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»... der herbst / würde ohne kürbisse bleiben in diesem jahr / wie ich ohne dich.« Neue Gedichte von Kathrin Schmidt.
Kathrin Schmidts neue Gedichte erzählen vom Älterwerden, von Abschieden, von der Vergänglichkeit. Und doch sind sie das Gegenteil von Stillleben, denn sie sprechen immer »vom Leben her«. Still steht da nichts, alles bewegt sich - getrieben von großer Lebensliebe, Klugheit und scharfem Humor. Gesprochen und nachgedacht wird über den Körper und seine Metamorphosen, über das Vergehen der Natur ringsum, über das, was Familie bedeutet. Über alles, was bleibt, und über die Dinge,…mehr

Produktbeschreibung
»... der herbst / würde ohne kürbisse bleiben in diesem jahr / wie ich ohne dich.« Neue Gedichte von Kathrin Schmidt.

Kathrin Schmidts neue Gedichte erzählen vom Älterwerden, von Abschieden, von der Vergänglichkeit. Und doch sind sie das Gegenteil von Stillleben, denn sie sprechen immer »vom Leben her«. Still steht da nichts, alles bewegt sich - getrieben von großer Lebensliebe, Klugheit und scharfem Humor. Gesprochen und nachgedacht wird über den Körper und seine Metamorphosen, über das Vergehen der Natur ringsum, über das, was Familie bedeutet. Über alles, was bleibt, und über die Dinge, die - manchmal auch Gott sei Dank - verschwinden. Neben urbane Schauplätze treten oft ländliche Gegenden. Die Texte »spielen« auf dem Land, im Dorf oder zumindest im Garten. Das Vokabular schöpft aus dieser Naturwelt, aber es ist keine ungebrochene Idylle: Windräder stehen im Bild, ihre Rotoren zerschneiden die Luft. So gelingen Kathrin Schmidt Gedichte, die beides miteinander verklammern: die Natur und die Stadt, das Leben und das Sterben, den sinnlichen Eindruck und die abstrakte Analyse.

» solche gegenden zahlen mit blütenzucker
für schlaf. in wellen fährt er durchs feld,
sammelt kraft für den gang in die ortschaften.
wo du zusehen kannst, wie stunde für stunde
vollendete gegenwart quert vorm verschwinden.
wo du platzhalter bist. «
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Autorenporträt
Kathrin Schmidt, geboren 1958 in Gotha, arbeitete als Diplompsychologin, Redakteurin und Sozialwissenschaftlerin. Sie erhielt für ihre literarischen Arbeiten zahlreiche Preise, darunter den Leonce-und-Lena-Preis 1993. Ihr 1998 erschienener Roman 'Die Gunnar-Lennefsen-Expedition' wurde mit dem Förderpreis des Heimito-von-Doderer-Preises und dem Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 1998 ausgezeichnet. Für ihren Roman 'Du stirbst nicht' erhielt sie 2009 den Preis der SWR-Bestenliste und den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschien ihr Gedichtband 'waschplatz der kühlen dinge' (2018).
Rezensionen
»Wer solch schöne Zeilen dichtet, den kann man nur empfehlen.« Matthias Ehlers WDR 5 Bücher 20210313

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Wulf Segebrecht empfiehlt Kathrin Schmidts Wortkunst, zu besichtigen in diesem Band mit späten Gedichten. Der Metaphernreichtum und die immer spürbare Spracharbeit in den Texten sind für Segebrecht herausragende Kennzeichen von Schmidts Lyrik. Ebenso das Unlyrische: Statt Identifikationsangeboten schafft die Autorin Distanz aus Witz, Ironie und Verrätselung, meint Segebrecht. Ein höchst kunstvolles, kunstfertiges Verfahren, findet er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2021

Akrobatik aus dem Greisenhaus

Ein wenig lyrisch gestimmtes lyrisches Ich: Kathrin Schmidt wird in ihren neuen Gedichten zur Entzauberin von Heilsversprechen.

Obwohl Kathrin Schmidt (Jahrgang 1958) fünf Romane publiziert hat, darunter den sehr erfolgreichen autobiographisch grundierten Roman "Du stirbst nicht" (2009), steht die Lyrik von Anfang an im Vordergrund ihres Werks. Unter den Fittichen der FDJ wurde ihr in der DDR als Lyrikerin eine Bilderbuchkarriere beschieden, deren Stationen sie konsequent durchlief mit der regelmäßigen Teilnahme an den Schweriner Poetenseminaren seit 1974 und mit Gedichtpublikationen in der Seminarzeitung "rote feder", in der Anthologie "Offene Fenster" für Schülergedichte und in der Zeitschrift "Temperamente - Blätter für junge Literatur" - alle im FDJ-Verlag Neues Leben. Das trug ihr öffentliche Anerkennung und erste Auszeichnungen ein mit dem Förderpreis der Poetenbewegung der Freien Deutschen Jugend (1978) und der Verleihung des Johannes-R.-Becher-Diploms (1981). Es folgten die erste selbständige Publikation ihrer Gedichte als Nr. 179 der legendären Heftreihe des "Poesiealbums" und die Zulassung zum Sonderstudium am Johannes-R.-Becher-Literaturinstitut in Leipzig, wo sie "Vorlesungen zur sozialistischen Landwirtschaft, zur Mikrobiologie, zur sozialistischen Jugendforschung oder was weiß ich", aber nichts zur Literatur zu hören bekam. Kurz darauf erschien ihr Gedichtband "Ein Engel fliegt durch die Tapetenfabrik", wieder im Verlag Neues Leben.

Ihre sehr enge Anlehnung an die FDJ und deren Verlag hat ihr den Argwohn und das Misstrauen ihrer Kollegen aus der Front der Oppositionellen, Dissidenten und der alternativen Szene in der DDR eingetragen. Sie selbst sah sich rückblickend als naives "Provinzei", das gar nicht bemerkt habe, wie sie von der Partei vereinnahmt worden sei. Sie sei zwar nicht durchgängig opportunistisch gewesen, "aber auch nicht das, was man heute als DDR-Feind bezeichnen würde". Im Dezember 1989 wurde sie von der Vereinigten Linken an den Ost-Berliner Zentralen Runden Tisch entsandt, zog sich jedoch sehr bald, enttäuscht vom männerdominierten Gerangel, daraus zurück und gab ihren Beruf als Kinderpsychologin auf, um als Redakteurin der feministischen Zeitschrift "Ypsilon" und - neben ihren Aufgaben als Mutter von fünf Kindern - an ihren Prosawerken und an Gedichten zu arbeiten.

Nach der Wende bewarb Kathrin Schmidt sich mit neuen Gedichten um den hochangesehenen Leonce-und-Lena-Lyrik-Preis und gewann ihn 1993. Ihr erster Gedichtband im vereinten Deutschland war "Flußbild mit Engel", nun bei Suhrkamp. Weitere erschienen dann im Verlag Kiepenheuer & Witsch, nun auch "Sommerschaums Ernte".

Man sagt der Lyrikerin Kathrin Schmidt immer noch nach, was schon an ihren Gedichten im "Poesiealbum" gelobt wurde: "Ihre Metaphern sind von bündelnder Kraft, ihre Verse von schwebender Leichtigkeit, nicht zu erreichen ohne die angespannte Arbeit mit der Sprache." In der Tat: Der farbige Reichtum ihrer Metaphern, der spielerische Umgang mit den Wörtern und die den Texten ablesbare intensive Spracharbeit sind nach wie vor eigentümliche Kennzeichen ihrer Gedichte.

Und doch hat sich viel verändert seit ihren poetischen Anfängen: Kathrin Schmidt ist zwar nicht wirklich alt, aber doch ein wenig älter geworden. Das merkt man ihren neuen Gedichten an: Das Gedicht "nach dem trabantentrara" eröffnet den neuen Band: Die Trabanten sind Schmidts Kinder - nun aus dem Haus - und "fremdlinge, deren freiersfüße sprungbereit zucken". Das Haus selbst ist zum "greisenhaus" geworden, in dem sie mit ihrem "hausgreis" lebt. Als er das gemeinsame Schlafzimmer verlässt, um neuerdings unterm Kirschbaum zu schlafen, denkt sie an Zeiten zurück, "als noch chromosomaler aufwand / zwischen uns herrschte". Er ist für sie "mein omen zählender spielmuskelprotz" und "mein schüchterner beipackzettel"; "die liebe geht aus dem haus", und die beiden bilden ein "schlurfduo", "das auszieht / zum soden stechen in alzheimers torf".

So spricht die Dichterin von sich selbst und von ihrem "du". Das sogenannte "lyrische Ich" ist in ihrem Fall alles andere als lyrisch gestimmt. Es gibt bei ihr nicht den zur Identifikation einladenden Ton lyrischer Stimmungen, Bekenntnisse und Befindlichkeiten, sondern den distanzierenden Abstand aus Witz, Ironie, Sarkasmus und unermüdlicher Erfindungslust, aber einen "Sinn" will sie nicht stiften: "Ich vertraue meinem Gefühl und möchte mir eigentlich keine Rechenschaft darüber ablegen, woran ich das festmache ... Da ich nicht davon ausgehe, dass meine Gedichte einem strengen Sinn folgen, sondern ich das, was man jetzt Sinn nennt, oftmals erst hinterher aus dem Gedicht überhaupt herauslesen kann, ist eigentlich die Form für mich während des Schreibens fast das Primäre."

Was Schmidt hier "Form" nennt, ist die Machart, die Rede- und Verfahrensweise ihrer Gedichte: das metaphorische Umschreiben, Verrätseln, Verklausulieren, das Fortschreiben von Assoziationsketten. Sie führt eine Art Geheimsprache, die zugleich ihre Kunstsprache ist. Sie erfindet neue Wörter, stellt neue Verbindungen zwischen ihnen her, variiert Redensarten, nimmt den Wörtern einzelne Buchstaben weg oder fügt ihnen neue hinzu. Da wird der Sperling zum "sperrling", verändert sich zum "hilfling" und "heftling", die Stiefmutter zur "tiefmutter", und nicht ganz neue Orte wie "herzogenoistrach" und "köpfisch gmund" kennt sie auch. Fragt man sie, woher diese Wortakrobatik kommt, dann spricht sie von Blasen, die perlenartig auf einer Leine aufgereiht sind, oder von fließenden Strömen, "die nicht erklärbar sind. Man nicht weiß, wo sie herkommen und wo sie hingehen." Oder sie behauptet gar: "Das kommt wirklich aus dem Bauch."

Man ist gut beraten, wenn man ihr das nicht glaubt. Ohne Kopf geht das alles nicht. Ohne Kopf lässt sich beispielsweise ein formgerechter Sonettenkranz, der den Band beschließt, nicht flechten. Aber auch ein assoziatives Verfahren, Intuition und Imagination erfordern Kopfarbeit. Das zeigt auf geradezu furiose Weise das Gedicht "gemischt faschiert", in dem Kathrin Schmidt einen Text von Friederike Mayröcker gleichsam durch den Fleischwolf ihrer Wortkunst dreht. Hier feiert ihre Manier ihre höchsten Triumphe.

Ein Gedicht, "gelbes elend", fällt völlig aus dem Rahmen, schon deshalb, weil es "meinem vater Klaus Schmidt, häftling im gleichnamigen bautzener gefängnis von 1948 - 1956, daselbst leiter des kirchen- und später des jugendchores", gewidmet ist und weil es die abgeschlossene Erzählung einer Zugfahrt nach Bautzen enthält: Die Reisende versteckt vor dem Kontrolleur die Briefe ihres verstorbenen Vaters, der selbst persönlich zugegen ist, während seine Tochter "aus den gehemmten / entzündungen der haft" laut liest. Kurz "vor bautzen zog sich mein toter vater zurück, / seine bleichsucht schlug durch aufs papier, dass ich / nichts mehr, doch alles schon sah". Ein anrührendes Gedicht, das zu DDR-Zeiten gewiss nicht hätte gedruckt werden können. Damals, 1982, fiel eine Zugfahrt bei Kathrin Schmidt ganz anders aus. "Die Deutsche Reichsbahn lädt zum revolutionären Ausflug" heißt eines ihrer frühen Gedichte. Jeanne d'Arc, Friedrich Engels (dieser mit Frau und Schwägerin) und andere "stürmer und dränger aus vielerlei zeit" sitzen sich schweigend gegenüber; sie haben sich offenbar nichts zu sagen. Da hält der Zug wegen Gleisarbeiten auf freiem Feld. Die Bauern, gerade mit der Kartoffelernte beschäftigt, laden die Fahrgäste, den Lokführer und den Heizer zum Kartoffelfeuer ein, es kommt zu internationalem Austausch, auch die Gleisarbeiter packen ihr Brot aus: "viel brot / das ist die bewegung // lenin beginnt zu singen." Von solchen schlichten Plädoyers für sozialistische Solidarität hat sich Kathrin Schmidt inzwischen in ihren Gedichten befreit und entfernt; mit "sommerschaums ernte" gibt sie ein originelles und beeindruckendes Beispiel ihrer eigenwilligen akrobatischen Wortkunst.

WULF SEGEBRECHT.

Kathrin Schmidt: "sommerschaums ernte". Gedichte.

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 108 S., geb., 20,- [Euro].

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