Der uns begegnende Christus
Was ist Wahrheit?", ist die bekannte Frage des Heiden Pontius Pilatus. Die Christgläubigen sind geneigt zu bekennen, dass der Christus die Wahrheit sei (Joh 14,6). Was aber ist der Christus, dass er nicht einfach die Wahrheit sage, sondern sie sei? Und muss die
Christus-Wahrheit nicht etwas weit Höheres sein denn bloße Ungelogenheit oder Zutreffendheit einer Aussage…mehrDer uns begegnende Christus
Was ist Wahrheit?", ist die bekannte Frage des Heiden Pontius Pilatus. Die Christgläubigen sind geneigt zu bekennen, dass der Christus die Wahrheit sei (Joh 14,6). Was aber ist der Christus, dass er nicht einfach die Wahrheit sage, sondern sie sei? Und muss die Christus-Wahrheit nicht etwas weit Höheres sein denn bloße Ungelogenheit oder Zutreffendheit einer Aussage oder ihre Übereinstimmung mit einem Gegenstande, den wir doch nicht vollständig zu beurteilen vermögen? Muss sie nicht auch die Unschuld implizieren oder gar sein, die der Christus als Erlöser aus Sünde und Schuld gewährt? Wieso aber glauben so viele Menschen an den Christus und dennoch an die Wahrheit der Schuld? Wissen sie denn genau, an was sie glauben? Wissen sie, was der Christus sei? Dieser Christus aber ist höchst merkwürdig. Er begegnet dem Menschen gern in einer ihm unliebsamen, ja: widerwärtigen Gestalt. So kam er einst nicht als prachtvoll strahlender König mit unüberwindlichen Heerscharen, um die Feindes Israels ruhmreich zu besiegen, sondern als ärmlich staubiger Wanderprediger mit einer langhaarigen Jüngerhorde, um den Feindglauben Israels unauffällig zu vergeben. So entging den meisten Zeitgenossen jenes Wanderpredigers die Größe Christi hinter der weltlichen Kleinheit Jesu. Nun ist ein neues Buch erschienen, dessen Botschaft so einsam verhallt, wie die ersten Predigten des Johannes des Täufers in der Wüste. Das Evangelium der Unschuld" von Achim Elfers predigt das Evangelium Jesu in einer Sprache, die den Erwartungen nicht entspricht. Da werden ,Synagoge' und ,Sympathie' mit u statt y geschrieben, ,Gleichnis' mit doppeltem s, der ,Prophet' und ,amen' mit ä statt e, und latinisiert-verdeutschte Namen wie ,Jesus' und Judas' werden zu ,Jeschua' und ,Jehuda' rehebraifiziert. Wozu das? Soll hinter einer sprachlich unliebsamen Gestalt wiederum der Christus oder seine Botschaft verkannt werden? Der Mensch - auch der gebildete! - möge nicht seine Gewohnheit mit Wissenschaft verwechseln und nicht seine Umgangssprache mit Gottes Wort. Hinter der ungewohnten Gestalt der Elfersschen Kunstsprache atmet der Geist des Erkennens der Unschuld. Dieser aber wird nur äußerst schwer willkommen geheißen werden, so lange der Mensch noch an die bewiesene Wahrheit seiner sprachlichen Gewohnheiten und seines Schulddenkens glaubt. Ist aber die Schuld wahr? Kann sie dies sein, wenn der Christus die Wahrheit ist, welcher aus der Schuld erlöst? Der Mensch ist aber noch nicht aus der Schuld erlöst, sondern wohnt gedanklich in ihr und sie in ihm. Tagtäglich wird dies offenbar. Er weiß aber nicht, dass er an Schuld glaubt und dies nur aus dem Grunde glauben kann, weil er nicht an den Christus glaubt, sondern höchstens an "den lieben Herrn Jesus". Er weiß nicht, dass der Christus die Einsheit der Menschen wie der ganzen ewigen Schöpfung ist, darinnen der Schaden unmöglich ist, auf den er sein eben nur weltliches Schulddenken stützt. Er glaubt ja an die vergängliche Welt als Wahrheit und setzt sie prüflos und fälschlich mit der unvergänglichen Schöpfung gleich und staunt dann bestürzt, wenn diese Welt und deren Dinge, an die er sein Herz gehängt hat, vergehen und zerstört werden. Das wertet er als den Schaden, welchen er als Grundlage für seinen doch eher heidnisch anmutenden Schuldglauben verwendet. Im "Evangelium der Unschuld" aber wird nun gepredigt und erklärt, dass Unschuld nicht durch Gesetzestreue und Unterlassung des verbrecherischen Gesetzesbruches und Schuldvermeidung entsteht, sondern durch der Schuld Vergebung. Erst die Schau der Unschuld eines Verbrechers wird als der Weg zu der Erkenntnis eigenen Unschuld benannt. Das ist eigentlich nicht neu, jedoch noch immer genau so brisant wie vor zweitausend Jahren. Möge es nicht wiederum an der schuldgläubigen Verfallenheit der Menschen an die Welt abprallen wie seitdem immer wieder.