Was heißt Solidarität in Zeiten wie diesen?
Der Psychologe und Extremismus-Experte Ahmad Mansour traf am Tag nach dem Anschlag in Hanau bei einem Workshop Schülerinnen und Schüler, die sich vor Aufregung kaum konzentrieren konnten. Sie wollten reden und verstehen, was kaum zu verstehen ist.
Erfahrungen wie diese macht Ahmad Mansour häufig. Er ist vor Ort und erlebt unmittelbar, wie sich Lehrer und Eltern überfordert, Jugendliche hingegen im Stich gelassen fühlen. Wie können wir sprechen über Extremismus und Hass, über Ängste und Befürchtungen?
Solidarität ist gefragt, sowohl beim Staat als auch bei der Gesellschaft. In der Coronakrise hat sich auf beste Weise gezeigt, dass Solidarität möglich ist. Ahmad Mansour zeigt nun, was wir daraus konkret lernen können für unseren Umgang mit Rassismus und Hass. Es gilt zusammenzuhalten, Sorgen ernst zu nehmen und Empathie zu zeigen. Und es heißt auch, offener und ehrlicher über Rassismus zu sprechen als das bislang getan wird. Rassismus betrifft uns alle und somit sollten wir alle bereit sein zu einer Debatte, die frei ist von Tabus und geprägt von gegenseitiger Anerkennung und Flexibilität im Denken.
Ein leidenschaftliches Plädoyer für eine solidarische Gesellschaft!
Der Psychologe und Extremismus-Experte Ahmad Mansour traf am Tag nach dem Anschlag in Hanau bei einem Workshop Schülerinnen und Schüler, die sich vor Aufregung kaum konzentrieren konnten. Sie wollten reden und verstehen, was kaum zu verstehen ist.
Erfahrungen wie diese macht Ahmad Mansour häufig. Er ist vor Ort und erlebt unmittelbar, wie sich Lehrer und Eltern überfordert, Jugendliche hingegen im Stich gelassen fühlen. Wie können wir sprechen über Extremismus und Hass, über Ängste und Befürchtungen?
Solidarität ist gefragt, sowohl beim Staat als auch bei der Gesellschaft. In der Coronakrise hat sich auf beste Weise gezeigt, dass Solidarität möglich ist. Ahmad Mansour zeigt nun, was wir daraus konkret lernen können für unseren Umgang mit Rassismus und Hass. Es gilt zusammenzuhalten, Sorgen ernst zu nehmen und Empathie zu zeigen. Und es heißt auch, offener und ehrlicher über Rassismus zu sprechen als das bislang getan wird. Rassismus betrifft uns alle und somit sollten wir alle bereit sein zu einer Debatte, die frei ist von Tabus und geprägt von gegenseitiger Anerkennung und Flexibilität im Denken.
Ein leidenschaftliches Plädoyer für eine solidarische Gesellschaft!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2020Es gibt auch falsche Toleranz
Ahmad Mansour kennt die Probleme der Integration aus erster Hand: Er hat ein erfrischend handfestes Buch darüber geschrieben, was für den Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenhalts nottut.
Von Simon Strauß
Solidarisch ist, wer über die Ausnahmeeigenschaft verfügt, Menschen, die anderer Meinung sind, mit Mitgefühl zu begegnen. Auf diese pragmatische Faustregel lässt sich Ahmad Mansours Reflexion über die Chancen eines sozialen Zusammenhalts bringen. Anderthalb Jahre nach Heinz Budes soziologischer Streitschrift über die historische Idee der Solidarität legt jetzt Deutschlands bekanntester Präventivpädagoge ein Buch zum selben Thema vor. "Solidarisch sein!", so lautet die Aufforderung auf dem Titelblatt, und darunter wird aufgelistet, was dem im Wege steht: "Rassismus, Antisemitismus und Hass".
So abgedroschen diese Gegenüberstellung im ersten Moment wirkt, so gehaltvoll wird sie bei der Lektüre. Denn hier schreibt einer, der die alltagspraktische Kehrseite dieser Begriffsmedaillen kennt und sie nicht nur als moralische Ausflaggung benutzt. Der 1976 in Israel geborene Mansour, der seit 2004 in Berlin lebt und arbeitet und in beeindruckender Weise gegen extremistische Gesinnungen bei Jugendlichen kämpft, widmet sein Buch allen Pädagogen und Sozialarbeitern, die "leider viel zu oft alleingelassen werden".
Damit verweist Mansour schon auf die Grundthese seines Buches: Eine Gesellschaft wird nur dann solidarisch sein, wenn die in ihr heranwachsenden Kinder die Chance auf ein selbstbestimmtes Bewusstsein jenseits ihrer familiären oder ideologischen Herkünfte haben. Gegen den Determinismus des Milieus helfen nur die Auseinandersetzung und die Begegnung mit Andersdenkenden.
Mansour selbst ist oft an sogenannten "Problemschulen" und gibt dort Workshops oder leitet Gesprächsrunden. Da, wo wohlmeinende Politiker oder agendagetriebene Beobachter lieber wegschauen, setzt er mit seinen Kollegen an. Mansour genießt in jungen Einwandererkreisen offenbar eine natürliche Autorität, die von seiner eigenen Einwanderungsbiographie und einer zugänglichen Art des Sprechens herrührt. In seinem Buch berichtet er nicht nur von seinen alltäglichen Erlebnissen dabei, sondern leitet aus diesem Erfahrungszusammenhang auch einige Thesen ab.
Dabei wird schnell klar, dass er niemandem das Wort reden will. Nicht den Islamfeinden, die seine Skepsis gegenüber muslimischen Familienbildern vereinnahmen, nicht den moralpolitischen Gesinnungsbürgern, die seine Kritik an der vorurteilsbehafteten Mehrheitsgesellschaft für ihre Zwecke nutzen. Mansour beschreibt die Lage so, wie er sie erkennt, und nimmt dabei wenig Rücksicht auf Lagerdenken oder Parteiinteressen.
Die paradoxe Tatsache, dass migrantische Gruppierungen häufig Opfer von Rassismus und Benachteiligungen werden, gleichzeitig aber auch anfällig für Antisemitismus sind, stellt er ebenso unumwunden dar wie den Umstand, dass bestimmte religiöse Inhalte die Integration von Jugendlichen behindern. Die Titel seiner bisherigen zwei Bücher - "Generation Allah" und "Klartext zur Integration" - haben naturgemäß Leserinnen und Leser angezogen, von deren einseitiger Gesinnung Mansour sich in diesem Buch distanziert. Selbstkritisch fragt er, ob seine Kritik am Kopftuch, an den Missständen bei der Integration und den muslimischen Verbänden genutzt wurde, um Ideologie zu verbreiten. "Hätte ich schweigen müssen, um sie nicht zu bedienen?", fragt Mansour - allerdings eher rhetorisch. Denn an der Entrüstung darüber, dass er aufgrund seiner Kritik an patriarchalischen Strukturen in muslimischen Milieus im "European Islamophobia Report" auftaucht, merkt man, wie entschieden er einer kritiklos-opportunistischen Affirmation des "anderen" gegenübersteht. Die wohlhabenden Grünen-Wähler mit "Refugee welcome"-Plakaten in den Villenfenstern entsprechen jedenfalls nicht seinem Begriff von engagierter Bürgerlichkeit.
Genauso wenig wie diejenigen, die im Zeichen einer angeblichen Toleranz das Schicksal der Juden und die Diskriminierung von Muslimen heute gleichsetzen. Der Slogan "Gestern Juden, heute Muslime", den Mansour offenbar nicht nur auf Schulhöfen häufiger hört, stelle eine Verharmlosung des Holocaust dar, argumentiert der arabische Israeli: "Es gibt keine systematische Verfolgung von Muslimen durch staatliche Institutionen. Es gibt keinen Plan zur Vernichtung der Muslime." Und gegen den latenten Antiisraelismus etwa eines Gregor Gysi gewandt, pointiert er: "Nein, der Nahost-Konflikt ist nicht die Ursache für Antisemitismus. Antisemitismus ist die Ursache für den Nahost-Konflikt."
Mansour lässt wenige heikle Themen aus: Eine Debatte über die Gewaltbereitschaft jener Migranten und Asylbewerber, die den Staat verachten, hält er für "absolut notwendig", die Abschiebung von straffälligen Flüchtlingen keinesfalls für einen "rechtsradikalen Gedanken" und die Debatte über Polizeigewalt oder die Umbenennung von Straßen für rein symbolisch. Entschieden wendet Mansour sich auch gegen den fatalen Anspruch der Identitätspolitik: "Die übertriebene Zuteilung von Menschen in Gruppen ist genau das, was Diskriminierung und Rassismus am Leben hält." Das sind Standpunkte, die - kämen sie von jemand anderem - bei vielen sofort reflexhafte Ablehnung hervorrufen würden. Aber da hier ein ausgewiesener Mann der Praxis spricht, einer der tagtäglich mit denen umgeht, über die viele andere nur strategisch sprechen, hört man ihm zu.
Zu Recht, denn Mansour ist eben nicht auf ein Lager oder eine Kritikstrategie festgelegt. Genauso wie er eine härtere Bestrafung von Gewalttaten durch Asylsuchende fordert, findet er auch drastische Worte, um die Benachteiligung von Menschen mit dunkler Haut und nichtdeutschen Namen bei der Job- und Wohnungssuche vor Augen zu führen. Am Beispiel der Ressentiments gegenüber muslimischen Familienfeiern während des Lockdonws prangert er Vorurteile gegenüber Muslimen an: "Als es Anfang Juni 2020 in Göttingen zu einem Corona-Ausbruch kam, waren die Schuldigen schnell gefunden: Muslime, die das Zuckerfest gemeinsam gefeiert hatten und denen die Abstandsregeln egal zu sein schienen. Kurze Zeit später die Meldung: Ausbruch in Stralsund nach einem Gottesdienst in einer katholischen Kirche. Die Empörung darüber: kaum hörbar."
Als effektivstes Mittel gegen solche vorschnellen Reflexe der Ablehnung empfiehlt der Präventionspädagoge die physische Begegnung mit den angeblich so anderen. Darüber hinaus fordert er eine zeitgemäße Erinnerungskultur, die Jugendliche aller Kulturen miteinbezieht und schlägt einen Gedenktag für die Opfer von Terrorismus vor, an dem "der Toten von Halle genauso gedacht werden sollte wie der Opfer von Hanau, vom Münchner Olympia-Attentat 1972 oder vom Berliner Weihnachtsmarkt 2016".
Das Erfrischende an Mansours Buch ist seine handfeste Art des Argumentierens. Es braucht, um eine Gesellschaft solidarisch zu machen, eben nicht nur jene vielberufene Konzentration auf Gemeinsamkeiten statt auf Unterschiede, sondern auch Menschen, die sich gegenseitig begegnen wollen. Und um solche Menschen heranwachsen zu lassen, braucht es starke Schulen. Mit Klassen, in denen "nicht mehr als vierzig Prozent der Schüler Migrationserfahrung" haben, wie Mansour fordert, und mit Pädagogen, die seine Überzeugung teilen: Nur wer mit Respekt und Enthusiasmus erzogen wird, wird sich irgendwann auch zugehörig fühlen.
Ahmad Mansour: "Solidarisch sein". Gegen Rassismus, Antisemitismus und Hass.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2020. 128 S., geb., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ahmad Mansour kennt die Probleme der Integration aus erster Hand: Er hat ein erfrischend handfestes Buch darüber geschrieben, was für den Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenhalts nottut.
Von Simon Strauß
Solidarisch ist, wer über die Ausnahmeeigenschaft verfügt, Menschen, die anderer Meinung sind, mit Mitgefühl zu begegnen. Auf diese pragmatische Faustregel lässt sich Ahmad Mansours Reflexion über die Chancen eines sozialen Zusammenhalts bringen. Anderthalb Jahre nach Heinz Budes soziologischer Streitschrift über die historische Idee der Solidarität legt jetzt Deutschlands bekanntester Präventivpädagoge ein Buch zum selben Thema vor. "Solidarisch sein!", so lautet die Aufforderung auf dem Titelblatt, und darunter wird aufgelistet, was dem im Wege steht: "Rassismus, Antisemitismus und Hass".
So abgedroschen diese Gegenüberstellung im ersten Moment wirkt, so gehaltvoll wird sie bei der Lektüre. Denn hier schreibt einer, der die alltagspraktische Kehrseite dieser Begriffsmedaillen kennt und sie nicht nur als moralische Ausflaggung benutzt. Der 1976 in Israel geborene Mansour, der seit 2004 in Berlin lebt und arbeitet und in beeindruckender Weise gegen extremistische Gesinnungen bei Jugendlichen kämpft, widmet sein Buch allen Pädagogen und Sozialarbeitern, die "leider viel zu oft alleingelassen werden".
Damit verweist Mansour schon auf die Grundthese seines Buches: Eine Gesellschaft wird nur dann solidarisch sein, wenn die in ihr heranwachsenden Kinder die Chance auf ein selbstbestimmtes Bewusstsein jenseits ihrer familiären oder ideologischen Herkünfte haben. Gegen den Determinismus des Milieus helfen nur die Auseinandersetzung und die Begegnung mit Andersdenkenden.
Mansour selbst ist oft an sogenannten "Problemschulen" und gibt dort Workshops oder leitet Gesprächsrunden. Da, wo wohlmeinende Politiker oder agendagetriebene Beobachter lieber wegschauen, setzt er mit seinen Kollegen an. Mansour genießt in jungen Einwandererkreisen offenbar eine natürliche Autorität, die von seiner eigenen Einwanderungsbiographie und einer zugänglichen Art des Sprechens herrührt. In seinem Buch berichtet er nicht nur von seinen alltäglichen Erlebnissen dabei, sondern leitet aus diesem Erfahrungszusammenhang auch einige Thesen ab.
Dabei wird schnell klar, dass er niemandem das Wort reden will. Nicht den Islamfeinden, die seine Skepsis gegenüber muslimischen Familienbildern vereinnahmen, nicht den moralpolitischen Gesinnungsbürgern, die seine Kritik an der vorurteilsbehafteten Mehrheitsgesellschaft für ihre Zwecke nutzen. Mansour beschreibt die Lage so, wie er sie erkennt, und nimmt dabei wenig Rücksicht auf Lagerdenken oder Parteiinteressen.
Die paradoxe Tatsache, dass migrantische Gruppierungen häufig Opfer von Rassismus und Benachteiligungen werden, gleichzeitig aber auch anfällig für Antisemitismus sind, stellt er ebenso unumwunden dar wie den Umstand, dass bestimmte religiöse Inhalte die Integration von Jugendlichen behindern. Die Titel seiner bisherigen zwei Bücher - "Generation Allah" und "Klartext zur Integration" - haben naturgemäß Leserinnen und Leser angezogen, von deren einseitiger Gesinnung Mansour sich in diesem Buch distanziert. Selbstkritisch fragt er, ob seine Kritik am Kopftuch, an den Missständen bei der Integration und den muslimischen Verbänden genutzt wurde, um Ideologie zu verbreiten. "Hätte ich schweigen müssen, um sie nicht zu bedienen?", fragt Mansour - allerdings eher rhetorisch. Denn an der Entrüstung darüber, dass er aufgrund seiner Kritik an patriarchalischen Strukturen in muslimischen Milieus im "European Islamophobia Report" auftaucht, merkt man, wie entschieden er einer kritiklos-opportunistischen Affirmation des "anderen" gegenübersteht. Die wohlhabenden Grünen-Wähler mit "Refugee welcome"-Plakaten in den Villenfenstern entsprechen jedenfalls nicht seinem Begriff von engagierter Bürgerlichkeit.
Genauso wenig wie diejenigen, die im Zeichen einer angeblichen Toleranz das Schicksal der Juden und die Diskriminierung von Muslimen heute gleichsetzen. Der Slogan "Gestern Juden, heute Muslime", den Mansour offenbar nicht nur auf Schulhöfen häufiger hört, stelle eine Verharmlosung des Holocaust dar, argumentiert der arabische Israeli: "Es gibt keine systematische Verfolgung von Muslimen durch staatliche Institutionen. Es gibt keinen Plan zur Vernichtung der Muslime." Und gegen den latenten Antiisraelismus etwa eines Gregor Gysi gewandt, pointiert er: "Nein, der Nahost-Konflikt ist nicht die Ursache für Antisemitismus. Antisemitismus ist die Ursache für den Nahost-Konflikt."
Mansour lässt wenige heikle Themen aus: Eine Debatte über die Gewaltbereitschaft jener Migranten und Asylbewerber, die den Staat verachten, hält er für "absolut notwendig", die Abschiebung von straffälligen Flüchtlingen keinesfalls für einen "rechtsradikalen Gedanken" und die Debatte über Polizeigewalt oder die Umbenennung von Straßen für rein symbolisch. Entschieden wendet Mansour sich auch gegen den fatalen Anspruch der Identitätspolitik: "Die übertriebene Zuteilung von Menschen in Gruppen ist genau das, was Diskriminierung und Rassismus am Leben hält." Das sind Standpunkte, die - kämen sie von jemand anderem - bei vielen sofort reflexhafte Ablehnung hervorrufen würden. Aber da hier ein ausgewiesener Mann der Praxis spricht, einer der tagtäglich mit denen umgeht, über die viele andere nur strategisch sprechen, hört man ihm zu.
Zu Recht, denn Mansour ist eben nicht auf ein Lager oder eine Kritikstrategie festgelegt. Genauso wie er eine härtere Bestrafung von Gewalttaten durch Asylsuchende fordert, findet er auch drastische Worte, um die Benachteiligung von Menschen mit dunkler Haut und nichtdeutschen Namen bei der Job- und Wohnungssuche vor Augen zu führen. Am Beispiel der Ressentiments gegenüber muslimischen Familienfeiern während des Lockdonws prangert er Vorurteile gegenüber Muslimen an: "Als es Anfang Juni 2020 in Göttingen zu einem Corona-Ausbruch kam, waren die Schuldigen schnell gefunden: Muslime, die das Zuckerfest gemeinsam gefeiert hatten und denen die Abstandsregeln egal zu sein schienen. Kurze Zeit später die Meldung: Ausbruch in Stralsund nach einem Gottesdienst in einer katholischen Kirche. Die Empörung darüber: kaum hörbar."
Als effektivstes Mittel gegen solche vorschnellen Reflexe der Ablehnung empfiehlt der Präventionspädagoge die physische Begegnung mit den angeblich so anderen. Darüber hinaus fordert er eine zeitgemäße Erinnerungskultur, die Jugendliche aller Kulturen miteinbezieht und schlägt einen Gedenktag für die Opfer von Terrorismus vor, an dem "der Toten von Halle genauso gedacht werden sollte wie der Opfer von Hanau, vom Münchner Olympia-Attentat 1972 oder vom Berliner Weihnachtsmarkt 2016".
Das Erfrischende an Mansours Buch ist seine handfeste Art des Argumentierens. Es braucht, um eine Gesellschaft solidarisch zu machen, eben nicht nur jene vielberufene Konzentration auf Gemeinsamkeiten statt auf Unterschiede, sondern auch Menschen, die sich gegenseitig begegnen wollen. Und um solche Menschen heranwachsen zu lassen, braucht es starke Schulen. Mit Klassen, in denen "nicht mehr als vierzig Prozent der Schüler Migrationserfahrung" haben, wie Mansour fordert, und mit Pädagogen, die seine Überzeugung teilen: Nur wer mit Respekt und Enthusiasmus erzogen wird, wird sich irgendwann auch zugehörig fühlen.
Ahmad Mansour: "Solidarisch sein". Gegen Rassismus, Antisemitismus und Hass.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2020. 128 S., geb., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Simon Strauß preist die "handfeste" Argumentationsweise des Präventivpädagogen Ahmad Mansour, wenn es um Probleme der Integration und um Rassismus geht. Vor dem Hintergrund seiner eigenen Eiwanderungsbiografie und seiner alltagspraktischen Arbeit empfiehlt der Autor laut Strauß nicht nur eindringlich ein selbstbestimmtes Bewusstsein und interkulturelle Begegnungen als Schild gegen Solidaritätsmangel, sondern bleibt dabei auch angenehm unparteiisch und sachlich. Lehrreich und erfrischend, so Strauß.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Seine Rezepte für einen wirksamen Impfstoff gegen das Virus der Demokratiefeindlichkeit sind so einleuchtend wie ermutigend. Und notwendig. Caroline Fetscher Der Tagesspiegel 20201205