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Im Zuge der Globalisierung breiten sich Deregulierung, Prekarisierung und Informalisierung von Arbeit aus. Diese Tendenzen erreichen nun auch Gruppen in der "Ersten Welt", die bisher als privilegiert gelten. Dazu gehören Hochschulabsolventen in Deutschland. Prinzipiell sind in allen Studiengängen die Übergänge in den Beruf schwierig geworden. Der Anteil der prekär Beschäftigten macht einen immer größeren Anteil aller Berufsgruppen aus. Die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen wird durch die politisch gewollte Aufgabenreduzierung des öffentlichen Dienstes eher noch steigen, sodass die Schere…mehr

Produktbeschreibung
Im Zuge der Globalisierung breiten sich Deregulierung, Prekarisierung und Informalisierung von Arbeit aus. Diese Tendenzen erreichen nun auch Gruppen in der "Ersten Welt", die bisher als privilegiert gelten. Dazu gehören Hochschulabsolventen in Deutschland. Prinzipiell sind in allen Studiengängen die Übergänge in den Beruf schwierig geworden. Der Anteil der prekär Beschäftigten macht einen immer größeren Anteil aller Berufsgruppen aus. Die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen wird durch die politisch gewollte Aufgabenreduzierung des öffentlichen Dienstes eher noch steigen, sodass die Schere zwischen Bedarf und seiner Deckung sich weiter vergrößern dürfte.

Folgende Fragen sind für die Umsetzung eines gesellschaftlichen Lehr- und Lernprozesses entscheidend:
Was bedeutet solidarisches Arbeiten und Wirtschaften aus der Sicht der verschiedenen Ausbildungs- und Forschungsinstitutionen?
Wie können Menschen unterstützt werden, die gemeinsam existenzsichernde Beschäftigungsfelder aufbauen möchten?
Wie finden Gruppen aus dem lokalen/regionalen Umfeld mit Personen aus den Institutionen zusammen und wie wollen sie begleitet werden?
Welche Formen und Inhalte des Lehrens und Lernens sind erforderlich, um Menschen für eine Praxis der solidarischen Ökonomie zu befähigen?
Welchen Beitrag können gesellschaftliche Institutionen leisten, um nachhaltige regionale und lokale Beschäftigungspotentiale zu stärken?

Aus dem europäischen und lateinamerikanischen Ausland sind uns Modelle und Konzepte der Beschäftigung bekannt, in denen Arbeit auf der Grundlage von solidarischer Ökonomie organisiert ist. Auch in Deutschland gibt es eine Praxis der solidarischen Ökonomie, von selbstverwalteten Betrieben unter anderem von Genossenschaften traditionellen und neuen Typs. Wir sind davon überzeugt, dass solidarische Ökonomie auch ein anderes theoretisches und organisatorisches Rüstzeug braucht als das, was standardmäßig zur Berufsqualifizierung an Hochschulen angeboten wird.

In diesem Sinne haben wir eine Internationale Sommerschule "Solidarische Ökonomie in Brasilien und Europa" mit sechzig Teilnehmerinnen vom 5.-10. Oktober 2004 in der Adam von Trott Stiftung in Imshausen bei Bebra durchgeführt (www.stiftung-adam-von-trott.de). Wir wollten Angehörige unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen miteinander ins Gespräch bringen und in einem Nord-Nord- und Nord-Süd-Erfahrungsaustausch Bedingungen der Zusammenarbeit gesellschaftlicher Institutionen (Hochschule, Gewerkschaft, Kirche ) beim Aufbau von selbstverwalteten Unternehmen erkunden und Praxisbeispiele, ihre Organisationsformen und Bündnisse zur Kenntnis nehmen, die sich zwischen den Belegschaften, Gewerkschaften, Universitäten, Initiativgruppen und Kirchen entwickeln.

Fragen/ Lernschritte der Internationalen Sommerschule Solidarische Ökonomie in diesem Band:
Wie sieht die europäische Realität der selbstverwalteten Betriebe heute aus, welche strategischen Möglichkeiten haben sie gerade auch im Europa der 25 Mitgliedsstaaten und welchen Gefahren sind sie in Zeiten neoliberaler Wirtschaftspolitik ausgesetzt? Bruno Roelants, Generalsekretär von CICOPA und Claudia Sanchez Bajo, Vertreterin eines Genossenschaftszusammenschlusses des Mercosur widmen sich diesen Fragen.

Wo liegen die Wurzeln Solidarischer Ökonomie in Brasilien und Deutschland?Sylvia Leser de Mello geht auf diese Frage ein und benennt nicht nur die verschiedenen Wurzeln sondern verweist auf zukunftsträchtige Forschungsfragen in diesem Zusammenhang. Michael Buckmiller erläutert die Traditionen genossenschaftlicher Perspektiven, die eine wichtige Orientierung sein können, obwohl ihre breite Wirksamkeit historisch mehrfach scheiterte.

Paul Singer analysiert Schritt für Schritt der notwendigen Weichenstellungen und finanziellen Stragtegien für die Solidarische Ökonomie mit der Perspektive der Herausbildung einer Alternative zur kapitalistischen Wirtschaftsweise.
Wie die Universitäten den Herausforderungen einer wachsenden Arbeitslosigkeit und zunehmenden sozialen Konflikten durch die Begleitung der Gründung solidarischer Betriebe begegnen können wird von Sylvia Leser de Mello und ihrem Team aus der Innovationswerkstatt an der Universität São Paulo erläutert.
Wie die Grundideen für den Aufbau der von Selbsthilfegenossenschaften aussehen, wie eine systematische Begleitung und ihre Ausweitung aussehen kann diskutiert Burghard Flieger. Er geht in dem Zusammenhang auf die Finanzstrategien die in Deutschland konzipiert werden ein.

Abschließend werden Beispiel solidarischer Ökonomie in Stadt und Land aus Brasilien und Deutschland erläutert: Die ganzheitliche Strategie des agroökologischen Marktes in Paraiba wird von Rosangela Alves de Oliveira erläutert. Jacqueline Bernardi Cherini berichtet von den Betriebsübernahmen durch die Arbeiter und dem Aufbau solidarischer Ökonomie in diesen Unternehmen, welcher durch die gewerkschaftlich organisierte ANTEAG unterstützt wird.Uli Barth schildert die solidarische Regelung alltäglichen Lebens und Arbeitens in der Kommune Niederkaufungen, in der eine Gemeinschaft fünf Betriebe unter anderem auch Landwirtschaft betreibt.

Dieter Utoff von der IG Metall Chemnitz berichtet eindrücklich von der Lage nach der Wende, die in seiner Stadt von einem Tag auf den anderen 30 000 Arbeiter aus Metall- und Elektroindustrie arbeitslos machte und wie die Gewerkschaft vor Ort sich dem Problem solidarisch stellte.
Eine Zukunftswerkstatt - ebenfalls breit dokumentiert - schloss die Internationale Sommerschule ab. Ihre Leitung verdanken wir Elisabeth Voss und Birgit Zellmer. Doch anstelle der Dokumentation drucken wir hier die Folgerungen aus daraus in der Imshäuser Erklärung hier ab, die von allen verabschiedet wurde.

Die Sommerschule bekam gerade durch ihren internationalen, interkulturellen und interdisziplinären Charakter ihren Reiz, und so haben wir uns da schon ein Stück weit verändert. Besonderer Dank gilt denen, die sie durch ihren Einsatz möglich machten: Petra Maier, Dieter Gawora und Gregor Kritidis als praktische Koordinatorin und Koordinatoren der Organisation vor Ort, das Team der Lateinamerikanerinnen und Lateinamerikaner, Rosangela Alves de Oliveira mit Rosalvo Schütz mit ihren Erfahrungen der Gruppenarbeit zusammen mit Jacqueline Bernardi Cherini und Fabiola Mejia Barragan in der Vorbereitung und Organisation und Andreas Nufer und andere bei der Dauerübersetzung. Anette Schüssler und Roland Bunzenthal stellten als Berichterstatter kritische Fragen an den Prozess des Umdenkens. Die Tagungsstätte und unsere dortigen Partner waren aufmerksame Wegbegleiter: Jochen Garstecki in der Vorbereitung sowie Vinzenz Helm und Susanne Dornberg während der Sommerschule. Die Gruppe hat sich selbst organisiert und dadurch konnten sich Gruppen in den einzelnen Universitätsstädten in diesem Sinne konstituieren, die bis heute mit gemeinsamen Zielen in ihren Universitäten und Regionen weiterarbeiten.