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Seltsame und faszinierende Menschen am Strand, in den Hotels und auf den Promenaden: Undine Gruenters Erzählungen zeichnen eine Welt, die zugleich faszinierend fremd ist und seltsam vertraut. Undine Gruenter erzählt vom Meer und den Sommergästen, von den Hotels und denen, die dort ihre Ferien verbringen, aber auch von jenen, die in den verlassenen Orten bleiben, wenn der Trubel der Hochsaison vorbei ist und im Herbst nur die immer gleichen Dauergäste bleiben. So war es in der Belle poque, und so ist es heute noch: Wer im Sommer von Paris ans Meer will, der fährt an die bretonische oder…mehr

Produktbeschreibung
Seltsame und faszinierende Menschen am Strand, in den Hotels und auf den Promenaden: Undine Gruenters Erzählungen zeichnen eine Welt, die zugleich faszinierend fremd ist und seltsam vertraut. Undine Gruenter erzählt vom Meer und den Sommergästen, von den Hotels und denen, die dort ihre Ferien verbringen, aber auch von jenen, die in den verlassenen Orten bleiben, wenn der Trubel der Hochsaison vorbei ist und im Herbst nur die immer gleichen Dauergäste bleiben. So war es in der Belle poque, und so ist es heute noch: Wer im Sommer von Paris ans Meer will, der fährt an die bretonische oder normannische Küste. Doch die Zeiten und die Moden ändern sich, und der Glanz der großen Zeiten von Flaubert bis Proust ist verblasst auf den Promenaden und den Stränden, unter den Markisen der Caf s und in den Gärten der Ferienvillen. Undine Gruenter entwirft ein Tableau von faszinierenden Figuren: Da ist die Achtzigjährige, die seit Jahr und Tag hierher zurückkehrt und bereits von dem ewig gleichen Taxifahrer erwartet wird, und da ist das kleine Mädchen, das die Ruhe der schattigen Ferienvilla für seine ersten erotischen Versuche nutzt, da sind Künstler, Geschäftsleute und rätselhafte Müßi ggänger. Mit großer atmosphärischer Dichte und sprachlicher Finesse lässt Undine Gruenter eine Welt entstehen, die von großer Wirklichkeit ist und zugleich immer wirkt wie ein Traum aus einer anderen Zeit.
Autorenporträt
Undine Gruenter wurde 1952 in Köln geboren. Sie studierte Jura und Literaturwissenschaft und veröffentlichte zahlreiche Romane und Erzählbände. Sie starb 2002 in Paris, wo sie seit Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts lebte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.01.2003

Leben hinter dem Paravent
"Sommergäste in Trouville": Erzählungen von Undine Gruenter als Vorabdruck in der F.A.Z.

Wie viele Leben hat der Mensch? Mindestens zwei: das Leben, das man tatsächlich führt, und jenes, das man gern führen würde, wenn man jünger, älter, gesünder, reicher, begabter, mutiger oder verrückter wäre. Und dann sind da noch jene anderen Leben, Möglichkeiten, die man ausgeschlagen, Beschlüsse, die man gefaßt, Menschen, gegen die man sich entschieden hat - ungezählte Variationen des Lebens, die als flackernde Schatten durch die Erinnerung spuken.

Wie kaum eine andere Schriftstellerin ihrer Generation verstand es die im vergangenen Oktober gestorbene Undine Gruenter, die Möglichkeit in der Wirklichkeit durchschimmern zu lassen. Mit unerschrockener Leichtigkeit wagte sie sich auf heikelstes Terrain: Ihre Sätze halten die Seele fest, wiegen sie und legen sie behutsam wieder hin. So gelang es ihr, ein fernes Glück aus der Nähe zu betrachten: noble, bisweilen auch unerbittliche Sehnsucht von Literatur. Doch dieser Autorin lag nichts ferner als die Entblößung anderer oder gar ihrer selbst. Sie wollte vielmehr anschreiben gegen die Zeit, die unweigerlich alles vorherige überdeckt. Ihr Prosa bewahrt, palimpsestartig, vergangene Stimmungen, Gefühle und Augenblicke für die Gegenwart. Denn wie das Schreiben kann auch das Leben vornehmlich im Kopf stattfinden. Und wo man sich schon in Gedanken begegnet, verfehlt man sich oft genug in der Realität - allen voran Mann und Frau.

Noch kurz vor ihrem Tod hatte Undine Gruenter, Meisterin der kleinen Form, die Arbeit an dem Erzählungsband "Sommergäste in Trouville" abgeschlossen, den wir von heute an leicht gekürzt vorabdrucken. Die Geschichten zeichnen das Porträt eines Landstrichs, der der Schriftstellerin vertraut war. War es in ihrem letzten Roman, "Das Versteck des Minotaurus", erneut ein Labyrinth, das sie vor Augen hatte, stattet sie nun den Küstenort Trouville mit einem scheinbar zeitlosen genius loci aus.

Es gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen des Flaneurs, sich auszumalen, was für Leben sich wohl hinter den Fassaden abspielen mögen. Undine Gruenter macht sich den introvertierten Blick für das Äußerliche zu eigen. Ihr Trouville ist ganz in der Gegenwart verhaftet und scheint doch aus der Zeit gefallen. Die Hochsaison liegt ihr nicht; ihre Figuren stehen eher abseits, sind froh, wenn die hors-saison beginnt und sie wieder ihre Ruhe haben. Außerdem fällt im Sommer besonders auf, daß die glanzvollen Tage des Seebads vorbei sind.

In den Erzählungen geht es um Schicksale, die gerade eine entscheidende Wendung nehmen, weil die Liebe vor der Tür steht, ein Wunsch in Erfüllung geht, ein neuer Lebensabschnitt beginnt oder der Tod naherückt. Immer wieder geht es um Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen, um die Ungeheurlichkeiten, die sie einander manchmal antun, ohne es zu bemerken. Dabei haben es die Älteren mit ihrem Bemühen, nur ja nichts falsch zu machen, schwerer als die Kinder, von denen oft etwas Unheimliches ausgeht. Gleich in der ersten Geschichte, "Übungsstunde", erkundet ein Mädchen in einer einsamen Ferienvilla die eigene Sexualität. Ein anderes verstört die Pflegemutter mit seiner Pralinensucht. Und dann ist da noch der Schriftsteller, der auf der Suche nach einem Feriendomizil am Abend durch die Gassen Trouvilles streift - und "plötzlich sehe ich ein Kind in der Mitte des Zimmers sitzen, es starrt mit einem weißen, apathischen Gesicht auf eine erleuchtete Weltkugel. . . . Ein Lachen durchläuft mich wie ein Schüttelfrost."

So unvermutet verwischt Undine Gruenter die Grenzen zwischen Leben, die zwar getrennt ablaufen, aber einander doch berühren. Daß man ihr gebannt folgt, liegt an der Schönheit ihrer Prosa, die die Gedanken der Figuren ebenso anmutig abbildet, wie sie Interieurs und Orte beschreibt. Dabei verweilt Undine Gruenter keineswegs nur in Schlössern oder eleganten Villen, sondern etwa auch im Bungalow der wunderlichen Mademoiselle Heuline oder im Appartement jener alten Dame, die jeden Sommer nach Trouville zurückkehrt und ihr Leben Revue passieren läßt. Mehr noch als ihre Romane sind diese Erzählungen Land ihrer Entstehung geprägt, von den müden Farben, Geschmack und Stil des französischen Barock, vom Klang der Sprache. Und so scheinen die "Paravents", denen die abschließende Erzählung des Bands gewidmet ist, als einzige Trennung zwischen verschiedenen Leben, und, in den kostbarsten Momenten des Glücks, als einzige, transparente Wand zwischen Autorin und Leser.

FELICITAS VON LOVENBERG

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher:
Unter den deutschen Romanen und Erzählungen gab es nicht "das" eindeutige Buch der Saison, aber doch eine Menge ansprechende Rezensionen. Man könnte Sibylle Lewitscharoffs "Montgomery", Reinhard Jirgls "Die Unvollendeten", Wolfgang Hilbigs Erzählungen "Der Schlaf der Gerechten" und Daniel Kehlmanns satirischen Künslterroman "Ich und Kaminski" nennen. Aber soviel Platz ist hier ja nicht! Wir wählen ein stilleres Buch, aber eines, das uns auf den längst fälligen Sommer vorbereitet: Undine Gruenters Erzählungen "Sommergäste in Trouville", einen nachgelassenen Band der jüngst verstorbenen Autorin, der die Atmosphäre dieses etwas verblichenen Badeorts an der Normandie-Küste aufleben lässt. "Erotik im Wartestand, Etüden der Einsamkeit" fand hier Andrea Köhler in der "NZZ". Joseph Hanimann feierte Gruenter in der "FAZ" als "eine Wiedergängerin des jungen Marcel Proust im Pastiche-Kleid der Belle-Epoque". Für Dorothea Dieckmann in der "Zeit" übertreffen die Erzählungen gar die "Meisterschaft von Ingeborg Bachmanns letzten heiter-bitteren Erzählungen". Ein Buch, das man am besten unter dem Sonnenschirm liest.

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Die unglaubliche Souveränität, die Undine Gruenter in diesen letzten 15 Erzählungen erreicht hat, übertrifft nach Ansicht von Rezensentin Dorothea Dieckmann noch die "Meisterschaft von Ingeborg Bachmanns letzten heiter-bitteren Erzählungen". Noch weiter sei der literarische Spielraum, den Gruenter in ihnen mit tänzerischer Freiheit abmesse. In der letzten Erzählung des Bandes sieht die euphorisierte Rezensentin die im Oktober 2002 verstorbene Autorin sogar "mit genussvoller Eleganz und komischer Melancholie" den ästhetischen Bogen von de Laclos bis Nathalie Sarraute spannen. Doch großartig findet Dieckmann alle Erzählungen, die in der Nebensaison in einem französischen Badeort spielen. Sie spricht von "Kameraschwenks oder stills", die Architektur und Interieurs voyeuristisch aufzeichneten, "auf der Grenze zwischen Intimität und Exhibition". Sie hört die Stimmen des Personals dieser Erzählungen "so nah und lebendig, dass man ihren Atem am Ohr spürt". In ihrem fast zeitungsseitenlangen Text lässt die Rezensentin das gesamte Gruentersche Werk noch einmal Revue passieren und konstatiert mit jedem neuen Werk einen "Gewinn an Leichtigkeit".

© Perlentaucher Medien GmbH
"... brillante Erzählungen ... Ein schwebendes, biegsames, ungemein vokabelreiches Buch, filigran und anspielungsreich."
Ina Hartwig, Frankfurter Rundschau, 19.03.03
"Das faszinierende Lebenswerk der Undine Gruenter, ihre letzten und besten Erzählungen ... Glanzstücke deutscher Erzählkunst ... Die unglaubliche Souveränität, die Undine Gruenter am Ende erreicht hat, übertrifft noch die Meisterschaft der letzten bitter-heiteren Erzählungen Ingeborg Bachmanns; noch weiter ist der literarische Spielraum, den die spätere mit tänzerischer Freiheit abmisst."
Dorothea Dieckmann, Die Zeit, 27.03.03
"In ihren Erzählungen von der Küste der Zeitbrandung erweist sich Undine Gruenter als eine Wiedergängerin des jungen Marcel Proust."
Joseph Hanimann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.03.03
"Es sind Geschichten, in denen Sinnlichkeit und Melancholie, Kunstfertigkeit und ästhetischer Eigensinn eine Balance eingehen, die selten ist in der deutschen Literatur."
Andrea Köhler, Neue Zürcher Zeitung29./30.03.03
"Wunderbar leicht und unaufdringlich schwermütig."
Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung, 19.03.03
"... literarisch eine Mutter von Malin Schwerdtfeger oder Judith Hermann ..."
Welf Grombacher, Märkische Allgemeine, 10.05.03