Ein indisch stämmiger Engländer, der über ein Land schreibt, in dem er noch nie war und über das er nichts weiß. Kann das gut gehen? Offenbar nein. Wenn man nämlich bereits nach den ersten Seiten eines Buches das Gefühl bekommt, das es einen nicht zum Weiterlesen reizt, ist das ein schlechtes
Zeichen. Dabei klingt der Klappentext doch so vielversprechend.
Worum geht es? Ein fast hundertjähriger…mehrEin indisch stämmiger Engländer, der über ein Land schreibt, in dem er noch nie war und über das er nichts weiß. Kann das gut gehen? Offenbar nein. Wenn man nämlich bereits nach den ersten Seiten eines Buches das Gefühl bekommt, das es einen nicht zum Weiterlesen reizt, ist das ein schlechtes Zeichen. Dabei klingt der Klappentext doch so vielversprechend.
Worum geht es? Ein fast hundertjähriger blinder Mann sitzt in seiner kleinen Wohnung in Bulgarien und resümiert über sein Leben. Dieses verlief eher leidlich. Als kleiner Junge wollte er Geiger werden, doch sein Vater war gegen solch ein Lotterleben. Als junger Mann war es sein Traum, Chemiker zu werden, doch sein Studium in Berlin musste er abbrechen, als seiner Familie das Geld ausging. Zurück in der Heimat, muss er miterleben, wie sein bester Freund aus Kindertagen als politischer Aufständischer von der neuen Regierung ermordet wird. Und schließlich verlässt ihn seine Frau zusammen mit dem gemeinsamen Sohn, da sie das eher ärmliche Leben mit ihm nicht ertragen kann. Jetzt, am Ende seines Lebens angelangt, erschafft sich der alte Mann eine Fantasiewelt, um seiner Realität zu entkommen. In seinen Tagträumen erobert ein junger Geiger die ganze Welt mit seiner Musik. Und der alte Mann sieht endlich seinen Sohn wieder…
Klingt doch gut, oder? Leider hat mich das traurige Schicksal des alten Mannes und seiner Lebensbegleiter, das vom Faschismus, Sozialismus und Kommunismus geprägt wurde, beim Lesen einfach nicht berührt, da der Autor alles so oberflächlich schildert, dass einem die Charaktere überhaupt nicht ans Herz wachsen und man somit auch nicht mitleiden kann. Und überhaupt, die Charaktere. Die wirkten einfach flach und zeitweise fürchterlich unglaubwürdig in ihren Handlungen. Welche Frau beispielsweise würde, nachdem sie ihr Exmann gerade beim leidenschaftlichen Sex mit einem anderen beobachtet hat, danach freundlich zur Tür gehen, den Spanner herbeiwinken und ihn liebevoll drücken? Diese und andere Szenen ließen mich an der Tiefe und Glaubwürdigkeit der Charaktere zweifeln.
Dazu kommt der Schreibstil. Einerseits sehr flüssig geschrieben, andererseits so oberflächlich, dass es beim Leser keine Gefühle auslöst. Und immer wieder blieb mein Auge an Satzkonstruktionen hängen, die so platt waren, dass ich ernsthaft an der Schreibfähigkeit des Autors gezweifelt habe.
Romanhaft klingt die Geschichte, doch besonders im ersten Teil des Buches ähnelt die Ausführung eher einem Sachbuch, da es eine Aneinanderreihung von historischen Fakten ist, gespickt mit persönlichen (angelesenen) Erfahrungen. Der Autor sagt selbst, dass er über Bulgarien nichts wusste, bis er dieses Buch geschrieben hat, und ich finde, das merkt man auch. Die Beschreibungen der Orte, der gesamten Szenerie wirken blutleer und reizlos, das Flair des Landes und der Zeitgeist wollen einfach nicht richtig aufkommen. Und wer keine Ahnung von bulgarischer Geschichte hat, dürfte sich etwas verloren vorkommen. Wissen über die politische Situation Bulgariens am Anfang des 20. Jh. wird offenbar vorausgesetzt, denn erklärt wird kaum etwas, man wird nur mit Namen der Politiker überhäuft. Mit einem Geschichtsbuch wäre ich an dieser Stelle besser bedient gewesen.
Mein Fazit: ein streckenweise gutes, dann wieder schwaches Buch über das Leben in einem politisch zerrissenen Land. Leider bleibt nichts hängen, sobald man das Buch zugeklappt hat. Am gelungensten war da wohl noch der Klappentext. Schade eigentlich.