Im Jahr 1994 ist Sheridan Grant ein 15jähriges Mädchen, das auf einer Farm in Nebraska lebt. Aufgewachsen als Adoptivkind, geliebt vom Vater, eher gehasst von der Mutter („Du benimmst dich wirklich wie der letzte Abschaum! Ich schäme mich, dass du unseren Namen trägst, du … du … niederträchtiger,
schlechter Mensch!“), von einem ihrer vier Brüder schikaniert und gequält. Sie passt mit ihrer Liebe…mehrIm Jahr 1994 ist Sheridan Grant ein 15jähriges Mädchen, das auf einer Farm in Nebraska lebt. Aufgewachsen als Adoptivkind, geliebt vom Vater, eher gehasst von der Mutter („Du benimmst dich wirklich wie der letzte Abschaum! Ich schäme mich, dass du unseren Namen trägst, du … du … niederträchtiger, schlechter Mensch!“), von einem ihrer vier Brüder schikaniert und gequält. Sie passt mit ihrer Liebe zu Literatur und Musik, ihrer Begeisterung für Bücher und ihren guten Noten nicht wirklich in die Familie und in die Welt aus Farmarbeit und Kirche. „Ich passte so wenig in die Familie Grant wie ein Eisbär in die Wüste.“, konstatiert sie, zudem ist sie das einzige Mädchen neben den vier leiblichen Söhnen ihrer Eltern. Sie pubertiert und rebelliert vor allem gegen die Mutter und dann überschlagen sich die Ereignisse in ihrem Leben. Sie forscht nach ihrer Herkunft, sucht ihre Wurzeln, kämpft mit Widrigkeiten und muss Hindernisse überwinden und findet dabei über Umwege und zahlreiche Liebhaber (oder in ihrem Fall eher Sexualpartner) ihren eigenen Weg ins Leben. Muss sie auch, denn sie stellt nach und nach fest, dass sie sich auf niemanden wirklich verlassen kann.
„Sommer der Wahrheit“ von Nele Neuhaus ist der erste Teil der Trilogie um Sheridan Grant. Es ist in der Hauptsache ein unterhaltsamer Coming-of-Age-Roman über Familiengeheimnisse, manchmal auch tiefgründig, ab und zu nachdenklich machend. Mir ist in Sheridans Entwicklung in Anbetracht ihres Alters definitiv zu viel sexuelle Aktivität verarbeitet, aber vielleicht bin ich da auch zu prüde. Alles in allem überstürzen sich die Ereignisse in ihrem Leben vielleicht auch ein bisschen zu viel und zu heftig, man kann es unrealistisch nennen oder „ein bewegtes Leben“.
Sheridan ist ein sehr interessanter Charakter. Die Mischung aus kindlicher Unbedarftheit und Naivität und ihrer fast promisken Art ist explosiv. Ihr Vater kommt mir sehr unbeholfen und oft hilflos vor, die Hosen in der Beziehung hat definitiv seine Frau an, allerdings lässt er sehenden Auges zu, dass seine Familie zerbricht. Da bedient Nele Neuhaus auch jegliches Klischee der hinterwäldlerischen Farmbewohner, denn die heuchlerische, fast bigotte Mutter, hätte mit ihren Ansichten statt in die 1990er Jahre auch ins vorige Jahrhundert gepasst. Vertrauen, Vertrauensseligkeit, Lügen, falsche Freunde, Einsamkeit und Hoffnung sind zentrale Elemente des Buchs und machen es zu einem runden und gelungenen Werk, in dem Sheridan eine manchmal schmerzvolle Entwicklung durchläuft.
Zwar sind Klischee, Theatralik und Tragik sehr präsent, was ich allerdings einem Unterhaltungsroman nicht ankreiden kann, er erhebt ja nicht den Anspruch, große Literatur zu sein. Und natürlich hat Sheridan zu allen Schicksalsschlägen und Problemen noch ein riesiges musikalisches Talent – natürlich, sonst müsste man ja kein Buch draus machen. Insgesamt geht sehr viel schief und sehr viel sehr glatt, es ist sehr konstruiert und plakativ, aber trotz ein paar Längen und ein paar wirren Windungen nie langweilig sondern packend, manchmal spannend und flott zu lesen. Obwohl ich ein überzeugter Krimi-Leser bin, hat das Buch mich trotz der vielen (manchmal auch sehr konstruierten) Schicksalsschläge gut unterhalten und ich freue mich auf die folgenden Teile. Wer allerdings ein Buch im Stil der Krimis von Nele Neuhaus erwartet, könnte enttäuscht sein. Dieses Buch hat damit nicht einmal stilistisch etwas gemeinsam. Zwar ist die Sprache einfach, das Buch flott und leicht zu lesen, aber die Spannung und die Atmosphäre der Taunus-Krimis fehlen völlig. Von mir aber klare 4 Sterne.