»Stimmt selbst notorische Streithähne nachdenklich.« Neue Luzerner Zeitung »Regt an mitzumachen und das Ganze nachzuspielen.« Gabriele Hoffmann, spielen und lernen
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2008Würdet ihr bitte endlich still sein, bitte?
Streitende Kleinkinder sind eine Pest. Kathrin Schärer nimmt sich der Sache an. Ihr Buch setzt auf Ablenkung statt auf Konfliktlösung - eine riskante Strategie.
Es geht um Streiten, Raufen und Schuldzuweisungen. Ein unangenehmes Thema? Nicht, wenn es so sympathisch illustriert wird wie in Kathrin Schärers Buch. Ein Dachs, ein Bär und ein Fuchs wollen einen Turm aus Steinen bauen und geraten in Streit. Eine typische Situation im Kinderzimmer, aber mit ungewöhnlichem Verlauf: Statt sofort miteinander zu raufen, erzählen alle Beteiligten erst einmal in Ruhe, wie der Streit entstanden ist.
Das wird sehr schön in Szene gesetzt, indem das Tier, dessen Sicht jeweils dargestellt wird, vor einer Art Flip Board steht und auf seine Version zeigt. Dabei kommt zutage, dass es so viele verschiedene Wahrnehmungen wie Augenpaare gibt - eine Tatsache, die nicht nur Kinder überraschen wird. Doch nachdem alle Tiere ihre Version erzählt haben, fängt die Keilerei erst richtig an. Bis ein Eichhörnchen den Krach nicht mehr ertragen kann: Es wird zum Zeugen, der jetzt seine Sicht zum Besten gibt. Die Reaktion darauf ist jedoch weiteres Streiten. Da fängt das Eichhörnchen mit einem Spiel an, dem sich die anderen bereitwillig anschließen und ihren Konflikt bald vergessen haben. Fazit: Spielen ist schöner als Streiten.
Vor diesem wohlfeilen Ende murmelt das Eichhörnchen aber noch: "Wenn ihr euch nicht zuhört, könnt ihr einander nicht verstehen." Das wirkt klug, aber auch resigniert, schließlich haben alle vorigen Seiten ja gezeigt, dass Zuhören keineswegs zum Verständnis und auch nicht zu irgendeiner Einigung geführt hat. Erst das neue Spiel hat Frieden gebracht. Damit setzt das Buch nicht auf rationale Konfliktlösung, sondern auf die Strategie der Ablenkung. Ineinander verkeilte Kleinkinder bekommt man - auch das zeigt die Erfahrung - tatsächlich auf diese Weise auseinander, und auch Kinder mit Wutanfällen kann man so manchmal besänftigen. Aber soll das alles an Lösungsmöglichkeiten sein, das ein Kinderbuch zum Thema Streit zu bieten hat?
Wer würde widersprechen, dass miteinander spielen besser ist, als sich in den Arm zu beißen? Jedes Kind weiß das, und trotzdem gibt es Streit. So stellt sich dieses Buch nicht dem Problem, das es aufwirft. Der Fuchs, der den Turm umwarf und den Dachs ins Bein biss, braucht sich hier nicht zu entschuldigen, auch nicht der Dachs, der den Fuchs wüst beschimpfte, obwohl der den Turm gar nicht umwerfen wollte. Der Bär muss ebenfalls nicht darüber nachdenken, warum es unfair ist, wenn zwei gegen einen kämpfen. Das Eichhörnchen dagegen begnügt sich mit der Darstellung der Situation, will aber nicht Schiedsrichter spielen. Fuchs, Dachs, Bär und Eichhörnchen genießen am Ende vergnügt ihr neues Spiel am Fluss. Da kann man nur hoffen, dass sie nicht wieder in Streit geraten: Allein können sie ihr Problem ja nicht lösen.
SILJA VON RAUCHHAUPT
"Kathrin Schärer: "So war das! Nein, so! Nein, so!" Atlantis Verlag, Zürich 2007. 26 S., geb., 13,90 [Euro].
Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Streitende Kleinkinder sind eine Pest. Kathrin Schärer nimmt sich der Sache an. Ihr Buch setzt auf Ablenkung statt auf Konfliktlösung - eine riskante Strategie.
Es geht um Streiten, Raufen und Schuldzuweisungen. Ein unangenehmes Thema? Nicht, wenn es so sympathisch illustriert wird wie in Kathrin Schärers Buch. Ein Dachs, ein Bär und ein Fuchs wollen einen Turm aus Steinen bauen und geraten in Streit. Eine typische Situation im Kinderzimmer, aber mit ungewöhnlichem Verlauf: Statt sofort miteinander zu raufen, erzählen alle Beteiligten erst einmal in Ruhe, wie der Streit entstanden ist.
Das wird sehr schön in Szene gesetzt, indem das Tier, dessen Sicht jeweils dargestellt wird, vor einer Art Flip Board steht und auf seine Version zeigt. Dabei kommt zutage, dass es so viele verschiedene Wahrnehmungen wie Augenpaare gibt - eine Tatsache, die nicht nur Kinder überraschen wird. Doch nachdem alle Tiere ihre Version erzählt haben, fängt die Keilerei erst richtig an. Bis ein Eichhörnchen den Krach nicht mehr ertragen kann: Es wird zum Zeugen, der jetzt seine Sicht zum Besten gibt. Die Reaktion darauf ist jedoch weiteres Streiten. Da fängt das Eichhörnchen mit einem Spiel an, dem sich die anderen bereitwillig anschließen und ihren Konflikt bald vergessen haben. Fazit: Spielen ist schöner als Streiten.
Vor diesem wohlfeilen Ende murmelt das Eichhörnchen aber noch: "Wenn ihr euch nicht zuhört, könnt ihr einander nicht verstehen." Das wirkt klug, aber auch resigniert, schließlich haben alle vorigen Seiten ja gezeigt, dass Zuhören keineswegs zum Verständnis und auch nicht zu irgendeiner Einigung geführt hat. Erst das neue Spiel hat Frieden gebracht. Damit setzt das Buch nicht auf rationale Konfliktlösung, sondern auf die Strategie der Ablenkung. Ineinander verkeilte Kleinkinder bekommt man - auch das zeigt die Erfahrung - tatsächlich auf diese Weise auseinander, und auch Kinder mit Wutanfällen kann man so manchmal besänftigen. Aber soll das alles an Lösungsmöglichkeiten sein, das ein Kinderbuch zum Thema Streit zu bieten hat?
Wer würde widersprechen, dass miteinander spielen besser ist, als sich in den Arm zu beißen? Jedes Kind weiß das, und trotzdem gibt es Streit. So stellt sich dieses Buch nicht dem Problem, das es aufwirft. Der Fuchs, der den Turm umwarf und den Dachs ins Bein biss, braucht sich hier nicht zu entschuldigen, auch nicht der Dachs, der den Fuchs wüst beschimpfte, obwohl der den Turm gar nicht umwerfen wollte. Der Bär muss ebenfalls nicht darüber nachdenken, warum es unfair ist, wenn zwei gegen einen kämpfen. Das Eichhörnchen dagegen begnügt sich mit der Darstellung der Situation, will aber nicht Schiedsrichter spielen. Fuchs, Dachs, Bär und Eichhörnchen genießen am Ende vergnügt ihr neues Spiel am Fluss. Da kann man nur hoffen, dass sie nicht wieder in Streit geraten: Allein können sie ihr Problem ja nicht lösen.
SILJA VON RAUCHHAUPT
"Kathrin Schärer: "So war das! Nein, so! Nein, so!" Atlantis Verlag, Zürich 2007. 26 S., geb., 13,90 [Euro].
Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Toll gemacht, vor allem die Illustrationen gefallen Silja von Rauchhaupt. Wie Fuchs, Dachs und Bär jeder seine Sicht auf einen vorangegangenen Streit schildern und anhand von Skizzen veranschaulichen, das hat in den Augen der Rezensentin einigen Charme. Doch inhaltlich geht sie nicht so ganz d'accord mit Kathrin Schärer. Die lässt ihre Protagonisten Ihren andauernden Konflikt um den Bau eines Spielzeugturms nämlich nicht durch Vernunft, sondern durch Ablenkung lösen. Ob das die richtige Botschaft ist, da ist sich Rauchhaupt nicht so ganz sicher.
© Perlentaucher Medien GmbH
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