Sofie wäre bestimmt froh gewesen, dieses Lexikon zu besitzen. Knapp 130 Namen und Begriffe von Albertus Magnus bis Zenon von Kition werden von Otto A. Böhmer im leichten Erzählton beschrieben, nicht ohne Sinn für das Zufällige und manchmal Komische, aber auch nicht ohne leise Kritik an Personen und Zeit. Entstanden ist ein philosophisches Handbuch sowohl zum schnellen Nachschlagen wie auch EIN echtes Schmökerbuch der Philosophie. Zitat- und Seitenangaben am Ende eines jeden Beitrags verweisen auf den Roman. "Knapp, präzise, vorbildlich." DER TAGESSPIEGEL
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.1997Auf dem Traktätchengipfel
Lieber Derrick als Wittgenstein: Otto A. Böhmer klettert durch "Sofies Lexikon"
Jostein Gaarder hatte noch sechshundert Seiten gebraucht, um in "Sofies Welt" die Geschichte der Philosophie von den Vorsokratikern bis zur Urknalltheorie zu erzählen. Otto A. Böhmer hat nun im Anschluß an Gaarder ein Nachschlagewerk unter dem Titel "Sofies Lexikon" verfaßt, das diese Aufgabe auf gerade hundertfünfzig Seiten erfüllt. Mit der Beschleunigung des Vorgehens geht ein Wechsel des Stils einher: Während Gaarder sich in nordländischer Gemächlichkeit noch Zeit für eine Romanhandlung nahm, werden in Böhmers "Lexikon" rund hundertdreißig Personen und Begriffe zackig nach dem Alphabet aufgereiht. Gaarder neigte zur Erbaulichkeit: Der Vater einer Romanfigur dient im UN-Friedenskorps im Libanon, und es werden hier und da Denker lobend hervorgehoben, die als Vorkämpfer der Frauenemanzipation gelten dürfen. Allerdings muß sich auch bei ihm das Mädchen Sofie von einem Alberto belehren lassen.
"Sofies Lexikon" dagegen wird von einem Tonfall scherzhaften Besserwissens durchzogen; bei genauerer Betrachtung erweist sich dieses Wissen jedoch als durchaus lückenhaft: Da Böhmer sein Lexikon als Begleitwerk zu "Sofies Welt" anlegt, kann er nur erläutern, was Gaarder in seinem Roman erwähnt. So gibt es keinen Artikel zu Ludwig Wittgenstein, der sich mit zwei Sätzen unter "Analytische Philosophie" begnügen muß. Dagegen wird Kommissar Derrick ausführlich für seine "Beiträge zur Phänomenologie des Bösen" gefeiert. Ist das noch witzig oder schon krampfhaft? Auch der Begriff "Sprache" wird nicht behandelt, all seiner philosophischen Bedeutung zum Trotz; zum Ausgleich dürfen wir aber einige wenig inspirierende Zeilen zum Thema "Inspiration" lesen. Unter "Shakespeare" erfahren wir dagegen, daß dieser uns "eine Fülle blitzgescheiter Einsichten bescherte, die für die Philosophie selbst allerdings nicht sonderlich schmeichelhaft ausfallen": Sie sei kaum mehr als der "Winter unseres Mißvergnügens". Daß sich dieses Zitat aus "Richard III." keineswegs auf die Philosophie bezieht, stört Böhmer nicht. Hier ist nun der Rezensent auf dem Gipfel seines Mißvergnügens angelangt.
Anekdotisches und Informatives stehen insgesamt bei Böhmer in keinem guten Verhältnis: Wir erfahren zwar, daß Hume als junger Mann hochaufgeschossen und schwächlich war. Daß sich aber Philosophen seit der Antike auch damit beschäftigten, was Kunst sei, bleibt ausgespart, weil Ästhetik bei Gaarder keine Rolle spielt. In den Anmerkungen wird allein auf "Sofies Welt" verwiesen, als ob Gaarders Roman die heilige Schrift des okzidentalen Denkens darstellte. Der erbauliche Traktat ist nun um ein lehrhaftes Traktätchen ergänzt. So bleibt unklar, ob "Sofies Lexikon" ein eigenständiges Werk ist oder doch nur ein Begleitband. Im ersten Falle wäre es zu dürftig und durch seine Kürze oft eher verwirrend für den, der nicht schon Bescheid weiß. Als Ergänzung zu "Sofies Welt" gelesen, erscheinen viele der Artikel nur als Variationen auf das, was Gaarder schon ausführlicher erörterte.
Die wißbegierigen Sofien dieser Welt und ihre Brüder sollten wohl besser klassische Texte der Philosophen lesen, und gegebenenfalls im Brockhaus nachschlagen. Schließlich gibt es auch neuere Einführungen in das Philosophieren wie Thomas Nagels "Was bedeutet das alles?", die sich primär an den großen Fragen orientieren und nicht an humorig aufbereiteten Antworten. NIKOLAUS GRAMM
Otto A. Böhmer: "Sofies Lexikon". Hanser Verlag, München 1997. 160 S., br., 20,- DM. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lieber Derrick als Wittgenstein: Otto A. Böhmer klettert durch "Sofies Lexikon"
Jostein Gaarder hatte noch sechshundert Seiten gebraucht, um in "Sofies Welt" die Geschichte der Philosophie von den Vorsokratikern bis zur Urknalltheorie zu erzählen. Otto A. Böhmer hat nun im Anschluß an Gaarder ein Nachschlagewerk unter dem Titel "Sofies Lexikon" verfaßt, das diese Aufgabe auf gerade hundertfünfzig Seiten erfüllt. Mit der Beschleunigung des Vorgehens geht ein Wechsel des Stils einher: Während Gaarder sich in nordländischer Gemächlichkeit noch Zeit für eine Romanhandlung nahm, werden in Böhmers "Lexikon" rund hundertdreißig Personen und Begriffe zackig nach dem Alphabet aufgereiht. Gaarder neigte zur Erbaulichkeit: Der Vater einer Romanfigur dient im UN-Friedenskorps im Libanon, und es werden hier und da Denker lobend hervorgehoben, die als Vorkämpfer der Frauenemanzipation gelten dürfen. Allerdings muß sich auch bei ihm das Mädchen Sofie von einem Alberto belehren lassen.
"Sofies Lexikon" dagegen wird von einem Tonfall scherzhaften Besserwissens durchzogen; bei genauerer Betrachtung erweist sich dieses Wissen jedoch als durchaus lückenhaft: Da Böhmer sein Lexikon als Begleitwerk zu "Sofies Welt" anlegt, kann er nur erläutern, was Gaarder in seinem Roman erwähnt. So gibt es keinen Artikel zu Ludwig Wittgenstein, der sich mit zwei Sätzen unter "Analytische Philosophie" begnügen muß. Dagegen wird Kommissar Derrick ausführlich für seine "Beiträge zur Phänomenologie des Bösen" gefeiert. Ist das noch witzig oder schon krampfhaft? Auch der Begriff "Sprache" wird nicht behandelt, all seiner philosophischen Bedeutung zum Trotz; zum Ausgleich dürfen wir aber einige wenig inspirierende Zeilen zum Thema "Inspiration" lesen. Unter "Shakespeare" erfahren wir dagegen, daß dieser uns "eine Fülle blitzgescheiter Einsichten bescherte, die für die Philosophie selbst allerdings nicht sonderlich schmeichelhaft ausfallen": Sie sei kaum mehr als der "Winter unseres Mißvergnügens". Daß sich dieses Zitat aus "Richard III." keineswegs auf die Philosophie bezieht, stört Böhmer nicht. Hier ist nun der Rezensent auf dem Gipfel seines Mißvergnügens angelangt.
Anekdotisches und Informatives stehen insgesamt bei Böhmer in keinem guten Verhältnis: Wir erfahren zwar, daß Hume als junger Mann hochaufgeschossen und schwächlich war. Daß sich aber Philosophen seit der Antike auch damit beschäftigten, was Kunst sei, bleibt ausgespart, weil Ästhetik bei Gaarder keine Rolle spielt. In den Anmerkungen wird allein auf "Sofies Welt" verwiesen, als ob Gaarders Roman die heilige Schrift des okzidentalen Denkens darstellte. Der erbauliche Traktat ist nun um ein lehrhaftes Traktätchen ergänzt. So bleibt unklar, ob "Sofies Lexikon" ein eigenständiges Werk ist oder doch nur ein Begleitband. Im ersten Falle wäre es zu dürftig und durch seine Kürze oft eher verwirrend für den, der nicht schon Bescheid weiß. Als Ergänzung zu "Sofies Welt" gelesen, erscheinen viele der Artikel nur als Variationen auf das, was Gaarder schon ausführlicher erörterte.
Die wißbegierigen Sofien dieser Welt und ihre Brüder sollten wohl besser klassische Texte der Philosophen lesen, und gegebenenfalls im Brockhaus nachschlagen. Schließlich gibt es auch neuere Einführungen in das Philosophieren wie Thomas Nagels "Was bedeutet das alles?", die sich primär an den großen Fragen orientieren und nicht an humorig aufbereiteten Antworten. NIKOLAUS GRAMM
Otto A. Böhmer: "Sofies Lexikon". Hanser Verlag, München 1997. 160 S., br., 20,- DM. Ab 14 J.
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