Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.02.2009Sehen, wie gut die Kinder dich kennen
Ein Gespräch mit der Hollywood-Schauspielerin Julianne Moore, deren erstes Kinderbuch „Sommersprossenfeuerkopf” nun auf Deutsch erschienen ist
Redheads sind eine Klasse für sich, im Kino zumal, da haben sie in den Fünfzigern mit ihren feuerroten Schöpfen – in stärkstem Technicolor! – die Leinwand zum Leuchten gebracht, mit ihrer Vitalität, ihrer Verführungskraft. Diese Tradition setzt heute Julianne Moore fort in Hollywood, in Filmen wie Far from Heaven, The Hours oder Children of Men. Oder The Private Lives of Pippa Lee, der eben im Wettbewerb der Berlinale gezeigt wurde.
Redheads haben es natürlich nicht einfach, in der Kindheit – davon erzählt Julianne Moore in ihrem ersten Kinderbuch Sommersprossenfeuerkopf, mit Bildern von LeUyen Pham (Bloomsbury). Klar, erklärt sie im Telefongespräch, das Buch ist autobiographisch. „Das war ein Spitzname, „Freckleface Strawberry” (so der Originaltitel), mit dem mich die Kinder bedacht hatten, als ich sieben war, und das Gesicht voller Sommersprossen hatte und dieses rote Haar. Ich fand das ganz schrecklich. Als ich dann größer war, machte es nicht mehr so viel aus, da war es eher amüsant und komisch.”
Das Mädchen entwickelt einige Versuche, sich gegen den Namen zur Wehr zu setzen, der sie so brandmarkt, und man ist bewegt von der Schüchternheit, der Einsamkeit, aber auch den Ansätzen von Selbstvertrauen, die sich auf ihrem Gesicht dabei zeigen. „Als ich das Buch schrieb, war mein Sohn gerade sieben, so alt wie ich seinerzeit war, als ich das erlebte. Das ist das Alter, da man anfängt, sich selbst zu sehen, ein Bild von sich zu machen. Man denkt, man ist körperlich anders, und als Mutter ist man traurig, wenn man das mitkriegt – man will, dass das Kind perfekt ist und gut. Ein Freund hatte mir die Idee für das Buch vorgeschlagen, und zuerst fand ich das ziemlich verrückt – ich hatte lange nicht mehr an meinen Spitznamen gedacht. Aber die Idee war damit in meinem Kopf . . . Ich las den Kindern die erste Fassung vor, und fragte sie nach ihren Reaktionen. Für Kinder ist das gar nicht ungewöhnlich, diese Idee, ein Buch zu schreiben.”
Eine der Strategien des Sommersprossenkindes besteht darin, sich eine Mütze übers Gesicht zu ziehen – schon ist sie für die anderen verschwunden. Die Kinder vermissen sie, sie hört sie fragen, wo sie denn geblieben sein könnte. Das läuft auf eine Art praktizierter Existenzphilosophie hinaus. „Ich wollte das Buch ganz in der Perspektive des Mädchens schreiben. Und Kinder nehmen alles ganz wörtlich – wenn sie sich in diesem Alter verhüllen, dann sind sie eben verschwunden. Kleine Kinder verstecken sich, und wir müssen so tun, als würden wir sie nicht sehen, als wüssten wir nicht, wo sie sind. Das wollte ich mit reinbringen – dass sie ihr eigenes Verschwinden und Auftauchen kontrollieren können.”
Immer wieder hat Julianne Moore auch Mutterrollen gespielt, die stärkste in The Hours, nach dem Roman von Michael Cunningham, eine Frau in den Fünfzigern, die einen Selbstmordversuch unternimmt – wie sie von ihrem kleinen Sohn Abschied nimmt, das ist ungemein diskret und bewegend gezeigt. „Was am faszinierendsten ist, wenn man das Buch liest – wie viel in der Sicht des Jungen sich abspielt. Er beobachtet seine Mutter. Er merkt, sie ist deprimiert, ist depressiv. Sie haben diese intensive, ganz eigene Beziehung. Und so sehr sie ihn liebt, und so sehr er sie liebt – sie ist nicht fähig, ihm eine Mutter zu sein. Weil sie so depressiv ist. Für mich war das ein Einblick in die Beziehung, die Mütter und Kinder zueinander haben. Ein gewaltiger emotionaler Einblick.Es zeigt dir, wie gut die Kinder dich kennen.” Das Gegenstück dazu – die Mutter in Savage Grace. Der Fall der Barbara Daly Baekeland, eine brutale Skandalgeschichte aus dem Sechziger-Highlife: Dekadenz, Inzest, Muttermord. „Eine Geschichte mit sensationalistischem Anstrich. Man reagierte erst mal ungläubig – Mann, das kann doch nicht möglich sein . . . Aber es war nicht nur möglich, es wussten auch viele Leute davon.”
Das schönste Buch ihrer Kindheit? Little Women von Louisa May Alcott „Ich las es, als ich neun war, es war meine erste Begegnung, mein Entrée in die Welt der Literatur. Da erlebte ich Mädchen und wie sie auf die Welt reagierten, in ihr agierten – und dabei sie selber wurden.” Im Mai soll ihr zweites Kinderbuch in Amerika erscheinen – und „Nicht unbedingt . . . Ich bin vor allem ein Leser, a real reader. Und würde mich sicher noch nicht als richtiger Autor titulieren, nach diesen Bilderbüchern . . .”
Als Schauspielerin wird sie uns also erhalten bleiben – und als Redhead. In ihrem Film Stadt der Blinden, hatte es allerdings eine Ausnahme gegeben. „Ich musste mir für diesen Film die Haare blond färben. Ich mochte das überhaupt nicht. Ich glaube, ich bin ein grundsätzlicher Redhead durch und durch. Und das werde ich bleiben.” FRITZ GÖTTLER
Julianne Moore Foto: Getty images
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Ein Gespräch mit der Hollywood-Schauspielerin Julianne Moore, deren erstes Kinderbuch „Sommersprossenfeuerkopf” nun auf Deutsch erschienen ist
Redheads sind eine Klasse für sich, im Kino zumal, da haben sie in den Fünfzigern mit ihren feuerroten Schöpfen – in stärkstem Technicolor! – die Leinwand zum Leuchten gebracht, mit ihrer Vitalität, ihrer Verführungskraft. Diese Tradition setzt heute Julianne Moore fort in Hollywood, in Filmen wie Far from Heaven, The Hours oder Children of Men. Oder The Private Lives of Pippa Lee, der eben im Wettbewerb der Berlinale gezeigt wurde.
Redheads haben es natürlich nicht einfach, in der Kindheit – davon erzählt Julianne Moore in ihrem ersten Kinderbuch Sommersprossenfeuerkopf, mit Bildern von LeUyen Pham (Bloomsbury). Klar, erklärt sie im Telefongespräch, das Buch ist autobiographisch. „Das war ein Spitzname, „Freckleface Strawberry” (so der Originaltitel), mit dem mich die Kinder bedacht hatten, als ich sieben war, und das Gesicht voller Sommersprossen hatte und dieses rote Haar. Ich fand das ganz schrecklich. Als ich dann größer war, machte es nicht mehr so viel aus, da war es eher amüsant und komisch.”
Das Mädchen entwickelt einige Versuche, sich gegen den Namen zur Wehr zu setzen, der sie so brandmarkt, und man ist bewegt von der Schüchternheit, der Einsamkeit, aber auch den Ansätzen von Selbstvertrauen, die sich auf ihrem Gesicht dabei zeigen. „Als ich das Buch schrieb, war mein Sohn gerade sieben, so alt wie ich seinerzeit war, als ich das erlebte. Das ist das Alter, da man anfängt, sich selbst zu sehen, ein Bild von sich zu machen. Man denkt, man ist körperlich anders, und als Mutter ist man traurig, wenn man das mitkriegt – man will, dass das Kind perfekt ist und gut. Ein Freund hatte mir die Idee für das Buch vorgeschlagen, und zuerst fand ich das ziemlich verrückt – ich hatte lange nicht mehr an meinen Spitznamen gedacht. Aber die Idee war damit in meinem Kopf . . . Ich las den Kindern die erste Fassung vor, und fragte sie nach ihren Reaktionen. Für Kinder ist das gar nicht ungewöhnlich, diese Idee, ein Buch zu schreiben.”
Eine der Strategien des Sommersprossenkindes besteht darin, sich eine Mütze übers Gesicht zu ziehen – schon ist sie für die anderen verschwunden. Die Kinder vermissen sie, sie hört sie fragen, wo sie denn geblieben sein könnte. Das läuft auf eine Art praktizierter Existenzphilosophie hinaus. „Ich wollte das Buch ganz in der Perspektive des Mädchens schreiben. Und Kinder nehmen alles ganz wörtlich – wenn sie sich in diesem Alter verhüllen, dann sind sie eben verschwunden. Kleine Kinder verstecken sich, und wir müssen so tun, als würden wir sie nicht sehen, als wüssten wir nicht, wo sie sind. Das wollte ich mit reinbringen – dass sie ihr eigenes Verschwinden und Auftauchen kontrollieren können.”
Immer wieder hat Julianne Moore auch Mutterrollen gespielt, die stärkste in The Hours, nach dem Roman von Michael Cunningham, eine Frau in den Fünfzigern, die einen Selbstmordversuch unternimmt – wie sie von ihrem kleinen Sohn Abschied nimmt, das ist ungemein diskret und bewegend gezeigt. „Was am faszinierendsten ist, wenn man das Buch liest – wie viel in der Sicht des Jungen sich abspielt. Er beobachtet seine Mutter. Er merkt, sie ist deprimiert, ist depressiv. Sie haben diese intensive, ganz eigene Beziehung. Und so sehr sie ihn liebt, und so sehr er sie liebt – sie ist nicht fähig, ihm eine Mutter zu sein. Weil sie so depressiv ist. Für mich war das ein Einblick in die Beziehung, die Mütter und Kinder zueinander haben. Ein gewaltiger emotionaler Einblick.Es zeigt dir, wie gut die Kinder dich kennen.” Das Gegenstück dazu – die Mutter in Savage Grace. Der Fall der Barbara Daly Baekeland, eine brutale Skandalgeschichte aus dem Sechziger-Highlife: Dekadenz, Inzest, Muttermord. „Eine Geschichte mit sensationalistischem Anstrich. Man reagierte erst mal ungläubig – Mann, das kann doch nicht möglich sein . . . Aber es war nicht nur möglich, es wussten auch viele Leute davon.”
Das schönste Buch ihrer Kindheit? Little Women von Louisa May Alcott „Ich las es, als ich neun war, es war meine erste Begegnung, mein Entrée in die Welt der Literatur. Da erlebte ich Mädchen und wie sie auf die Welt reagierten, in ihr agierten – und dabei sie selber wurden.” Im Mai soll ihr zweites Kinderbuch in Amerika erscheinen – und „Nicht unbedingt . . . Ich bin vor allem ein Leser, a real reader. Und würde mich sicher noch nicht als richtiger Autor titulieren, nach diesen Bilderbüchern . . .”
Als Schauspielerin wird sie uns also erhalten bleiben – und als Redhead. In ihrem Film Stadt der Blinden, hatte es allerdings eine Ausnahme gegeben. „Ich musste mir für diesen Film die Haare blond färben. Ich mochte das überhaupt nicht. Ich glaube, ich bin ein grundsätzlicher Redhead durch und durch. Und das werde ich bleiben.” FRITZ GÖTTLER
Julianne Moore Foto: Getty images
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