Paul Morel is the focus of his disappointed and fiercely protective mother's life. Their tender, devoted and intense bond comes under strain when Paul falls in love with Miriam Leivers, a local girl his mother disapproves of.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.03.2011Von der eigenen Keuschheit gefesselt
Die Körper und die Kunst: D. H. Lawrence’ Roman „Söhne und Liebhaber“ erstmals vollständig auf Deutsch
Wer „Sons and Lovers“, D. H. Lawrence’ 1913 veröffentlichten Roman, zu lesen beginnt, könnte ihn für eine Fortsetzung von Zolas dreißig Jahre älterem „Germinal“ halten – beide Romane spielen im Bergarbeitermilieu. Doch die beiden Autoren sind in verschiedenem Grad von ihrem Sujet betroffen. Der Pariser Intellektuelle und seine bürgerlichen Leser entdeckten im Proletariat der nordfranzösischen Gruben ein akutes soziales Problem und zugleich einen unverbrauchten, exotischen Romanstoff. Lawrence hingegen, Sohn eines Arbeiters im mittelenglischen Kohlebergbau, wuchs in der Welt auf, von der er erzählt. Der Roman, den er mit 26 Jahren schrieb, spiegelt Kindheit und Jugend des Autors unter dem Namen seines Helden Paul Morel.
Die Herkunft wird erzählbar, wenn sich der Erzähler von ihr befreit hat und nur das epische Präteritum sie wiederholt: die idyllische Landschaft, aus der „die Zechen wie schwarze Sargnägel ragen“; die schwere Arbeit des Vaters unter Tage, die gerade das Existenzminimum seiner Frau und der vier Kinder sichert; der endlose Streit zwischen dem dumpfen, trunksüchtigen Ehemann und der sensiblen Mutter; die geistlose Beschäftigung des heranwachsenden, für die Malerei begabten Paul in Fabrikkontoren.
Doch Milieuschilderung ist nicht das Ziel von „Söhne und Liebhaber“. Bereits der Titel weist in eine andere Richtung. Es handelt sich vielmehr um einen „Familienroman“ in dem Sinn, wie Freud den Begriff gebraucht, um die psychischen Leiden eines Erwachsenen aus der frühkindlichen Prägung seiner Sexualität durch die Familienkonstellation zu verstehen. Lawrence äußerte zwar immer wieder Vorbehalte gegen die Psychoanalyse, deren Theorien er bei Aufenthalten in Deutschland und durch seine spätere Frau, Frieda von Richthofen, kennengelernt hatte; dennoch stellt kein anderer Roman eindringlicher dar, wie der „Ödipuskomplex“ das Schicksal des jungen Mannes bestimmt. Mit der Mutter der noch ungeborenen Söhne beginnt die Erzählung, mit Pauls Klage um die tote Mutter endet sie: „Sie war das einzige, was ihm, ihm selbst, in alledem Halt verlieh. Und sie war fort, war jetzt selbst mit allem anderen vermischt!“
Eine kleine Änderung und aus „Sons and Lovers“ würden „Sons as Lovers“. Die innige Liebe der Mutter und zur Mutter macht zunächst das emotionale Glück der Kinder im materiellen Unglück der Familie aus, vereitelt jedoch, sobald aus den Knaben junge Männer geworden sind, einen glücklichen Umgang mit anderen Frauen. Die Lücke zwischen Liebe und Sexualität lässt sich nicht schließen, weil jene aus der individuellen Beziehung zur Mutter stammt, diese aus der anonymen Triebnatur. Die Söhne sehen, „von der eigenen Keuschheit gefesselt“, an ihren Freundinnen trotz der erotischen Attraktion im Vergleich zur Mutter stets charakterliche Mängel.
Auch wenn das sexuelle Begehren erwidert wird, bleibt die Erfüllung aus. Selbst nach dem endlich gelungenen Akt – mit einer verheiraten, also dem Status der Mutter vergleichbaren Frau – muss Paul Morel einsehen, „sein Erlebnis sei unpersönlicher Art gewesen und habe nicht Clara gegolten“. (Es ist ein Vorzug der neuen, „erstmals vollständigen Übersetzung“, dass sie bei den erotischen Passagen, die der englische Verlag 1913 unterdrückte, wieder dem Manuskript des Autors folgt.)
Mit Vorliebe sind die erotischen Szenen in die Natur verlegt, an einen Fluss, in die Dünen, wo dem verpönten Trieb die mythische, amoralische Macht der Landschaft beisteht. Lawrence nannte sich einen „Priester der Liebe“, aber er war der Priester einer tragischen Religion; sie lehrt, dass Mann und Frau einander begehren, doch nicht zueinander passen. Gerade an der geschlechtlichen Vereinigung entdeckt er die Unvereinbarkeit der Geschlechter. Deutlicher noch, mit tödlicher Konsequenz, führt Lawrence’ späterer Roman „Woman in Love“ den von Liebe in Hass umschlagenden „Kampf zwischen Mann und Frau“ vor.
Freizügige Darstellung der Sexualität, besonders in „Lady Chatterley’s Lover“, hatte Lawrence’ skandalösen Ruhm in einer prüden Gesellschaft begründet. Heute jedoch, da die Literatur aufdringlicher mit erotischem Stoff umgeht, wird erst der erzählerische Gewinn von Lawrence’ Kunst der vorsichtigen Beschreibung sichtbar. Er zeigt, welche konträren Gefühle und Erfahrungen die sexuelle Leidenschaft begleiten: Befremden über den plötzlich so nahen Körper des anderen, Abschweifen der Gedanken trotz intensiver Lust, Zweifel an der Übereinstimmung der sinnlichen Wahrnehmung bei beiden Partnern, Aufmerksamkeit auf die verstörenden Nebenumstände der scheinbaren Hauptsache. Lawrence lässt Sexualität nicht nur stattfinden, sondern er erzählt sie so, dass dem Leser unvertraut wird, was ihm doch vertraut zu sein schien.
Es kann nicht glücken, wenn Lawrence seine Religion auf etwas so Unzuverlässiges wie die Liebe gründen möchte. Er sucht die Erlösung in der Liebe und zugleich von der Liebe. Wo bieten sich Auswege aus diesem Dilemma? In der Natur, die größer ist als die winzigen Körper leidenschaftlich erregter Menschen? In der Kunst, die Distanz zu dem hält, was sie findet oder erfindet (weshalb Paul Morel Maler wird, D. H. Lawrence Schriftsteller)? Weil jede Aussicht auf eine Lösung neue Zweifel weckt, bleiben nur unbestimmte Hoffnungen, die der Erzähler in große, jedoch vage Worte fasst.
Die Liebenden erfahren in der „Unermesslichkeit der Leidenschaft“ Schrecken und Ekstase zugleich, „die Erkenntnis der eigenen Nichtigkeit, die Erkenntnis der ungeheuren, lebendigen Flut, die sie immerfort trug“. Mehr als schöne Worte darf man von der Literatur nicht erwarten.
HEINZ SCHLAFFER
D. H. LAWRENCE: Söhne und Liebhaber. Roman. Erstmals vollständig aus dem Englischen übersetzt und mit einem Nachwort von Hans-Christian Oeser. Reclam Verlag, Stuttgart 2011. 764 Seiten. 34,95 Euro.
Lawrence nannte sich einen
„Priester der Liebe“, aber er war der
Priester einer tragischen Religion
D. H. Lawrence, der als Autor der freizügigen Darstellung der Liebe Skandal machte, beherrschte die Kunst der vorsichtigen Beschreibung: seine Liebenden erschrecken, wenn ihre Körper einander nahe kommen – Mary Ure und Dean Stockwell in Jack Cardiffs „Sons and Lovers“-Verfilmung aus dem Jahr 1960. Foto: ddp images
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Die Körper und die Kunst: D. H. Lawrence’ Roman „Söhne und Liebhaber“ erstmals vollständig auf Deutsch
Wer „Sons and Lovers“, D. H. Lawrence’ 1913 veröffentlichten Roman, zu lesen beginnt, könnte ihn für eine Fortsetzung von Zolas dreißig Jahre älterem „Germinal“ halten – beide Romane spielen im Bergarbeitermilieu. Doch die beiden Autoren sind in verschiedenem Grad von ihrem Sujet betroffen. Der Pariser Intellektuelle und seine bürgerlichen Leser entdeckten im Proletariat der nordfranzösischen Gruben ein akutes soziales Problem und zugleich einen unverbrauchten, exotischen Romanstoff. Lawrence hingegen, Sohn eines Arbeiters im mittelenglischen Kohlebergbau, wuchs in der Welt auf, von der er erzählt. Der Roman, den er mit 26 Jahren schrieb, spiegelt Kindheit und Jugend des Autors unter dem Namen seines Helden Paul Morel.
Die Herkunft wird erzählbar, wenn sich der Erzähler von ihr befreit hat und nur das epische Präteritum sie wiederholt: die idyllische Landschaft, aus der „die Zechen wie schwarze Sargnägel ragen“; die schwere Arbeit des Vaters unter Tage, die gerade das Existenzminimum seiner Frau und der vier Kinder sichert; der endlose Streit zwischen dem dumpfen, trunksüchtigen Ehemann und der sensiblen Mutter; die geistlose Beschäftigung des heranwachsenden, für die Malerei begabten Paul in Fabrikkontoren.
Doch Milieuschilderung ist nicht das Ziel von „Söhne und Liebhaber“. Bereits der Titel weist in eine andere Richtung. Es handelt sich vielmehr um einen „Familienroman“ in dem Sinn, wie Freud den Begriff gebraucht, um die psychischen Leiden eines Erwachsenen aus der frühkindlichen Prägung seiner Sexualität durch die Familienkonstellation zu verstehen. Lawrence äußerte zwar immer wieder Vorbehalte gegen die Psychoanalyse, deren Theorien er bei Aufenthalten in Deutschland und durch seine spätere Frau, Frieda von Richthofen, kennengelernt hatte; dennoch stellt kein anderer Roman eindringlicher dar, wie der „Ödipuskomplex“ das Schicksal des jungen Mannes bestimmt. Mit der Mutter der noch ungeborenen Söhne beginnt die Erzählung, mit Pauls Klage um die tote Mutter endet sie: „Sie war das einzige, was ihm, ihm selbst, in alledem Halt verlieh. Und sie war fort, war jetzt selbst mit allem anderen vermischt!“
Eine kleine Änderung und aus „Sons and Lovers“ würden „Sons as Lovers“. Die innige Liebe der Mutter und zur Mutter macht zunächst das emotionale Glück der Kinder im materiellen Unglück der Familie aus, vereitelt jedoch, sobald aus den Knaben junge Männer geworden sind, einen glücklichen Umgang mit anderen Frauen. Die Lücke zwischen Liebe und Sexualität lässt sich nicht schließen, weil jene aus der individuellen Beziehung zur Mutter stammt, diese aus der anonymen Triebnatur. Die Söhne sehen, „von der eigenen Keuschheit gefesselt“, an ihren Freundinnen trotz der erotischen Attraktion im Vergleich zur Mutter stets charakterliche Mängel.
Auch wenn das sexuelle Begehren erwidert wird, bleibt die Erfüllung aus. Selbst nach dem endlich gelungenen Akt – mit einer verheiraten, also dem Status der Mutter vergleichbaren Frau – muss Paul Morel einsehen, „sein Erlebnis sei unpersönlicher Art gewesen und habe nicht Clara gegolten“. (Es ist ein Vorzug der neuen, „erstmals vollständigen Übersetzung“, dass sie bei den erotischen Passagen, die der englische Verlag 1913 unterdrückte, wieder dem Manuskript des Autors folgt.)
Mit Vorliebe sind die erotischen Szenen in die Natur verlegt, an einen Fluss, in die Dünen, wo dem verpönten Trieb die mythische, amoralische Macht der Landschaft beisteht. Lawrence nannte sich einen „Priester der Liebe“, aber er war der Priester einer tragischen Religion; sie lehrt, dass Mann und Frau einander begehren, doch nicht zueinander passen. Gerade an der geschlechtlichen Vereinigung entdeckt er die Unvereinbarkeit der Geschlechter. Deutlicher noch, mit tödlicher Konsequenz, führt Lawrence’ späterer Roman „Woman in Love“ den von Liebe in Hass umschlagenden „Kampf zwischen Mann und Frau“ vor.
Freizügige Darstellung der Sexualität, besonders in „Lady Chatterley’s Lover“, hatte Lawrence’ skandalösen Ruhm in einer prüden Gesellschaft begründet. Heute jedoch, da die Literatur aufdringlicher mit erotischem Stoff umgeht, wird erst der erzählerische Gewinn von Lawrence’ Kunst der vorsichtigen Beschreibung sichtbar. Er zeigt, welche konträren Gefühle und Erfahrungen die sexuelle Leidenschaft begleiten: Befremden über den plötzlich so nahen Körper des anderen, Abschweifen der Gedanken trotz intensiver Lust, Zweifel an der Übereinstimmung der sinnlichen Wahrnehmung bei beiden Partnern, Aufmerksamkeit auf die verstörenden Nebenumstände der scheinbaren Hauptsache. Lawrence lässt Sexualität nicht nur stattfinden, sondern er erzählt sie so, dass dem Leser unvertraut wird, was ihm doch vertraut zu sein schien.
Es kann nicht glücken, wenn Lawrence seine Religion auf etwas so Unzuverlässiges wie die Liebe gründen möchte. Er sucht die Erlösung in der Liebe und zugleich von der Liebe. Wo bieten sich Auswege aus diesem Dilemma? In der Natur, die größer ist als die winzigen Körper leidenschaftlich erregter Menschen? In der Kunst, die Distanz zu dem hält, was sie findet oder erfindet (weshalb Paul Morel Maler wird, D. H. Lawrence Schriftsteller)? Weil jede Aussicht auf eine Lösung neue Zweifel weckt, bleiben nur unbestimmte Hoffnungen, die der Erzähler in große, jedoch vage Worte fasst.
Die Liebenden erfahren in der „Unermesslichkeit der Leidenschaft“ Schrecken und Ekstase zugleich, „die Erkenntnis der eigenen Nichtigkeit, die Erkenntnis der ungeheuren, lebendigen Flut, die sie immerfort trug“. Mehr als schöne Worte darf man von der Literatur nicht erwarten.
HEINZ SCHLAFFER
D. H. LAWRENCE: Söhne und Liebhaber. Roman. Erstmals vollständig aus dem Englischen übersetzt und mit einem Nachwort von Hans-Christian Oeser. Reclam Verlag, Stuttgart 2011. 764 Seiten. 34,95 Euro.
Lawrence nannte sich einen
„Priester der Liebe“, aber er war der
Priester einer tragischen Religion
D. H. Lawrence, der als Autor der freizügigen Darstellung der Liebe Skandal machte, beherrschte die Kunst der vorsichtigen Beschreibung: seine Liebenden erschrecken, wenn ihre Körper einander nahe kommen – Mary Ure und Dean Stockwell in Jack Cardiffs „Sons and Lovers“-Verfilmung aus dem Jahr 1960. Foto: ddp images
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He's an intoxicator, a very great writer, punished by the feminists and their ludicrous opinions. The short stories are among the best in the language. I re-read Sons and Lovers and The Rainbow recently and thought them wonderful... Has there ever been anyone like him for bringing places and people so vividly to life? Doris Lessing