Über den Mut und die Zerbrechlichkeit eines Mannes, der die Welt veränderte. "Saviano macht aus Fakten Literatur." Luzia Braun, ZDF Aspekte
Wie lebt man, wenn man weiß, dass die eigenen Tage gezählt sind? Savianos wichtigstes Buch seit "Gomorrah" erzählt das Leben des größten Mafiajägers der Geschichte. Nicht nur als Richter, sondern auch als Ehemann, als Bruder, als Freund. Mit seinem Geldwäsche-Gesetz forderte Falcone die Mafia heraus. Als er am 25. Mai 1992 mit seiner Frau unterwegs zum Wochenendhaus ist, sprengt die Mafia sie mitsamt einem Stück Autobahn in die Luft. Es ist ein Wendepunkt in der Geschichte Italiens und Europas. Saviano, der seit Jahren unter Polizeischutz lebt, zeigt anhand von Falcones Geschichte wie demokratische Strukturen ausgehöhlt werden und wie durch Zivilcourage die Welt verändert werden kann. Ein Buch, das uns alle betrifft.
Wie lebt man, wenn man weiß, dass die eigenen Tage gezählt sind? Savianos wichtigstes Buch seit "Gomorrah" erzählt das Leben des größten Mafiajägers der Geschichte. Nicht nur als Richter, sondern auch als Ehemann, als Bruder, als Freund. Mit seinem Geldwäsche-Gesetz forderte Falcone die Mafia heraus. Als er am 25. Mai 1992 mit seiner Frau unterwegs zum Wochenendhaus ist, sprengt die Mafia sie mitsamt einem Stück Autobahn in die Luft. Es ist ein Wendepunkt in der Geschichte Italiens und Europas. Saviano, der seit Jahren unter Polizeischutz lebt, zeigt anhand von Falcones Geschichte wie demokratische Strukturen ausgehöhlt werden und wie durch Zivilcourage die Welt verändert werden kann. Ein Buch, das uns alle betrifft.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2024Nie mehr allein gegen die Mafia
Wenn Bewunderung zur erzählerischen Kraft wird: In Roberto Savianos Roman "Falcone" über den mutigen italienischen Vorkämpfer gegen das organisierte Verbrechen klingt nichts amtsstubentrocken, obwohl er sich eng an dokumentierte Fakten hält.
Es gibt in diesem oft so düsteren Roman eine Seite, die in jeder Hinsicht frischen Wind bringt: Sie findet sich ganz am Ende, eine Aufnahme des Richters Giovanni Falcone am offenen Fenster. Zufrieden, ja unbeschwert strahlt er. Der Mann, dem Roberto Saviano in "Falcone" rund dreißig Jahre nach seiner brutalen Ermordung ein Denkmal setzt - hier steht er zum Greifen nah, ausgelassen und ungemein sympathisch. Doch nicht allein der persönliche Eindruck lässt dieses Foto zum krönenden Abschluss eines packenden und mit über 540 Seiten auch wortreichen Werks werden. Das Bild fängt ein, was Falcone geglückt ist: Er hat ein Fenster aufgestoßen, auf dass Licht hereinwoge. "Ein echtes Licht, das die Schatten vertreiben und allen erlauben würde, klar zu sehen, zu verstehen."
Ein genauer Blick war mehr als nötig. Erst nach dem von Falcone vorbereiteten großen Gerichtsverfahren gegen Angehörige der Mafia, dem sogenannten Maxi-Prozess im Jahr 1986, konnte niemand mehr die Existenz dieser verbrecherischen Organisation leugnen. Keine Selbstverständlichkeit, wie man sich immer wieder vor Augen halten sollte.
Der Kampf gegen die Mafia muss auf vielen Ebenen geführt werden, erschöpft sich nicht in strafrechtlicher Verfolgung. Der erste Roman, der sich dieser Organisation literarisch annahm, war Leonardo Sciascias "Der Tag der Eule" von 1961. In diesem Kriminalroman legt Sciascia seinen Figuren Worte in den Mund, die ein Schlaglicht auf das damalige gesellschaftliche Klima werfen. Da ist der Nord-Süd-Konflikt, der in der Nachkriegszeit Fahrt aufnahm und der einen probaten Vorwand an die Hand gab, die Mafia als Hirngespinst des Nordens abzutun: "Wir zwei, wir Sizilianer, glauben nicht an ihre Existenz. Das müsste Ihnen, der Sie anscheinend daran glauben, doch zu denken geben. Aber ich verstehe Sie. Sie sind kein Sizilianer", doch mit "der Zeit werden Sie sich davon überzeugen, dass das alles nur aufgebauschte Geschichten sind." Und auch die Streitigkeiten zwischen den Parteien prägten die Wahrnehmung der Wirklichkeit und die Reaktion auf diese: "Stolz und verächtlich weise die Regierung die Unterstellung der Linksparteien in ihren Zeitungen von sich, dass Mitglieder des Parlaments oder gar der Regierung auch nur die losesten Beziehungen zu Angehörigen der sogenannten Mafia unterhielten, die nach Ansicht der Regierung ohnehin ausschließlich in der Fantasie der Kommunisten existiere."
Gegen diese Vorurteile muss Roberto Saviano nicht mehr anschreiben, die Existenz verschiedener mafiöser Organisationen ist längst anerkannt, auch dank seiner Werke zur neapolitanischen Camorra, mögen diese journalistischer oder literarischer Art sein. Als augenfällige Kontinuität bleibt freilich festzuhalten, dass ihm sein Engagement ein Leben unter Polizeischutz eingetragen hat. Genau wie dem von ihm bewunderten Falcone. Ein wenig davon dürfte in die Darstellung des Privatlebens Falcones eingegangen sein. So empört sich die Nachbarschaft, wenn durch die Wohnung des Richters Kinder poltern oder er eine Party feiert: "Dass einer wie er sich amüsiert, ist unanständig. Es ist nicht gottgefällig. Nicht dafür bezahlen die Bürger seinen Geleitschutz, sondern damit er leidet und das Leiden verkörpert." Damit er nur noch auf Zehenspitzen durch die eigene Wohnung schleicht.
Insgesamt hält sich Saviano mit solchen Einfühlungen jedoch sehr zurück. Das führt zu den Stärken, aber auch zu den Schwächen seines Romans.
Saviano maßt sich nie an, Falcone zu kennen - obwohl er das Material zum Maxi-Prozess vermutlich besser kennt als irgendwer sonst. Die Vorbereitung dieses Verfahrens gewinnt bei ihm durch Zeitsprünge, Perspektivwechsel und Dialoge, durch die Darstellung von Hoffnungen und Ängsten den Charakter eines Kriminalromans. Hier ist nichts amtsstubentrocken, im Gegenteil, das ist packend erzählt.
Gleichzeitig versichert Saviano mit großer Eindringlichkeit in einer Vorbemerkung, die einzelnen Episoden oder Geschichten haben sich genau in der von ihm geschilderten Weise zugetragen, seien authentisch. Mitunter gebe es verschiedene Versionen einer Begebenheit, dann habe er eine Auswahl vorgenommen. Entsprechende Quellenangaben und zusätzliche Informationen lassen sich nachlesen, der Link folgt etwas versteckt am Ende des Buches.
Das deutet auf ein Manko, das dem Roman insgesamt jedoch nachzusehen ist. Mitunter scheut Saviano vor einer mutigen Literarisierung zurück und erzählt ganz entlang dokumentierter Fakten. Als Beispiel sei ein Kapitel genannt, in dem ein Journalist den Präfekten von Palermo interviewt. Beide kennen sich noch aus der Resistenza, nach dem Krieg haben sich ihre Wege jedoch getrennt. Bei dem Präfekten handelt es sich um Carlo Alberto dalla Chiesa, der sich unter anderem bei der Bekämpfung der Roten Brigaden und während der Entführung von Aldo Moro einen Namen gemacht hat. Dann sollte er in Palermo gegen die Mafia vorgehen. In dem bereits erwähnten Hintergrundmaterial nennt Saviano die Quelle, in der dieses Interview nachzulesen ist. Im Roman setzt er an dieser Stelle zu viel voraus, vermutlich nicht nur bei einer Leserschaft, die mit den italienischen Verhältnissen nicht so vertraut ist; hier handhabt er sein Expertenwissen einfach nicht ganz souverän. So fragt der Journalist: "Was verlangen Sie? Eine Art Antimafia-Diktatur? Die Sonderbefugnisse von Präfekt Mori?" Wenn dalla Chiesa ihn daraufhin als "Verfechter liberaler rechtsstaatlicher Prinzipien" kritisiert, schimmern die Parteienkämpfe zwischen rechts und links nur noch sehr vage durch, und dass Mori unter Mussolini so erfolgreich gegen die Mafia gekämpft hat, dass diese bereits als tot galt, geht an keiner Stelle aus dem Roman hervor.
Selbst in diesem eher schwachen Kapitel kriegt Saviano am Ende die Kurve. Da behauptet dalla Chiesa, die Mafia könne jeden Gegner umbringen, egal wie mächtig er sei, wenn "er isoliert ist". Der Originaltitel lautet "Solo è il coraggio", und mit diesen Worten endet der Roman: "der Mut ist einsam." Falcones einstiger Chef hat dem entgegenzuwirken versucht. Ihm ist die Etablierung eines Teams zu verdanken. Denn wenn ein Untersuchungsrichter stirbt, "darf das Wissen, das jeder von uns angesammelt hat, nicht verloren gehen. Wenn einer fällt, fällt nicht auch die Ermittlung. Wenn einer fällt, wissen wir, dass er, bevor er fiel, den Staffelstab weitergegeben hat."
Den Kampf der Mafia gegen den Staat und des Staates gegen die Mafia stellt Saviano auch begrifflich als Krieg dar. Nur gemeinsam lässt er sich führen - und nur im Bewusstsein, wie unterwandert der Staat bereits ist. Ein Generalstaatsanwalt verlangt, Falcone solle tun, was Untersuchungsrichter immer tun: "Nichts!" Dieser jedoch "kreist mit dem Bleistift auf den Papieren, die über seinem Schreibtisch verteilt sind, Namen ein. Namen von Mafiosi, Bankangestellten und Unternehmern. Bis vor einiger Zeit hätte niemand gedacht, dass man sie miteinander in Verbindung bringen könnte." Um diesen Konnex zu sehen, gilt es, den Blick auf die Zustände und Gegebenheiten zu schärfen und sich nicht durch Parteileitplanken im Vorgehen einhegen zu lassen. Oder davon, dass Saviano ein "männliches Buch" vorgelegt hat, jedenfalls sofern man darunter ein Übergewicht an männlichen Figuren und ein recht traditionelles Rollenbild versteht. Entscheidender jedoch: Es ist ein sehr lesenswertes Buch. CHRISTIANE PÖHLMANN
Roberto Saviano:
"Falcone". Roman.
Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki. Hanser Verlag, München 2024.
544 S., geb., 32,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn Bewunderung zur erzählerischen Kraft wird: In Roberto Savianos Roman "Falcone" über den mutigen italienischen Vorkämpfer gegen das organisierte Verbrechen klingt nichts amtsstubentrocken, obwohl er sich eng an dokumentierte Fakten hält.
Es gibt in diesem oft so düsteren Roman eine Seite, die in jeder Hinsicht frischen Wind bringt: Sie findet sich ganz am Ende, eine Aufnahme des Richters Giovanni Falcone am offenen Fenster. Zufrieden, ja unbeschwert strahlt er. Der Mann, dem Roberto Saviano in "Falcone" rund dreißig Jahre nach seiner brutalen Ermordung ein Denkmal setzt - hier steht er zum Greifen nah, ausgelassen und ungemein sympathisch. Doch nicht allein der persönliche Eindruck lässt dieses Foto zum krönenden Abschluss eines packenden und mit über 540 Seiten auch wortreichen Werks werden. Das Bild fängt ein, was Falcone geglückt ist: Er hat ein Fenster aufgestoßen, auf dass Licht hereinwoge. "Ein echtes Licht, das die Schatten vertreiben und allen erlauben würde, klar zu sehen, zu verstehen."
Ein genauer Blick war mehr als nötig. Erst nach dem von Falcone vorbereiteten großen Gerichtsverfahren gegen Angehörige der Mafia, dem sogenannten Maxi-Prozess im Jahr 1986, konnte niemand mehr die Existenz dieser verbrecherischen Organisation leugnen. Keine Selbstverständlichkeit, wie man sich immer wieder vor Augen halten sollte.
Der Kampf gegen die Mafia muss auf vielen Ebenen geführt werden, erschöpft sich nicht in strafrechtlicher Verfolgung. Der erste Roman, der sich dieser Organisation literarisch annahm, war Leonardo Sciascias "Der Tag der Eule" von 1961. In diesem Kriminalroman legt Sciascia seinen Figuren Worte in den Mund, die ein Schlaglicht auf das damalige gesellschaftliche Klima werfen. Da ist der Nord-Süd-Konflikt, der in der Nachkriegszeit Fahrt aufnahm und der einen probaten Vorwand an die Hand gab, die Mafia als Hirngespinst des Nordens abzutun: "Wir zwei, wir Sizilianer, glauben nicht an ihre Existenz. Das müsste Ihnen, der Sie anscheinend daran glauben, doch zu denken geben. Aber ich verstehe Sie. Sie sind kein Sizilianer", doch mit "der Zeit werden Sie sich davon überzeugen, dass das alles nur aufgebauschte Geschichten sind." Und auch die Streitigkeiten zwischen den Parteien prägten die Wahrnehmung der Wirklichkeit und die Reaktion auf diese: "Stolz und verächtlich weise die Regierung die Unterstellung der Linksparteien in ihren Zeitungen von sich, dass Mitglieder des Parlaments oder gar der Regierung auch nur die losesten Beziehungen zu Angehörigen der sogenannten Mafia unterhielten, die nach Ansicht der Regierung ohnehin ausschließlich in der Fantasie der Kommunisten existiere."
Gegen diese Vorurteile muss Roberto Saviano nicht mehr anschreiben, die Existenz verschiedener mafiöser Organisationen ist längst anerkannt, auch dank seiner Werke zur neapolitanischen Camorra, mögen diese journalistischer oder literarischer Art sein. Als augenfällige Kontinuität bleibt freilich festzuhalten, dass ihm sein Engagement ein Leben unter Polizeischutz eingetragen hat. Genau wie dem von ihm bewunderten Falcone. Ein wenig davon dürfte in die Darstellung des Privatlebens Falcones eingegangen sein. So empört sich die Nachbarschaft, wenn durch die Wohnung des Richters Kinder poltern oder er eine Party feiert: "Dass einer wie er sich amüsiert, ist unanständig. Es ist nicht gottgefällig. Nicht dafür bezahlen die Bürger seinen Geleitschutz, sondern damit er leidet und das Leiden verkörpert." Damit er nur noch auf Zehenspitzen durch die eigene Wohnung schleicht.
Insgesamt hält sich Saviano mit solchen Einfühlungen jedoch sehr zurück. Das führt zu den Stärken, aber auch zu den Schwächen seines Romans.
Saviano maßt sich nie an, Falcone zu kennen - obwohl er das Material zum Maxi-Prozess vermutlich besser kennt als irgendwer sonst. Die Vorbereitung dieses Verfahrens gewinnt bei ihm durch Zeitsprünge, Perspektivwechsel und Dialoge, durch die Darstellung von Hoffnungen und Ängsten den Charakter eines Kriminalromans. Hier ist nichts amtsstubentrocken, im Gegenteil, das ist packend erzählt.
Gleichzeitig versichert Saviano mit großer Eindringlichkeit in einer Vorbemerkung, die einzelnen Episoden oder Geschichten haben sich genau in der von ihm geschilderten Weise zugetragen, seien authentisch. Mitunter gebe es verschiedene Versionen einer Begebenheit, dann habe er eine Auswahl vorgenommen. Entsprechende Quellenangaben und zusätzliche Informationen lassen sich nachlesen, der Link folgt etwas versteckt am Ende des Buches.
Das deutet auf ein Manko, das dem Roman insgesamt jedoch nachzusehen ist. Mitunter scheut Saviano vor einer mutigen Literarisierung zurück und erzählt ganz entlang dokumentierter Fakten. Als Beispiel sei ein Kapitel genannt, in dem ein Journalist den Präfekten von Palermo interviewt. Beide kennen sich noch aus der Resistenza, nach dem Krieg haben sich ihre Wege jedoch getrennt. Bei dem Präfekten handelt es sich um Carlo Alberto dalla Chiesa, der sich unter anderem bei der Bekämpfung der Roten Brigaden und während der Entführung von Aldo Moro einen Namen gemacht hat. Dann sollte er in Palermo gegen die Mafia vorgehen. In dem bereits erwähnten Hintergrundmaterial nennt Saviano die Quelle, in der dieses Interview nachzulesen ist. Im Roman setzt er an dieser Stelle zu viel voraus, vermutlich nicht nur bei einer Leserschaft, die mit den italienischen Verhältnissen nicht so vertraut ist; hier handhabt er sein Expertenwissen einfach nicht ganz souverän. So fragt der Journalist: "Was verlangen Sie? Eine Art Antimafia-Diktatur? Die Sonderbefugnisse von Präfekt Mori?" Wenn dalla Chiesa ihn daraufhin als "Verfechter liberaler rechtsstaatlicher Prinzipien" kritisiert, schimmern die Parteienkämpfe zwischen rechts und links nur noch sehr vage durch, und dass Mori unter Mussolini so erfolgreich gegen die Mafia gekämpft hat, dass diese bereits als tot galt, geht an keiner Stelle aus dem Roman hervor.
Selbst in diesem eher schwachen Kapitel kriegt Saviano am Ende die Kurve. Da behauptet dalla Chiesa, die Mafia könne jeden Gegner umbringen, egal wie mächtig er sei, wenn "er isoliert ist". Der Originaltitel lautet "Solo è il coraggio", und mit diesen Worten endet der Roman: "der Mut ist einsam." Falcones einstiger Chef hat dem entgegenzuwirken versucht. Ihm ist die Etablierung eines Teams zu verdanken. Denn wenn ein Untersuchungsrichter stirbt, "darf das Wissen, das jeder von uns angesammelt hat, nicht verloren gehen. Wenn einer fällt, fällt nicht auch die Ermittlung. Wenn einer fällt, wissen wir, dass er, bevor er fiel, den Staffelstab weitergegeben hat."
Den Kampf der Mafia gegen den Staat und des Staates gegen die Mafia stellt Saviano auch begrifflich als Krieg dar. Nur gemeinsam lässt er sich führen - und nur im Bewusstsein, wie unterwandert der Staat bereits ist. Ein Generalstaatsanwalt verlangt, Falcone solle tun, was Untersuchungsrichter immer tun: "Nichts!" Dieser jedoch "kreist mit dem Bleistift auf den Papieren, die über seinem Schreibtisch verteilt sind, Namen ein. Namen von Mafiosi, Bankangestellten und Unternehmern. Bis vor einiger Zeit hätte niemand gedacht, dass man sie miteinander in Verbindung bringen könnte." Um diesen Konnex zu sehen, gilt es, den Blick auf die Zustände und Gegebenheiten zu schärfen und sich nicht durch Parteileitplanken im Vorgehen einhegen zu lassen. Oder davon, dass Saviano ein "männliches Buch" vorgelegt hat, jedenfalls sofern man darunter ein Übergewicht an männlichen Figuren und ein recht traditionelles Rollenbild versteht. Entscheidender jedoch: Es ist ein sehr lesenswertes Buch. CHRISTIANE PÖHLMANN
Roberto Saviano:
"Falcone". Roman.
Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki. Hanser Verlag, München 2024.
544 S., geb., 32,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main