Erika Mann war mir vor der Lektüre von Unda Hörners Buch „Solange es eine Heimat gibt“ nur namentlich bekannt. Das hat das Werk gründlich verändert, sympathisch wurde mir die älteste Tochter von Thomas Mann allerdings nicht, allerdings finde ich sie durchaus beeindruckend, zumindest wird sie von der
Autorin so beschrieben. Das Buch ist eine Art Biografie, da darin bekannte Fakten zusammen mit…mehrErika Mann war mir vor der Lektüre von Unda Hörners Buch „Solange es eine Heimat gibt“ nur namentlich bekannt. Das hat das Werk gründlich verändert, sympathisch wurde mir die älteste Tochter von Thomas Mann allerdings nicht, allerdings finde ich sie durchaus beeindruckend, zumindest wird sie von der Autorin so beschrieben. Das Buch ist eine Art Biografie, da darin bekannte Fakten zusammen mit fiktionalen Passagen zu einem speziellen Roman verwandelt werden. Ausgangspunkt von Unda Hörners Buch ist der 21. Mai 1949, der Todestag von Erika Manns Bruder Klaus. Mit diesem Datum als Zentrum beschreibt die Autorin Episoden aus Erikas Leben, immer verknüpft mit Klaus, aber auch mit ihren Eltern Thomas und Katia und vielen anderen Persönlichkeiten aus Literatur und Kunst.
Aber von vorn.
Thomas Mann war wohl enttäuscht, als seine Frau Katia 1905 nicht den ersehnten Stammhalter bekam, sondern eine Tochter. Aber Erika sollte bis zum Schluss dasjenige seiner sechs Kinder sein, mit dem er am innigsten verbunden war, sie war bis zu seinem Tod 1955 seine Assistentin, Beraterin, Sekretärin und Vertraute. 1906 wurde Klaus geboren und er und Erika wuchsen fast wie Zwillinge auf. Weil sie nur knapp ein Jahr Altersunterschied trennte, aber auch, weil sie ein Herz und eine Seele waren. Zu den jüngeren Geschwistern grenzten sie sich ab („[…] die sechs Geschwister drei märchenhafte Pärchen. Unter ihnen waltete allerdings eine rigorose Hackordnung. Erika und Klaus, Erimaus und Aißisohn, gaben unangefochten den Ton an.“), vor allem Monika wurde von ihnen verspottet und belächelt und, wie man heute sagen würde, gemobbt. Auch charakterlich waren sich Erika und Klaus ähnlich. Immer wild und unangepasst, exzentrisch und immer auf der Suche nach Identität, Sexualität, Freiheit, Glück, dem Platz im Leben und einer echten Heimat. Sie kämpften gegen Konventionen, ihr größter Kampf ist (neben dem gegen den Nationalsozialismus) aber der gegen Drogen und Alkohol. Letzteren verliert Klaus 1949, er begeht Suizid. Nach Klaus‘ Tod ordnet Erika seinen Nachlass, begleitet von Erinnerungen. Sie erinnert sich an die gemeinsame Kindheit, ihre Weltreise nach dem Abitur, die wilden Zwanziger in Berlin und ihr zunehmend aus den Fugen geratenes Leben mit dem Erstarken des Nationalsozialismus. Sie erinnert sich an die Emigration, das Leben im Exil, ihre und Klaus‘ unzählige unglückliche Beziehungen. In ihrer beider Leben gab es nur eine wirkliche Konstante: die enge Verbindung zueinander.
Unda Hörner verflicht in ihrem Buch Fakten mit Fiktion. Da ich die Familie Mann zu wenig kenne, fiel es mir als Leser oft schwer, Wahrheit und Dichtung zu unterscheiden, manchmal springt die Autorin für mich auch zu wild durch die Zeitebenen. Bei manchen Themen fehlt mir auch die Einordnung der Dinge, die die Autorin zwischen den Zeilen anspricht. Zur Ehe ihrer gemeinsamen Freundin Pamela Sternheim (Tochter des Dramatikers Frank Wedekind) mit dem wesentlich älteren Dramatiker Carl Sternheim sagte Erika: „»Am schlimmsten ist es, sie so unglücklich zu sehen«. »Das fatale Gesetz der Bindung an den Vater«, erinnerte Klaus. Erika war klar, warum Klaus das so genau wusste. Ein solches Gesetz herrschte über vieles in seinem Handeln. Und in ihrem.“ – was bedeutete das für sie und Klaus und ihr Leben? Machten sie den Vater dafür verantwortlich, dass sie nie wirklich glücklich wurden? Auch Erika hatte eine „verhängnisvolle Schwäche für einen Mann, der gut ihr Vater hätte sein können“, Klaus suchte die Liebe in finsteren Kabuffs „wo ihm mehr oder weniger junge Männer zu Diensten waren, um ihn richtig glücklich zu machen – meistens vergeblich.“
Aber die Autorin schreibt mitreißend. Ihre Sprache ist bildhaft und das Buch lässt sich flüssig lesen. Es ist eine Mischung aus Biografie und historischem Roman, Familiengeschichte verwoben mit Zeitgeschichte. Trotz des für mich unbekannten Terrains war es für mich eine Freude, es zu lesen, auch wenn mir die Familie Mann unsympathisch blieb.
Von mir fünf Sterne.