Am Strand sind manchmal Sachen zu finden, die die Flut zurückgelassen hat und deren Komposition und Farbe so perfekt wirken, daß man unwillkürlich aufschaut, ob man nicht in der Ferne vielleicht Kandinskys Schatten wegschlurfen sieht. So der Einstieg in das Buch, das der Künstler und noch viel berühmtere Autor Jan Wolkers einem ehrenvollen Auftrag verdankte: einen kleinen Roman als »Buchwochengeschenk« zu schreiben, das gratis verteilt würde - in den Niederlanden ein literarisches Ereignis. Wolkers wäre nicht Wolkers, hätte er nicht auch hier etwas aufgetischt, was Sex & Crime zu bieten hat, was Anschlag auf Prüderie und Spießertum ist, wie seine vorangegangenen Bücher, besonders das ikonische, als obszön verdammte und von Paul Verhoeven verfilmte Türkische Früchte. Zum Schauplatz wählte sich Wolkers diesmal seine Insel, Texel: Auf der Pirsch nach seltnen Vögeln in den Dünen gerät dem zurückgezogenen Naturfotografen Bob am Strand eine nackte Frau vors Teleobjektiv - und seine Ruhe ist dahin. Er mag nicht als Voyeur erscheinen, der er ja nur für Sekunden war, ganz ohne die Schöne heimlich zu fotografieren. Also stellt er sich ihr vor, der jungen Kathleen, die in einer Nachtbar kellnert. Bei dieser ersten Begegnung bleibt es nicht. Mehr und mehr wird er in eine Geschichte hineingezogen, die sich für ihn seltsam unwirklich anfühlt, als sähe er sich selbst zu als Akteur in einem Thriller. Seinen Schritten folgt da längst ein fast ständiger Beobachter, dann weitere. Und er weiß um sie. Das Spiel, das Belauern, Täuschen und Betrügen geraten außer Kontrolle. Eine Sommergeschichte, die Liebesgeschichte werden könnte, vor grandioser Nordseekulisse, mit einem Hauch von David Lynch, in der - beiläufig, wie getarnt - Wolkers' eigentliche große Themen ein letztes Mal zur Sprache kommen: Eros und Tod, bildende Kunst und Literatur.