. Clara dagegen ist überzeugt, dass es keine Liebe gibt, solange es Sex gibt. Frank denkt gar nichts, aber ab und zu darf er am Türrahmen ein paar Klimmzüge machen.
Was auch immer Susanne Heinrich, Jahrgang 1985, mit ihrem Personal, das nicht aus Charakteren, sondern aus Platzhaltern für vorgefertigte Lebenseinstellungen besteht, anfangen wollte – man hat es schnell begriffen. Der Rest ist zähe Textarbeit.
Sind sechs Menschen beisammen und saufen. Schon bei Anbruch der Nacht sind sie „voll wie ein Eimer”. Im Verlauf des Romans werden sie zu sich nehmen (in dieser Reihenfolge): Gin Tonic, Mai Thai, Bier, Ramazotti, Scotch, Jägermeister, Prosecco, Wein, Sekt, Bier, Sekt, Wein, Gin, Cola-Rum, Wein, Bourbon, Gin Tonic, Bier. Unter normalen medizinischen Umständen hätte die Runde nach kurzer Zeit unter dem Tisch liegen müssen. Oder im Bett. Das wäre für alle das Beste gewesen.CHRISTOPH SCHRÖDER
SUSANNE HEINRICH: So, jetzt sind wir alle mal glücklich. Roman. DuMont Verlag, Köln 2009. 300 S., 19,95 Euro.
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Susanne Heinrichs Roman „So, jetzt sind wir alle mal glücklich”
Sind sechs Menschen in einem Hotel und schlagen sich die Nacht um die Ohren. Zwei von ihnen, Franziska und Georg, wollen am nächsten Tag heiraten. Ein wenig Missstimmung kommt auf, weil jemand das Hochzeitsgeschirr zum Poltern benutzt hat. War es Georg? Der ist dicklich, Bibliothekar von Beruf und hat schon eine Glatze. Franziska hat große Brüste, auf die sie stolz ist, und ein überspanntes Wesen. Mit Letzterem ist sie nicht allein. Clara ist Schriftstellerin und hat sich in Frank das mitgebracht, was man vulgär wohl einen Stecher nennen könnte. Sie ruft ihn „Tier”, die anderen schütteln den Kopf. Charlotte hingegen glaubt noch an die echte Liebe und kann nicht ertragen, wenn ihr Freund Max von seiner geschiedenen Frau redet.
Sind sechs Menschen auf engstem Raum zusammengesperrt und müssen sich miteinander beschäftigen. Das Generalthema von Susanne Heinrichs Roman, ihrem zweiten, ist die Liebe in sämtlichen Facetten der entzauberten Gegenwart. Die Liebe und wie man sich bequem in ihr einrichtet. Warum man das besser nicht tun sollte. Wie man damit umgeht, wenn man die einzig wahre verloren hat. Was Männer denken. Was Frauen denken. Wie es ist, wenn die Jugend vorbei ist. All das geschieht auf einem ungeheuer banalen Niveau.
Die Erzählperspektiven wechseln zwischen Clara, Max und Franziska; die Erzählstimme bleibt stets die gleiche. Der Ton strotzt nur so von aufgedonnerten Formulierungen, hinter denen sich Allgemeinplätze und gendertheoretische Klischees nicht lange verstecken lassen: „Rette mich! Ich glaube, du bist der einzige Mann, der Männlichkeit nicht mit Animalität verwechselt!” Es ist eine Prosa, die keine unfreiwillige Komik auslässt: „Worüber reden wir? Fragt Franziska mit einer Stimme wie eine Straßenbahn, wie das Geräusch, wenn sie bremst und vorlaut schrillt, weil noch jemand über die Schienen huscht. Überhaupt ist vieles an Franziska wie eine Straßenbahn.”
Männer vermasseln immer alles
Sind sechs Menschen beisammen und reden miteinander. Thirtysomethings, die sich wechselweise benehmen wie Teenager oder Kindergartenkinder. Die aufs Hoteldach klettern, kiffen, ihre Kippen auf dem Teppich ausdrücken, auf die Bowlingbahn gehen und den einen oder anderen hilflosen und nicht ernstzunehmenden Selbstmordversuch unternehmen. Alles in einer Nacht. Die dem unverstellten Fühlen immer auf den Fersen sind, zumindest die Frauen. Die Männer vermasseln zumeist alles, indem sie den richtigen Moment verpassen. Auf den kommt es an.
Die Angst davor, nicht mehr einmalig zu sein, treibt Charlotte um. Dass Max nicht weiß, ob sie ihren Kaffee mit Milch oder Zucker trinkt, treibt sie in den Wahnsinn und stellt alles in Frage. Währenddessen findet Franziska sich damit ab, dass Georg der Letzte sein wird, dessen Unterhosen sie aufhängt. Das nennt sie eine „gesunde Beziehung”. Clara dagegen ist überzeugt, dass es keine Liebe gibt, solange es Sex gibt. Frank denkt gar nichts, aber ab und zu darf er am Türrahmen ein paar Klimmzüge machen.
Was auch immer Susanne Heinrich, Jahrgang 1985, mit ihrem Personal, das nicht aus Charakteren, sondern aus Platzhaltern für vorgefertigte Lebenseinstellungen besteht, anfangen wollte – man hat es schnell begriffen. Der Rest ist zähe Textarbeit.
Sind sechs Menschen beisammen und saufen. Schon bei Anbruch der Nacht sind sie „voll wie ein Eimer”. Im Verlauf des Romans werden sie zu sich nehmen (in dieser Reihenfolge): Gin Tonic, Mai Thai, Bier, Ramazotti, Scotch, Jägermeister, Prosecco, Wein, Sekt, Bier, Sekt, Wein, Gin, Cola-Rum, Wein, Bourbon, Gin Tonic, Bier. Unter normalen medizinischen Umständen hätte die Runde nach kurzer Zeit unter dem Tisch liegen müssen. Oder im Bett. Das wäre für alle das Beste gewesen.CHRISTOPH SCHRÖDER
SUSANNE HEINRICH: So, jetzt sind wir alle mal glücklich. Roman. DuMont Verlag, Köln 2009. 300 S., 19,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Christoph Schröders Kritik von Susanne Heinrichs zweitem Roman kann man getrost einen vernichtenden Verriss nennen. Die 1985 geborene Autorin lässt sechs Menschen um die dreißig am Vorabend einer Hochzeit in einem Hotel zusammenkommen, und was dabei so über Liebe und Beziehungen, Männer und Frauen oder die verlorene Jugend ausgetauscht wird ist laut Rezensent an Banalität kaum zu überbieten. Die Figurenzeichnung ist schablonenhaft, trotz Perspektivwechseln ändert sich die Erzählerstimme nie und was die Autorin uns mit ihrem Roman sagen will, ist für Schröder ziemlich durchsichtig. Lediglich die überfließende Getränkeliste der Hochzeitsgesellschaft weckt dann noch mal das Interesse des Rezensenten, ansonsten aber kann er dem Roman rein gar nichts abgewinnen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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