Die 15-jährige Sofie Amundsen bekommt einen mysteriösen Brief. "Wer bist du?" Sofie ist irritiert. Natürlich hat sie schon mal darüber nachgedacht. Aber bevor sie eine Antwort findet, landet schon ein neuer Brief in Sofies Briefkasten. Der anonyme Absender schickt ihr von nun an nicht nur Fragen, sondern auch Antworten. Sofie wird Brief für Brief mit den Rätseln des Universums konfrontiert. Eine Reise durch die geheimnisvolle Gedankenwelt der Philosophen, von Sokrates bis Sartre, beginnt. Es ist ein Kriminal- und ein Abenteuerroman des Denkens, der 1994 den Deutschen Jugendliteraturpreis erhielt.
»Ein dickes Buch, mit spitzen Fingern angefasst und mit Begeisterung zugeklappt: ein großer Wurf im wörtlichen wie übertragenen Sinn.«
(Die Zeit)
(Die Zeit)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.1997Das Transplantat
Streit um Sofies klitzekleine Welt
Bis vorige Woche hatte der norwegische Autor Jostein Gaarder noch allen Grund, seiner eigenen Botschaft - der universellen Sprache der Philosophie - zu trauen. Schließlich war es ihm mit "Sofies Welt" gelungen, abendländische Geistesgeschichte in einem Kinderbuch aufzubereiten und bislang zwölf Millionen Leser - ob jung, ob alt - in aller Welt damit zu erreichen. Wahrlich ein starkes Argument für die grenz- und traditionsüberschreitende Kraft des tiefen Gedankens. Dann veröffentlichte der dänisch-türkische Übersetzer Gülay Kutal die Bilanz einer kritischen Lektüre der amerikanischen Ausgabe - und Sofies Welt geriet ins Wanken.
Was Kutal fand oder vielmehr nicht fand, versetzte den Autor und halb Norwegen in Rage. Die Zitate und gelehrten Anspielungen nämlich, die Gaarders Gedankengänge erhellen sollten und die er deshalb bei den klügsten Köpfen seiner Schulbildung exzerpiert hatte, waren samt und sonders verschwunden. Statt aus Knut Hamsuns Roman "Victoria" wird in der amerikanischen Ausgabe aus John Steinbecks "Von Mäusen und Menschen" zitiert. Wo im Original vom norwegischen Nationaldichter Henrik Wergeland die Rede war, taucht unversehens Lord Byron auf.
Die Übersetzerin Paulette Møller, eine Dänin, ist wegen ihrer schwerwiegenden Eingriffe heftig angegriffen worden. Was sie mit den willkürlich ausgetauschten Autoren bezweckte, ist klar: Sie wollte vorauseilend Vertrautheit bei einem Lesepublikum schaffen, das sie nur mit den eigenen kulturellen und sprachlichen Traditionen vertraut glaubt. Wie soll, mag die Übersetzerin gedacht haben, ein amerikanischer Jugendlicher Gedanken von Bjørnstjerne Bjørnson auf den Grund gehen, wenn er noch nicht einmal dessen merkwürdigen Namen lesen, geschweige denn aussprechen kann? Also wurde der nordische Romancier des frühen Realismus gestrichen und gegen sein britisches Pendant Thomas Hardy ausgetauscht. Zumindest mit dem Vornamen "Oliver" ist dieser Mann jedem Kind ein Begriff.
Immerhin hat die Übersetzerin versucht, was Epoche und Autorentypus angeht, das richtige Transplantat zu finden. Der früh verstorbene und hochfliegende Romantiker Wergeland wurde gegen den Kraftmeier Byron ausgetauscht, dem gleichfalls nicht viele Jahre auf Erden beschieden waren. Ob Steinbeck allerdings ein gleichwertiger Ersatzautor für Hamsun war? Angesichts von den faschistischen Alterssünden des Norwegers hätte man Ezra Pound nehmen können.
Gaarders amerikanischer Verlag, das große und renommierte Haus Strauss & Giroux, scheint die Eingriffe gutgeheißen zu haben. Auch die literarische Agentur, die das Geschäft betreute und die Übersetzerin auswählte, versucht die rigide Übertragungspraxis zu rechtfertigen. Es gehe um ein Jugendbuch; da müsse man die Querverweise dem Horizont der Leserschaft ein wenig anpassen. Ironischerweise hat es dabei allesamt Schriftsteller aus genau dem Land erwischt, aus dem auch der Autor von "Sofies Welt" stammt. Gaarders liebevolle Exkurse in die norwegische Nationalgeschichte hat kein amerikanischer Leser mitbekommen können. Der aufsässige Wikingerkönig Sverte und Ivar Aasen, Schöpfer der neunorwegischen Sprache und Identität - beide wurden ersatzlos gestrichen. Die stolzen Norweger, die zu Unrecht vermeinten, ihr Weltbestseller trüge auch allerhand Wissen über die norwegische Kultur in die Welt, hat das auf die Palme gebracht.
Offenbar glaubte man in Amerika mit der Heldin des Buches, der vierzehnjährigen Sofie Amundsen aus der norwegischen Kleinstadt Lillesand, schon genug Exotik zu transportieren. Das Werk, das die kulturstiftende Kraft des Fragens explizierte, wurde also stromlinienförmig zusammengestrichen, damit es keine Fragen mehr gebe. Gaarder beteuert, nichts von der Umarbeitung mitbekommen zu haben, und brandmarkt die Eliminierung des ursprünglichen Sinnzusammenhangs als "ethnozentrisch": "Auf dem amerikanischen Markt wird ja alles amerikanisiert." Dem Verkauf hat das übrigens keineswegs geschadet. Bis heute wurden in Nordamerika eine Million Exemplare abgesetzt. Gaarder versetzte das in die Lage, seinen Job als Lehrer aufgeben und sich in Oslo ganz der philosophischen Wünschelrutenpädagogik widmen zu können. Vor zwei Wochen hat er aus den stolzen Erträgen seines Werkes eine "Sofie-Stiftung" ins Leben gerufen, die künftig einmal im Jahr einen Umweltpreis in Höhe von 160000 Mark vergibt.
Die Sofieninflation ist damit allerdings noch längst nicht abgeklungen. Das Buch gibt es neuerdings in bebilderter Version auf CD-Rom sowie im Internet. An einer Theaterversion wird gearbeitet, und nächstes Jahr bringt man hierzulande das philosophiehistorische Opus sogar als Musical auf die Bühne - Aristoteles als Potpourri, Sartre als Chanson. Nicht einmal der phantasievolle Gaarder selbst kann sich vorstellen, "was das werden soll". Seinen Kinderglauben an die universelle Vermittlung humaner Grundwerte mußte er jetzt ohnehin mit einer gehörigen Portion philosophischer Skepsis würzen. "Wenn Sie wissen wollen, wer ich bin", hatte der Autor mit der Vorliebe für direkte Daseinsfragen geäußert, "müssen Sie meinen norwegischen Hintergrund betrachten." Augenscheinlich will und soll eine Million amerikanischer Leser aber überhaupt nicht wissen, wer Jostein Gaarder ist.
Vor einigen Wochen schwärmte dieser in einem Interview noch davon, das Internet könne "eine globale Identität" herausbilden. Doch das "globale Dorf", zu dem sich unsere Welt im Zeichen der Computervernetzung entwickelt, gleicht eben keineswegs einer norwegischen Fjordsiedlung mit Stabkirche, sondern einzig einem Tankstellenkaff im Mittleren Westen. Wenn hier in der Dorfbücherei die Titel von ein paar angelsächsischen Rumpfautoren stehen und als Kreuzworträtselwissen abrufbar bleiben, dann ist das allemal der Gipfel der Globalkultur. Deshalb sollte man bei "Sofies Welt" auf Amerikanisch nicht von einer Übersetzung, sondern lieber von einer sorgsamen Transplantation sprechen. Im Filmgewerbe sind ähnliche Praktiken schon seit langem üblich. Europäische Werke, die man in Amerika profitabel absetzen möchte, werden mit marktgängigen Stars aus Hollywood einfach noch einmal gedreht. Daran gemessen, ist das amerikanische Bewußtsein mit dem Buch noch gnädig verfahren.
Für das nächste Internet-Update von "Sofies World" bieten sich demnach noch allerhand nützliche Vereinfachungen an. Man sollte unbedingt Sokrates durch Pete Sampras (beide griechischer Abstammung) ersetzen und den Namen Amundsen endlich durch Scott (beide Polarforscher) austauschen. Aus Kierkegaard würde dann Billy Graham (beides Theologen), aus Friedrich Nietzsche Ronald Reagan (beide Altersdemenz). Und Jostein Gaarder eroberte endgültig den Globalmarkt unter dem Namen von Michael Jackson (beide weißhäutig). DIRK SCHÜMER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Streit um Sofies klitzekleine Welt
Bis vorige Woche hatte der norwegische Autor Jostein Gaarder noch allen Grund, seiner eigenen Botschaft - der universellen Sprache der Philosophie - zu trauen. Schließlich war es ihm mit "Sofies Welt" gelungen, abendländische Geistesgeschichte in einem Kinderbuch aufzubereiten und bislang zwölf Millionen Leser - ob jung, ob alt - in aller Welt damit zu erreichen. Wahrlich ein starkes Argument für die grenz- und traditionsüberschreitende Kraft des tiefen Gedankens. Dann veröffentlichte der dänisch-türkische Übersetzer Gülay Kutal die Bilanz einer kritischen Lektüre der amerikanischen Ausgabe - und Sofies Welt geriet ins Wanken.
Was Kutal fand oder vielmehr nicht fand, versetzte den Autor und halb Norwegen in Rage. Die Zitate und gelehrten Anspielungen nämlich, die Gaarders Gedankengänge erhellen sollten und die er deshalb bei den klügsten Köpfen seiner Schulbildung exzerpiert hatte, waren samt und sonders verschwunden. Statt aus Knut Hamsuns Roman "Victoria" wird in der amerikanischen Ausgabe aus John Steinbecks "Von Mäusen und Menschen" zitiert. Wo im Original vom norwegischen Nationaldichter Henrik Wergeland die Rede war, taucht unversehens Lord Byron auf.
Die Übersetzerin Paulette Møller, eine Dänin, ist wegen ihrer schwerwiegenden Eingriffe heftig angegriffen worden. Was sie mit den willkürlich ausgetauschten Autoren bezweckte, ist klar: Sie wollte vorauseilend Vertrautheit bei einem Lesepublikum schaffen, das sie nur mit den eigenen kulturellen und sprachlichen Traditionen vertraut glaubt. Wie soll, mag die Übersetzerin gedacht haben, ein amerikanischer Jugendlicher Gedanken von Bjørnstjerne Bjørnson auf den Grund gehen, wenn er noch nicht einmal dessen merkwürdigen Namen lesen, geschweige denn aussprechen kann? Also wurde der nordische Romancier des frühen Realismus gestrichen und gegen sein britisches Pendant Thomas Hardy ausgetauscht. Zumindest mit dem Vornamen "Oliver" ist dieser Mann jedem Kind ein Begriff.
Immerhin hat die Übersetzerin versucht, was Epoche und Autorentypus angeht, das richtige Transplantat zu finden. Der früh verstorbene und hochfliegende Romantiker Wergeland wurde gegen den Kraftmeier Byron ausgetauscht, dem gleichfalls nicht viele Jahre auf Erden beschieden waren. Ob Steinbeck allerdings ein gleichwertiger Ersatzautor für Hamsun war? Angesichts von den faschistischen Alterssünden des Norwegers hätte man Ezra Pound nehmen können.
Gaarders amerikanischer Verlag, das große und renommierte Haus Strauss & Giroux, scheint die Eingriffe gutgeheißen zu haben. Auch die literarische Agentur, die das Geschäft betreute und die Übersetzerin auswählte, versucht die rigide Übertragungspraxis zu rechtfertigen. Es gehe um ein Jugendbuch; da müsse man die Querverweise dem Horizont der Leserschaft ein wenig anpassen. Ironischerweise hat es dabei allesamt Schriftsteller aus genau dem Land erwischt, aus dem auch der Autor von "Sofies Welt" stammt. Gaarders liebevolle Exkurse in die norwegische Nationalgeschichte hat kein amerikanischer Leser mitbekommen können. Der aufsässige Wikingerkönig Sverte und Ivar Aasen, Schöpfer der neunorwegischen Sprache und Identität - beide wurden ersatzlos gestrichen. Die stolzen Norweger, die zu Unrecht vermeinten, ihr Weltbestseller trüge auch allerhand Wissen über die norwegische Kultur in die Welt, hat das auf die Palme gebracht.
Offenbar glaubte man in Amerika mit der Heldin des Buches, der vierzehnjährigen Sofie Amundsen aus der norwegischen Kleinstadt Lillesand, schon genug Exotik zu transportieren. Das Werk, das die kulturstiftende Kraft des Fragens explizierte, wurde also stromlinienförmig zusammengestrichen, damit es keine Fragen mehr gebe. Gaarder beteuert, nichts von der Umarbeitung mitbekommen zu haben, und brandmarkt die Eliminierung des ursprünglichen Sinnzusammenhangs als "ethnozentrisch": "Auf dem amerikanischen Markt wird ja alles amerikanisiert." Dem Verkauf hat das übrigens keineswegs geschadet. Bis heute wurden in Nordamerika eine Million Exemplare abgesetzt. Gaarder versetzte das in die Lage, seinen Job als Lehrer aufgeben und sich in Oslo ganz der philosophischen Wünschelrutenpädagogik widmen zu können. Vor zwei Wochen hat er aus den stolzen Erträgen seines Werkes eine "Sofie-Stiftung" ins Leben gerufen, die künftig einmal im Jahr einen Umweltpreis in Höhe von 160000 Mark vergibt.
Die Sofieninflation ist damit allerdings noch längst nicht abgeklungen. Das Buch gibt es neuerdings in bebilderter Version auf CD-Rom sowie im Internet. An einer Theaterversion wird gearbeitet, und nächstes Jahr bringt man hierzulande das philosophiehistorische Opus sogar als Musical auf die Bühne - Aristoteles als Potpourri, Sartre als Chanson. Nicht einmal der phantasievolle Gaarder selbst kann sich vorstellen, "was das werden soll". Seinen Kinderglauben an die universelle Vermittlung humaner Grundwerte mußte er jetzt ohnehin mit einer gehörigen Portion philosophischer Skepsis würzen. "Wenn Sie wissen wollen, wer ich bin", hatte der Autor mit der Vorliebe für direkte Daseinsfragen geäußert, "müssen Sie meinen norwegischen Hintergrund betrachten." Augenscheinlich will und soll eine Million amerikanischer Leser aber überhaupt nicht wissen, wer Jostein Gaarder ist.
Vor einigen Wochen schwärmte dieser in einem Interview noch davon, das Internet könne "eine globale Identität" herausbilden. Doch das "globale Dorf", zu dem sich unsere Welt im Zeichen der Computervernetzung entwickelt, gleicht eben keineswegs einer norwegischen Fjordsiedlung mit Stabkirche, sondern einzig einem Tankstellenkaff im Mittleren Westen. Wenn hier in der Dorfbücherei die Titel von ein paar angelsächsischen Rumpfautoren stehen und als Kreuzworträtselwissen abrufbar bleiben, dann ist das allemal der Gipfel der Globalkultur. Deshalb sollte man bei "Sofies Welt" auf Amerikanisch nicht von einer Übersetzung, sondern lieber von einer sorgsamen Transplantation sprechen. Im Filmgewerbe sind ähnliche Praktiken schon seit langem üblich. Europäische Werke, die man in Amerika profitabel absetzen möchte, werden mit marktgängigen Stars aus Hollywood einfach noch einmal gedreht. Daran gemessen, ist das amerikanische Bewußtsein mit dem Buch noch gnädig verfahren.
Für das nächste Internet-Update von "Sofies World" bieten sich demnach noch allerhand nützliche Vereinfachungen an. Man sollte unbedingt Sokrates durch Pete Sampras (beide griechischer Abstammung) ersetzen und den Namen Amundsen endlich durch Scott (beide Polarforscher) austauschen. Aus Kierkegaard würde dann Billy Graham (beides Theologen), aus Friedrich Nietzsche Ronald Reagan (beide Altersdemenz). Und Jostein Gaarder eroberte endgültig den Globalmarkt unter dem Namen von Michael Jackson (beide weißhäutig). DIRK SCHÜMER
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"Geschrieben für ein paar Nächte, gelesen für ein ganzes Leben. Ein echter Klassiker." David Mellein, Nordbayerischer Kurier, 24.08.15
»Nach der Lektüre dieses Buches wünscht man sich Philosophie sehnlichst als Pflichtfach in allen Schulen.« Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt
"Die gekürzte Lesung vermittelt spannend und unterhaltsam Geschichte und Inhalte der Philosophie."