Von der Autorin des Bestsellers 'Park Avenue Prinzessinnen'.Exzessive Scheidungspartys, gigantisch inszenierte Taufen, glamouröse Babyshop-Eröffnungen: Hier begegnen sich die superschlanken Schwangeren, die bezaubernd aussehenden West-Village-Jungmamis. Eben die superreichen und perfekt gestylten Society Girls. Witzig, 'bitchy' und martini-trocken berichtet Plum Sykes erneut von den reichen, super-hippen und extra-zickigen Frauen der New-Yorker Upperclass.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2007Es muss immer Kaviar sein
Als Wiedergängerin von Holly Golightly lieferte sie die Inspiration für die Heldin aus "Der Teufel trägt Prada". In erster Linie aber ist Plum Sykes Schriftstellerin. Ihre Romane erzählen sehr witzig von superreichen und superdünnen Frauen am Rande des Zusammenbruchs unter Einkaufstüten. Ein Hausbesuch in London.
Von Felicitas von Lovenberg
Einige Dinge im Leben lernt man nicht von seiner Mutter, so viel steht fest. Vor allem amerikanische Fernsehserien sind zur Lifestyle-Schule der modernen Frauen geworden. Vor drei Jahren, als "Sex and the City" Hunderttausenden von Zuschauerinnen auch diesseits des Atlantiks endlich beibrachte, wer Manolo Blahnik ist, was ein "Brazilian" und wo das angesagte New Yorker Kaufhaus Bergdorf Goodman steht, erschien ein Roman, der solcherlei Basiswissen noch viel witziger, viel exaltierter und viel origineller vermittelte: "Bergdorf Blondes". Das Buch etablierte sich als aktualisierte Version von Capotes "Frühstück bei Tiffany", und es zeigte sich, dass die Autorin mit dem leckeren Namen Plum Sykes nicht nur eine so schicke wie hippe in New York lebende englische Journalistin war, Verfasserin der beliebten Kolumne "Fashion fiction" für die amerikanische "Vogue", sondern auch noch aussah wie eine Mischung aus Audrey Hepburn und Gwyneth Paltrow. Als Darling der amerikanischen Modeszene und Protegé von Anna Wintour war Plum Sykes angeblich das (dünnere, cleverere und stilbewusstere) reale Vorbild für die zunächst hausbackene, dann aufgebrezelte Assistentin der "Runway"-Chefredakteurin aus "Der Teufel trägt Prada".
"Bergdorf Blondes" - der deutsche Titel, "Park Avenue Prinzessinnen", verhält sich dazu wie abgestandener Prosecco zu Champagner - erzählt die überdrehte Geschichte von Julie Bergdorf, der extrem reichen, extrem schlanken und extrem blonden Erbin des gleichnamigen Kaufhauses, und ihrer ihr in Sachen Taschengeld, Chanel-Abhängigkeit und Sauerstoff-Gesichtsbehandlungen deutlich unterlegenen, dafür in Geistesgegenwart und Humor nicht nachstehenden englischen Freundin. Der Roman wird in Mois Tonfall erzählt, die jeden zweiten Satz mit einigen Brocken Französisch garniert und von sich selbst nur als "Moi" redet. Moi gleitet in Julies Yachtkielwasser durch die New Yorker Gesellschaft; ihr Leben dreht sich um das Ankleiden für und das Besuchen von höchst exklusiven Parties, die exakt richtige Blondierung (alle dreizehn Tage aufzufrischen), um Sonderverkäufe bei Chanel und Hermès - und um "ATMs", "PHs" und "PJs". "ATM" steht für Geldautomat, als der ein fester Freund herzuhalten hat, "PHs" steht für "prospective husband", also potentielle Heiratskandidaten, und die "PJs", in denen solche für gewöhnlich daherkommen, sind nicht etwa Schlafanzüge, sondern Privatjets. Begehrter als ein "ATM" ist ein "MIT", worunter nicht ein Studium am renommierten Massachussetts Institute of Technology zu verstehen ist, sondern ein "Mogul im Training".
Bloß keine Toffs!
Nein, sie sind nicht zimperlich in ihren Ansprüchen, die Bergdorf Blondes, aber als Million-Dollar-Babes haben sie ja auch mächtig in ihr Äußeres investiert, und schließlich weiß jeder wirtschaftlich denkende Mann, dass man für den richtigen return on investment erst einmal eine Investition tätigen muss. Moi will aus vier guten Gründen nicht nach England zurück: 1. "Mom", die verlangt, dass sie nach Hause kommt, um dort den Sohn des benachbarten Earls zu ehelichen; 2. "Toffs", stotternde, schnöselige und insgesamt etwas ungelenke britische Aristokraten, die ungeheizte, verfallende Häuser ihr Heim nennen; 3. "Dad", ein zwar liebenswerter, doch angestaubter Antiquitätenhändler; und 4. "Brasilianer" beziehungsweise deren völlige Abwesenheit auf den Behandlungslisten britischer Schönheitssalons. Während Moi sich mit einem allseits begehrten Fotografen verlobt hat, der ihr alsbald das noch nicht durch Ersatzbefriedigungen ausreichend gegen tiefere Gefühle immunisierte Herz bricht, geht Julie die PH-Suche professioneller an. Doch nicht die Handlung, sondern das rasante Tempo, die offensive Neurotik der verwöhnten Protagonistinnen, die süffisanten Dialoge und die unverdünnte Schrillheit des Romans begeisterte die amerikanische Leserschaft ebenso wie die Kritikerin der "New York Times".
Plum Sykes sagt, sie habe den Roman eigentlich nur geschrieben, um sich aufzuheitern - hatte sich doch ihr Verlobter, der amerikanische Künstler Damien Loeb, kurz vor der Hochzeit von ihr getrennt; eine Erfahrung, die Moi ebenfalls machen muss, bevor sie dann aber doch den Richtigen trifft.
Das Kindermädchen macht mir die Tür des Hauses in Notting Hill auf. Plum Sykes und ihr Mann Toby Rowland, ein englischer Unternehmerssohn und Entrepreneur, haben vor fünf Monaten eine Tochter bekommen. Ursula kräht vergnügt in ihrer Babywippe in der Wohnküche, in der ein gesundes Chaos herrscht. Auf dem Esstisch liegt unter anderem das neue Buch von Nora Ephron, "Heartburn", offenbar noch ungelesen, und als ich hereinkomme, ärgert Plum Sykes sich gerade wortreich am Telefon über ein widerspenstiges Aufnahmegerät, das sie am nächsten Tag braucht, um Keira Knightley für die amerikanische "Vogue" zu interviewen. Sie ist groß, freundlich und auf lässige Weise höflich, und im Gegensatz zu dem Ruf als zickige Diva, den ihr die englische Presse verpasst hat, sehr down to earth. Sie setzt Tee auf und führt mich ins Wohnzimmer im ersten Stock. Soeben ist ihr zweites Buch, "The Debutante Divorcee", in deutscher Übersetzung unter dem matten Titel "Society Girls" erschienen, und Plum strahlt, als sie erzählt, dass der Goldmann Verlag innerhalb von nur zwei Wochen zwanzigtausend Exemplare verkauft hat.
Meine erste Begegnung mit den "Bergdorf Blondes" vor Jahren war eine Art Blind Date gewesen. Die amerikanische Originalausgabe von Plum Sykes' Debütroman fiel aus einem Umschlag, als dessen Absender sich niemand Geringerer als der Schriftsteller Ernst-Wilhelm Händler herausstellte, der sich mit Werken wie "Sturm", "Wenn wir sterben" oder zuletzt "Die Frau des Schriftstellers" den Rang eines kapitalen literarischen Analytikers der Wirtschaftswelt erschrieben hat. Er fügte seiner Post keine großen Erklärungen bei, sondern vermerkte lediglich, er glaube, "Bergdorf Blondes" könnte mir gefallen. Nun nochmals angesprochen auf seine damalige Empfehlung, sagt Händler, Plum Sykes sei für ihn eine der wenigen Autorinnen des Frauenliteratur-Genres, dem, was die Engländer "Chick-Lit" nennen und hier eher "Chic Lit"heißen müsste, die standhalten könne.
In der Tat besitzt Plum Sykes, die eigentlich Victoria heißt und als Mädchen wegen der nach Queen Victoria benannten Pflaume ihren Rufnamen verpasst bekam, ein feines Gespür für jene winzigen Veränderungen in Lebenseinstellungen, Meinungen und Haltungen von ihresgleichen, die sich oft erst viel später zu gesamtgesellschaftlichen Phänomenen verdichten. "The Debutante Divorcee", analog zum "BB"-Kürzel der "Bergdorf Blondes" "DD" genannt, basiert auf der Beobachtung, dass Scheidungen ihr soziales Stigma verloren haben, ja sich immer mehr von der Niederlage in einen Sieg verwandeln. Aus den geächteten und betuschelten Verliererinnen der Zweisamkeit sind in Amerika die neuen "It-Girls" geworden: selbstbewusste, erfolgreiche und eigenständige Frauen, die ihre finanzielle und erotische Freiheit in vollen Zügen genießen. Plum Sykes bestätigt, dass die atemberaubenden Frischgeschiedenen in ihren Dreißigern und Vierzigern den angestrengt nach potentiellen Heiratskandidaten suchenden jüngeren Frauen in New York allemal die Schau stehlen. Kein Wunder, dass sich die Verhältnisse umkehren: "Neuerdings legen verheiratete New Yorkerinnen beinahe genauso viel Eifer an den Tag, ihre Ehemänner zu verlieren, wie sie es zuvor getan haben, um sie zu finden."
Im neuen Roman geht es erneut um zwei Frauen, von denen die erzählende, ganz wie zuvor Moi, aus realistischeren Verhältnissen als die durch ihren Sonnenbrillenblick geschilderte Freundin stammt. Außerdem ist Sylvia Mortimer überaus glücklich frisch verheiratet - ebenso wie Plum Sykes selbst, als sie den Roman schrieb. Auf der Hochzeitsreise lernt Sylvia Lauren Blount kennen, die im schicken mexikanischen Badeort Careyes ihre Scheidungsflitterwochen verbringt: "Sie wissen ja, wie das in Careyes so ist - innerhalb von fünf Minuten ist man dick befreundet, nur weil beide Mädels einen Bikini von Pucci tragen." Der Roman schildert, wie Lauren sich nach allerhand vom frischgeschiedenen Hochgefühl beflügelten Eskapaden zum ersten Mal wirklich verliebt - natürlich in einen geheimnisvollen und in jeglicher, auch finanzieller Hinsicht außerordentlich kapitalen Burschen - und ihrer Freundin so schließlich im glücklichen Stand der Ehe Gesellschaft leistet. "Nachdem sie eine Weile ihren unzensierten Spaß hatten, wollen alle Geschiedenen wieder heiraten", bemerkt Plum. Sie selbst habe aber nicht vor, es so weit kommen zu lassen. Da die "DDs" doch gewissermaßen die "BBs" in einem fortgeschrittenem Stadium sind, schlage ich ihr vor, doch als nächstes den "yummy mummies", den berufstätigen Müttern, denen über Kinderfläschchen und Windeln Stil und Glamour keineswegs abhandengekommen sind, eine intelligente und witzige Romanbehandlung zukommen zu lassen. Plum seufzt. Diese Forderung hört sie nicht zum ersten Mal. "Wenn es gut läuft, geben Eheleben und Elternschaft keinen guten Dramenstoff ab. Dann liefern sie aber auch keine gute Vorlage für Komödien. Und wenn es schlecht läuft - nun, darüber ist schon reichlich geschrieben worden. Weder als Leserin noch als Autorin will ich mich scheiternden Ehen und unglücklichen Kindern widmen."
Was sie interessiere, fährt Plum Sykes fort und knabbert nachdenklich an einem Haferkeks, seien glamouröse Frauen, die höchst erfahren und anspruchsvoll seien, wenn es um Gegenstände gehe, aber völlig unerfahren und ahnungslos, was das wahre Leben betrifft. "Das ist die Welt, in der ich mich auskenne", sagt sie, "und dort gibt es ein ungeheures Potential für Komik." Komisch sind ihre Bücher wirklich, so sehr, dass man immer wieder laut auflacht kann - wem das Lachen nicht vor lauter bourgeois-pikiertem Entsetzen über die zupackende Schilderung und Ungezogenheiten der Heldinnen nicht im Hals steckenbleibt.
Europa liest anders.
Die in Dekadenz schwelgende, aller materiellen Sorgen enthobene Jeunesse platinée, die Sykes in Stilettos aufmarschieren lässt, ist keine Erbauungslektüre für Hartz-IV-Empfänger - oder gerade doch? In Amerika, erzählt Plum, seien ihre Bücher besser verstanden worden als in Europa, wo noch immer Klassenbewusstsein und Geldadelallergie vorherrschen. Hier nehme man alles für bare Münze, während die schicken New Yorkerinnen, die sich in den Figuren wiederfanden, äußerst geschmeichelt gewesen seien - und außerdem seien viele nach der Lektüre in eine regelrechte Einkaufseuphorie verfallen. In Europa hingegen sei die Rezeption von Neid bestimmt. Was Leser in Palm Beach entweder als clevere Ausschmückung des amerikanischen Traums begriffen oder als humoristisch-eskapistische Unterhaltungsliteratur gelesen habe, sei in London als Glorifizierung eines vulgären Lebensstils verdammt worden.
Gerade in Plums englischer Heimat, wo man in gewissen Kreisen nach wie vor nichts davon hält, über Gefühle zu sprechen, müsste es eigentlich ein Grundverständnis für die Bergdorf Blondes geben, die auf emotionale Probleme geradezu reflexhaft mit materiellen Ablenkungsmanövern reagieren. Dass Mode und Konsum von einer Hedonistenbeschäftigung zu einem internationalen Code, zu einer weltweiten Kommunikationsform geworden sind, ist jedenfalls kein Phänomen, das sich allein in Amerika beobachten lässt. Kritik an den Auswüchsen des Überflusses üben viele; zum Lachen darüber bringen nur wenige. Möglicherweise wird das dritte Buch, zu dem die Autorin bereits ordnerweise Vorarbeiten in ihrem Londoner Keller gehortet hat, in England spielen. Immerhin wollen Plum Sykes und ihr Mann, die zwischen New York und London pendeln, hier künftig mehr Zeit verbringen. Und vielleicht werden sogar Kinder darin vorkommen. "Aber nur", sagt Plum Sykes streng, "wenn ich Humor daraus ziehen kann."
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als Wiedergängerin von Holly Golightly lieferte sie die Inspiration für die Heldin aus "Der Teufel trägt Prada". In erster Linie aber ist Plum Sykes Schriftstellerin. Ihre Romane erzählen sehr witzig von superreichen und superdünnen Frauen am Rande des Zusammenbruchs unter Einkaufstüten. Ein Hausbesuch in London.
Von Felicitas von Lovenberg
Einige Dinge im Leben lernt man nicht von seiner Mutter, so viel steht fest. Vor allem amerikanische Fernsehserien sind zur Lifestyle-Schule der modernen Frauen geworden. Vor drei Jahren, als "Sex and the City" Hunderttausenden von Zuschauerinnen auch diesseits des Atlantiks endlich beibrachte, wer Manolo Blahnik ist, was ein "Brazilian" und wo das angesagte New Yorker Kaufhaus Bergdorf Goodman steht, erschien ein Roman, der solcherlei Basiswissen noch viel witziger, viel exaltierter und viel origineller vermittelte: "Bergdorf Blondes". Das Buch etablierte sich als aktualisierte Version von Capotes "Frühstück bei Tiffany", und es zeigte sich, dass die Autorin mit dem leckeren Namen Plum Sykes nicht nur eine so schicke wie hippe in New York lebende englische Journalistin war, Verfasserin der beliebten Kolumne "Fashion fiction" für die amerikanische "Vogue", sondern auch noch aussah wie eine Mischung aus Audrey Hepburn und Gwyneth Paltrow. Als Darling der amerikanischen Modeszene und Protegé von Anna Wintour war Plum Sykes angeblich das (dünnere, cleverere und stilbewusstere) reale Vorbild für die zunächst hausbackene, dann aufgebrezelte Assistentin der "Runway"-Chefredakteurin aus "Der Teufel trägt Prada".
"Bergdorf Blondes" - der deutsche Titel, "Park Avenue Prinzessinnen", verhält sich dazu wie abgestandener Prosecco zu Champagner - erzählt die überdrehte Geschichte von Julie Bergdorf, der extrem reichen, extrem schlanken und extrem blonden Erbin des gleichnamigen Kaufhauses, und ihrer ihr in Sachen Taschengeld, Chanel-Abhängigkeit und Sauerstoff-Gesichtsbehandlungen deutlich unterlegenen, dafür in Geistesgegenwart und Humor nicht nachstehenden englischen Freundin. Der Roman wird in Mois Tonfall erzählt, die jeden zweiten Satz mit einigen Brocken Französisch garniert und von sich selbst nur als "Moi" redet. Moi gleitet in Julies Yachtkielwasser durch die New Yorker Gesellschaft; ihr Leben dreht sich um das Ankleiden für und das Besuchen von höchst exklusiven Parties, die exakt richtige Blondierung (alle dreizehn Tage aufzufrischen), um Sonderverkäufe bei Chanel und Hermès - und um "ATMs", "PHs" und "PJs". "ATM" steht für Geldautomat, als der ein fester Freund herzuhalten hat, "PHs" steht für "prospective husband", also potentielle Heiratskandidaten, und die "PJs", in denen solche für gewöhnlich daherkommen, sind nicht etwa Schlafanzüge, sondern Privatjets. Begehrter als ein "ATM" ist ein "MIT", worunter nicht ein Studium am renommierten Massachussetts Institute of Technology zu verstehen ist, sondern ein "Mogul im Training".
Bloß keine Toffs!
Nein, sie sind nicht zimperlich in ihren Ansprüchen, die Bergdorf Blondes, aber als Million-Dollar-Babes haben sie ja auch mächtig in ihr Äußeres investiert, und schließlich weiß jeder wirtschaftlich denkende Mann, dass man für den richtigen return on investment erst einmal eine Investition tätigen muss. Moi will aus vier guten Gründen nicht nach England zurück: 1. "Mom", die verlangt, dass sie nach Hause kommt, um dort den Sohn des benachbarten Earls zu ehelichen; 2. "Toffs", stotternde, schnöselige und insgesamt etwas ungelenke britische Aristokraten, die ungeheizte, verfallende Häuser ihr Heim nennen; 3. "Dad", ein zwar liebenswerter, doch angestaubter Antiquitätenhändler; und 4. "Brasilianer" beziehungsweise deren völlige Abwesenheit auf den Behandlungslisten britischer Schönheitssalons. Während Moi sich mit einem allseits begehrten Fotografen verlobt hat, der ihr alsbald das noch nicht durch Ersatzbefriedigungen ausreichend gegen tiefere Gefühle immunisierte Herz bricht, geht Julie die PH-Suche professioneller an. Doch nicht die Handlung, sondern das rasante Tempo, die offensive Neurotik der verwöhnten Protagonistinnen, die süffisanten Dialoge und die unverdünnte Schrillheit des Romans begeisterte die amerikanische Leserschaft ebenso wie die Kritikerin der "New York Times".
Plum Sykes sagt, sie habe den Roman eigentlich nur geschrieben, um sich aufzuheitern - hatte sich doch ihr Verlobter, der amerikanische Künstler Damien Loeb, kurz vor der Hochzeit von ihr getrennt; eine Erfahrung, die Moi ebenfalls machen muss, bevor sie dann aber doch den Richtigen trifft.
Das Kindermädchen macht mir die Tür des Hauses in Notting Hill auf. Plum Sykes und ihr Mann Toby Rowland, ein englischer Unternehmerssohn und Entrepreneur, haben vor fünf Monaten eine Tochter bekommen. Ursula kräht vergnügt in ihrer Babywippe in der Wohnküche, in der ein gesundes Chaos herrscht. Auf dem Esstisch liegt unter anderem das neue Buch von Nora Ephron, "Heartburn", offenbar noch ungelesen, und als ich hereinkomme, ärgert Plum Sykes sich gerade wortreich am Telefon über ein widerspenstiges Aufnahmegerät, das sie am nächsten Tag braucht, um Keira Knightley für die amerikanische "Vogue" zu interviewen. Sie ist groß, freundlich und auf lässige Weise höflich, und im Gegensatz zu dem Ruf als zickige Diva, den ihr die englische Presse verpasst hat, sehr down to earth. Sie setzt Tee auf und führt mich ins Wohnzimmer im ersten Stock. Soeben ist ihr zweites Buch, "The Debutante Divorcee", in deutscher Übersetzung unter dem matten Titel "Society Girls" erschienen, und Plum strahlt, als sie erzählt, dass der Goldmann Verlag innerhalb von nur zwei Wochen zwanzigtausend Exemplare verkauft hat.
Meine erste Begegnung mit den "Bergdorf Blondes" vor Jahren war eine Art Blind Date gewesen. Die amerikanische Originalausgabe von Plum Sykes' Debütroman fiel aus einem Umschlag, als dessen Absender sich niemand Geringerer als der Schriftsteller Ernst-Wilhelm Händler herausstellte, der sich mit Werken wie "Sturm", "Wenn wir sterben" oder zuletzt "Die Frau des Schriftstellers" den Rang eines kapitalen literarischen Analytikers der Wirtschaftswelt erschrieben hat. Er fügte seiner Post keine großen Erklärungen bei, sondern vermerkte lediglich, er glaube, "Bergdorf Blondes" könnte mir gefallen. Nun nochmals angesprochen auf seine damalige Empfehlung, sagt Händler, Plum Sykes sei für ihn eine der wenigen Autorinnen des Frauenliteratur-Genres, dem, was die Engländer "Chick-Lit" nennen und hier eher "Chic Lit"heißen müsste, die standhalten könne.
In der Tat besitzt Plum Sykes, die eigentlich Victoria heißt und als Mädchen wegen der nach Queen Victoria benannten Pflaume ihren Rufnamen verpasst bekam, ein feines Gespür für jene winzigen Veränderungen in Lebenseinstellungen, Meinungen und Haltungen von ihresgleichen, die sich oft erst viel später zu gesamtgesellschaftlichen Phänomenen verdichten. "The Debutante Divorcee", analog zum "BB"-Kürzel der "Bergdorf Blondes" "DD" genannt, basiert auf der Beobachtung, dass Scheidungen ihr soziales Stigma verloren haben, ja sich immer mehr von der Niederlage in einen Sieg verwandeln. Aus den geächteten und betuschelten Verliererinnen der Zweisamkeit sind in Amerika die neuen "It-Girls" geworden: selbstbewusste, erfolgreiche und eigenständige Frauen, die ihre finanzielle und erotische Freiheit in vollen Zügen genießen. Plum Sykes bestätigt, dass die atemberaubenden Frischgeschiedenen in ihren Dreißigern und Vierzigern den angestrengt nach potentiellen Heiratskandidaten suchenden jüngeren Frauen in New York allemal die Schau stehlen. Kein Wunder, dass sich die Verhältnisse umkehren: "Neuerdings legen verheiratete New Yorkerinnen beinahe genauso viel Eifer an den Tag, ihre Ehemänner zu verlieren, wie sie es zuvor getan haben, um sie zu finden."
Im neuen Roman geht es erneut um zwei Frauen, von denen die erzählende, ganz wie zuvor Moi, aus realistischeren Verhältnissen als die durch ihren Sonnenbrillenblick geschilderte Freundin stammt. Außerdem ist Sylvia Mortimer überaus glücklich frisch verheiratet - ebenso wie Plum Sykes selbst, als sie den Roman schrieb. Auf der Hochzeitsreise lernt Sylvia Lauren Blount kennen, die im schicken mexikanischen Badeort Careyes ihre Scheidungsflitterwochen verbringt: "Sie wissen ja, wie das in Careyes so ist - innerhalb von fünf Minuten ist man dick befreundet, nur weil beide Mädels einen Bikini von Pucci tragen." Der Roman schildert, wie Lauren sich nach allerhand vom frischgeschiedenen Hochgefühl beflügelten Eskapaden zum ersten Mal wirklich verliebt - natürlich in einen geheimnisvollen und in jeglicher, auch finanzieller Hinsicht außerordentlich kapitalen Burschen - und ihrer Freundin so schließlich im glücklichen Stand der Ehe Gesellschaft leistet. "Nachdem sie eine Weile ihren unzensierten Spaß hatten, wollen alle Geschiedenen wieder heiraten", bemerkt Plum. Sie selbst habe aber nicht vor, es so weit kommen zu lassen. Da die "DDs" doch gewissermaßen die "BBs" in einem fortgeschrittenem Stadium sind, schlage ich ihr vor, doch als nächstes den "yummy mummies", den berufstätigen Müttern, denen über Kinderfläschchen und Windeln Stil und Glamour keineswegs abhandengekommen sind, eine intelligente und witzige Romanbehandlung zukommen zu lassen. Plum seufzt. Diese Forderung hört sie nicht zum ersten Mal. "Wenn es gut läuft, geben Eheleben und Elternschaft keinen guten Dramenstoff ab. Dann liefern sie aber auch keine gute Vorlage für Komödien. Und wenn es schlecht läuft - nun, darüber ist schon reichlich geschrieben worden. Weder als Leserin noch als Autorin will ich mich scheiternden Ehen und unglücklichen Kindern widmen."
Was sie interessiere, fährt Plum Sykes fort und knabbert nachdenklich an einem Haferkeks, seien glamouröse Frauen, die höchst erfahren und anspruchsvoll seien, wenn es um Gegenstände gehe, aber völlig unerfahren und ahnungslos, was das wahre Leben betrifft. "Das ist die Welt, in der ich mich auskenne", sagt sie, "und dort gibt es ein ungeheures Potential für Komik." Komisch sind ihre Bücher wirklich, so sehr, dass man immer wieder laut auflacht kann - wem das Lachen nicht vor lauter bourgeois-pikiertem Entsetzen über die zupackende Schilderung und Ungezogenheiten der Heldinnen nicht im Hals steckenbleibt.
Europa liest anders.
Die in Dekadenz schwelgende, aller materiellen Sorgen enthobene Jeunesse platinée, die Sykes in Stilettos aufmarschieren lässt, ist keine Erbauungslektüre für Hartz-IV-Empfänger - oder gerade doch? In Amerika, erzählt Plum, seien ihre Bücher besser verstanden worden als in Europa, wo noch immer Klassenbewusstsein und Geldadelallergie vorherrschen. Hier nehme man alles für bare Münze, während die schicken New Yorkerinnen, die sich in den Figuren wiederfanden, äußerst geschmeichelt gewesen seien - und außerdem seien viele nach der Lektüre in eine regelrechte Einkaufseuphorie verfallen. In Europa hingegen sei die Rezeption von Neid bestimmt. Was Leser in Palm Beach entweder als clevere Ausschmückung des amerikanischen Traums begriffen oder als humoristisch-eskapistische Unterhaltungsliteratur gelesen habe, sei in London als Glorifizierung eines vulgären Lebensstils verdammt worden.
Gerade in Plums englischer Heimat, wo man in gewissen Kreisen nach wie vor nichts davon hält, über Gefühle zu sprechen, müsste es eigentlich ein Grundverständnis für die Bergdorf Blondes geben, die auf emotionale Probleme geradezu reflexhaft mit materiellen Ablenkungsmanövern reagieren. Dass Mode und Konsum von einer Hedonistenbeschäftigung zu einem internationalen Code, zu einer weltweiten Kommunikationsform geworden sind, ist jedenfalls kein Phänomen, das sich allein in Amerika beobachten lässt. Kritik an den Auswüchsen des Überflusses üben viele; zum Lachen darüber bringen nur wenige. Möglicherweise wird das dritte Buch, zu dem die Autorin bereits ordnerweise Vorarbeiten in ihrem Londoner Keller gehortet hat, in England spielen. Immerhin wollen Plum Sykes und ihr Mann, die zwischen New York und London pendeln, hier künftig mehr Zeit verbringen. Und vielleicht werden sogar Kinder darin vorkommen. "Aber nur", sagt Plum Sykes streng, "wenn ich Humor daraus ziehen kann."
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main