Produktdetails
- Verlag: Carlsen
- Seitenzahl: 175
- Altersempfehlung: 12 bis 15 Jahre
- Abmessung: 220mm
- Gewicht: 338g
- ISBN-13: 9783551580436
- ISBN-10: 355158043X
- Artikelnr.: 23930409
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.1999Die ganze Traurigkeit des Morgenrocks
Manchmal gibt es auch Freunde in der eigenen Familie: Adele Griffin lässt zwei Söhne ihre Freiheit erobern
Noch nicht einmal in den Nächten ist es ruhig im Haus der Familie Kindle. Die Kindles leben in Sheffield, im Bundesstaat Connecticut, in einem zugigen Haus, in dem das Plitsch-Platsch der Regentropfen in die aufgestellten Plastikeimer schon längst dazu gehört. Nachts weckt der Vater seine beiden Söhne, Cliff und Rock, und brummt ihnen Arbeiten auf: Dachschindeln sollen sie ersetzen oder die Tücken eines Automotors verstehen lernen. Doch die gestörten Nächte sind keine bloße Tyrannei. Auch Vater Kindle möchte nur das Beste für seine Kinder. Deshalb sollen sie frühzeitig lernen, hart zu sein, vor allem gegen sich selbst. Die Söhne gehorchen: Cliff, der ältere, mit zunehmender Renitenz, Rock als kleiner Bruder mit noch intensivem Glauben an die Autorität des Vaters. Ihre von Angstneurosen geplagte Mutter ist zu schwach, um in der Rolle der gütigen Vermittlerin zu brillieren. Und dann ist da auch die kleine Schwester Brontie, die noch so oft ins Bett macht. Das sind die Kindles - eine materiell und emotional darbende Familie.
Eine ängstlich-depressive Atmosphäre, wie sie in den besten Familien vorkommt, liegt über ihrem Haushalt. Adele Griffin erzählt davon so plastisch, dass man den ängstlichen Herzschlag der Figuren und ihren vor Aufregung säuerlichen Atem zu spüren meint. Es ist eine spannende Geschichte, die nichts wirklich Spannendes erzählt, eine Anti-Familien-Idylle, die zum Kriminalroman anschwillt. Vor allem lassen die unverbrauchten und sinnlichen Bilder, die Adele Griffin zum Vergleich heranzieht, das Erzählte dicht und warm erscheinen. Da heißt es von Mutter Kindle, dass sie in ihrem weichen Flanellmorgenrock so schmucklos und schlabberig wirke wie ein früher heiß geliebtes Stofftier, das man erfreut und gleichzeitig beschämt wieder entdeckt. Oder ein braun gebrannter pummeliger Mitschüler wird mit einem weichen faulen Apfel verglichen.
Von der ersten Seite an versteht es die Autorin, eine unheilvolle Spannung aufzubauen, die sich aber nicht krachend entlädt, sondern behutsam zu ihrem vorläufigen Ende geführt wird. Als Parallelhandlung fungiert die Geschichte um die freche Liza, ein Kind aus der Nachbarschaft. Sie hat es noch härter getroffen als die Kindle-Brüder. Ihr Stiefvater verdrischt sie regelmäßig aus geringstem Anlass. Das löst wiederum bei dem Kind unbändige Aggressionen aus. Liza schlägt sich durchs Leben.
Adele Griffin schreibt über körperliche und seelische Blessuren, die man aus der eigenen Familie davonträgt. Nicht dogmatisch, sondern liebevoll und behutsam erzählt sie vom Kampf gegen die Wehrlosigkeit und vom Mut zum Ausbruch. Rettung winkt längst nicht überall, aber Freunde, die es ja auch in der Familie geben kann, erleichtern zuweilen das Leben, ist die Botschaft der Autorin. Doch nichts wirkt pädagogisch aufbereitet. Es wird einfach erzählt, wie es zugehen kann im Mikrokosmos Familie. Dabei zeigt Adele Griffin genaues Gespür für Familienrivalitäten. Besonders die Schilderung des brüderlichen Zwistes ist beeindruckend nah an der Wirklichkeit von Geschwister-Konflikten. Auch der Hass auf die Mutter, die nicht ist, wie eine Mutter nun einmal sein sollte, wird schonungslos und anrührend zugleich beschrieben. In der Ambivalenz zwischen kindlicher Grausamkeit und jugendlicher Einsicht liegt der zartbittere Reiz der Geschichte.
SHIRIN SOJITRAWALLA
Adele Griffin: "Söhne der Freiheit". Aus dem Amerikanischen von Brigitte Jakobeit. Carlsen Verlag, Hamburg 1999. 176 S., geb., 26,- DM. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Manchmal gibt es auch Freunde in der eigenen Familie: Adele Griffin lässt zwei Söhne ihre Freiheit erobern
Noch nicht einmal in den Nächten ist es ruhig im Haus der Familie Kindle. Die Kindles leben in Sheffield, im Bundesstaat Connecticut, in einem zugigen Haus, in dem das Plitsch-Platsch der Regentropfen in die aufgestellten Plastikeimer schon längst dazu gehört. Nachts weckt der Vater seine beiden Söhne, Cliff und Rock, und brummt ihnen Arbeiten auf: Dachschindeln sollen sie ersetzen oder die Tücken eines Automotors verstehen lernen. Doch die gestörten Nächte sind keine bloße Tyrannei. Auch Vater Kindle möchte nur das Beste für seine Kinder. Deshalb sollen sie frühzeitig lernen, hart zu sein, vor allem gegen sich selbst. Die Söhne gehorchen: Cliff, der ältere, mit zunehmender Renitenz, Rock als kleiner Bruder mit noch intensivem Glauben an die Autorität des Vaters. Ihre von Angstneurosen geplagte Mutter ist zu schwach, um in der Rolle der gütigen Vermittlerin zu brillieren. Und dann ist da auch die kleine Schwester Brontie, die noch so oft ins Bett macht. Das sind die Kindles - eine materiell und emotional darbende Familie.
Eine ängstlich-depressive Atmosphäre, wie sie in den besten Familien vorkommt, liegt über ihrem Haushalt. Adele Griffin erzählt davon so plastisch, dass man den ängstlichen Herzschlag der Figuren und ihren vor Aufregung säuerlichen Atem zu spüren meint. Es ist eine spannende Geschichte, die nichts wirklich Spannendes erzählt, eine Anti-Familien-Idylle, die zum Kriminalroman anschwillt. Vor allem lassen die unverbrauchten und sinnlichen Bilder, die Adele Griffin zum Vergleich heranzieht, das Erzählte dicht und warm erscheinen. Da heißt es von Mutter Kindle, dass sie in ihrem weichen Flanellmorgenrock so schmucklos und schlabberig wirke wie ein früher heiß geliebtes Stofftier, das man erfreut und gleichzeitig beschämt wieder entdeckt. Oder ein braun gebrannter pummeliger Mitschüler wird mit einem weichen faulen Apfel verglichen.
Von der ersten Seite an versteht es die Autorin, eine unheilvolle Spannung aufzubauen, die sich aber nicht krachend entlädt, sondern behutsam zu ihrem vorläufigen Ende geführt wird. Als Parallelhandlung fungiert die Geschichte um die freche Liza, ein Kind aus der Nachbarschaft. Sie hat es noch härter getroffen als die Kindle-Brüder. Ihr Stiefvater verdrischt sie regelmäßig aus geringstem Anlass. Das löst wiederum bei dem Kind unbändige Aggressionen aus. Liza schlägt sich durchs Leben.
Adele Griffin schreibt über körperliche und seelische Blessuren, die man aus der eigenen Familie davonträgt. Nicht dogmatisch, sondern liebevoll und behutsam erzählt sie vom Kampf gegen die Wehrlosigkeit und vom Mut zum Ausbruch. Rettung winkt längst nicht überall, aber Freunde, die es ja auch in der Familie geben kann, erleichtern zuweilen das Leben, ist die Botschaft der Autorin. Doch nichts wirkt pädagogisch aufbereitet. Es wird einfach erzählt, wie es zugehen kann im Mikrokosmos Familie. Dabei zeigt Adele Griffin genaues Gespür für Familienrivalitäten. Besonders die Schilderung des brüderlichen Zwistes ist beeindruckend nah an der Wirklichkeit von Geschwister-Konflikten. Auch der Hass auf die Mutter, die nicht ist, wie eine Mutter nun einmal sein sollte, wird schonungslos und anrührend zugleich beschrieben. In der Ambivalenz zwischen kindlicher Grausamkeit und jugendlicher Einsicht liegt der zartbittere Reiz der Geschichte.
SHIRIN SOJITRAWALLA
Adele Griffin: "Söhne der Freiheit". Aus dem Amerikanischen von Brigitte Jakobeit. Carlsen Verlag, Hamburg 1999. 176 S., geb., 26,- DM. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main