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Sophie Scholl ist eine Ikone der deutschen Geschichte. Mit Flugblättern hatte sie es gewagt, die verbrecherische Politik Adolf Hitlers anzuklagen. Doch ihr Weg von der jugendlichen NS-Führerin zur entschiedenen Gegnerin des Nationalsozialismus war länger, widersprüchlicher und differenzierter als bisher dargestellt. Barbara Beuys hat Hunderte bisher unbekannte Dokumente gesichtet, die das Rückgrat der ersten umfassenden Biografie über Sophie Scholl bilden. Eingebettet in die farbige, historisch präzise Schilderung der Nazi-Herrschaft beschreibt sie meisterhaft die ganze Lebensspanne der Widerstandskämpferin der Weißen Rose.…mehr

Produktbeschreibung
Sophie Scholl ist eine Ikone der deutschen Geschichte. Mit Flugblättern hatte sie es gewagt, die verbrecherische Politik Adolf Hitlers anzuklagen. Doch ihr Weg von der jugendlichen NS-Führerin zur entschiedenen Gegnerin des Nationalsozialismus war länger, widersprüchlicher und differenzierter als bisher dargestellt. Barbara Beuys hat Hunderte bisher unbekannte Dokumente gesichtet, die das Rückgrat der ersten umfassenden Biografie über Sophie Scholl bilden. Eingebettet in die farbige, historisch präzise Schilderung der Nazi-Herrschaft beschreibt sie meisterhaft die ganze Lebensspanne der Widerstandskämpferin der Weißen Rose.
Autorenporträt
Beuys, BarbaraBarbara Beuys, geboren 1943, studierte Geschichte, Philosophie, Soziologie. Sie arbeitete als Redakteurin beim Stern und bei der ZEIT. Sie veröffentlichte über ein Dutzend Bücher u.a.: Familienleben in Deutschland, Vergeßt uns nicht. Menschen im Widerstand 1933-45; große Biographien über Annette von Droste-Hülshoff, Hildegard von Bingen, Paula Modersohn-Becker und Sophie Scholl. Barbara Beuys lebt in Köln. 2017 erhielt sie den Luise-Büchner-Preis für Publizistik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.02.2010

Sieg der Tapferkeit
Barbara Beuys zeigt Sophie Scholl in Stärke und Schwäche
München, 21. Februar 1943. In der Gestapo-Leitstelle, Brienner Straße 50, beugt sich Sophie Scholl über die Klageschrift des Reichsanwalts. Mit zitternden Händen studiert die junge Frau den Wortlaut der Akte, wonach sie „eines hochverräterischen Unternehmens, der gemeinschaftlichen Feindbegünstigung und der gemeinschaftlichen Wehrkraftzersetzung” beschuldigt wird. Sie ahnt, dass das Urteil bereits feststeht. Also nimmt sie einen Stift und schreibt auf die Rückseite der Akte mit gleichmäßigen Lettern: „Freiheit. FREIHEIT.” Jahrzehntelang bleibt dieses Vermächtnis unentdeckt. Es ist Sophies Scholls ureigenes Glaubensbekenntnis.
Der Weg dorthin ist mit zahlreichen Versuchungen gepflastert. Das jedenfalls dokumentiert die Biographie von Barbara Beuys, die nicht nur die bisherigen Darstellungen der „Weißen Rose” ergänzt, sondern vor allem jene Frau würdigt, die – gemeinsam mit ihrem Bruder Hans und einer Handvoll Freunden – das Herz des studentischen Widerstands gegen Hitler bildete. Was die Autorin sich nebenbei ebenfalls vorgenommen hat – den Forschungsstand und die Scholl’sche Familienüberlieferung zu korrigieren –, gelingt nicht immer überzeugend. Dennoch: Indem die Historikerin aus bislang unerschlossenen Quellen schöpft und Bekanntes anders gewichtet, modelliert sie ein bis in die feinsten Seelenverästelungen plastisches Charakterporträt. Ihr Buch zeigt, wie allen Gefahren, Zweifeln und Verzagtheiten zum Trotz in Sophie Scholl der Mut heranreift, das eigene Dasein zu riskieren für ein Fanal wider schreiendes Unrecht.
Als der Haussegen schief hing
Drei Dinge sind es, die dieses couragierte Handeln ermöglichen: die Kraft des Glaubens, die Gewissheit der Liebe und die Hoffnung auf die Befreiung von der „Gottesgeißel” Hitler, wie Sophies Vater, Robert Scholl, 1942 formuliert. Dabei ist dieser Mann kein Kirchenfreund, sondern ein scharf wägender Rationalist. Zunächst als Gemeindevorsteher, später als Wirtschaftsprüfer repräsentiert er das wohlsituierte Bürgertum, indes seine Gemahlin, eine schwäbisch-protestantische Frohnatur, die „Mitte im Familienkosmos” markiert.
In diese geordnete Welt wird Sophie 1921 als viertes Kind nach Inge, Hans und Elisabeth hineingeboren. Noch leben die Scholls im ländlichen Forchtenberg, zwischen Wiesen, Wäldern und Bächen, die der Jüngsten eine unauslöschliche Sehnsucht nach Freiheit einpflanzen. 1930 wird der Vater abgewählt und zieht mit den Seinen nach Ulm, wo Sophie die Oberrealschule besucht.
Für ein Mädchen ist das nicht selbstverständlich. Doch die Eltern sind gewiss, dass ihre Kinder zur Elite zählen und vorhaben, „etwas Großes zu werden für die Menschheit” (Hans Scholl). Klarheit und Aufrichtigkeit sind die Werte, denen auch Sophie von klein auf nachstrebt. „Die Brävste bin ich nicht, die Schönste will ich gar nicht sein, aber die Gescheiteste bin ich immer noch”, behauptet die Zehnjährige von sich.
Zwei Jahre später hängt bei der Familie Scholl der Haussegen schief: Alle Nachkommen drängen in die Hitler-Jugend, obwohl Vater und Mutter den Reichskanzler als „politischen Rattenfänger” verachten. Es ist eines der interessantesten Kapitel, wie die Familie mit dieser Zerreißprobe umgeht. Die gebeutelten Eltern lassen ihre Sprösslinge gewähren, die in der HJ aufsteigen, immer getreu der Maxime: „Das sind wir Hitler schuldig” (Inge Scholl).
Wann genau das Blatt sich wendet, kann auch Barbara Beuys nicht schlüssig klären. Ihrer Ansicht nach ist es jedenfalls nicht der Reichsparteitag von 1935, der, so das Zeugnis Inge Scholls, die Umkehr einleitet. Tatsache bleibt jedoch, dass die Lektüre der verfemten Bücher Stefan Zweigs, die Hans mit seiner Jungschar fortan betreibt, gegen die unverbrüchliche Linientreue der Scholl-Kinder spricht.
Deren Konversion verläuft offenbar in Schüben. So verliert 1938 keines von ihnen ein Wort über die Verheerungen der Reichspogromnacht, obwohl sie mit jüdischen Nachbarn auf gutem Fuß stehen. Wenig später jedoch schimpft Sophie die Schule ein „Fenster mit braunen Scheiben” und lässt ihrer Abscheu gegen die Nazis freien Lauf. „Man muss”, resümiert Barbara Beuys, „die Widersprüche stehen lassen.”
Die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs vereint schließlich die gesamte Familie im Lager der Opposition. Für Sophie fällt diese Entwicklung mit einer spannungsreichen Liaison zusammen. Seit 1937 ist sie dem Berufsoffizier Fritz Hartnagel verbunden, den sie in ein ständiges Wechselbad der Stimmungen taucht. „Ich aber finde, dass zuerst das Denken kommt und dass Gefühle oft irreleiten”, erklärt sie dem Freund. Für einen Liebesbund ist diese Auffassung eine ziemliche Hypothek.
Aus dem Briefwechsel des Paares gewinnt Barbara Beuys das Programm einer éducation religieuse, die von Sophie ausgeht und Fritz zum überzeugten, gleichwohl ratlosen Regimegegner macht. Gleichzeitig kämpft die Heranwachsende mit sich selbst und ihrer Sinnlichkeit. Hier zeichnet die Biographin das Bild einer Zerrissenen, die im Dreieck von Körper, Geist und Seele, von Sexualität, Vernunft und Religion um Orientierung ringt und sich letztlich für ein asketisches Ideal entscheidet: für die augustinische Überwindung des Fleisches in Gott. „Unabhängig sein von Menschen und Dingen”, das ist Sophies Ziel. Tatsächlich aber bleibt sie bis zuletzt mit Familie und Freunden innig verbunden.
Die Flugblätter der „Weißen Rose” sind Geschichte. Und Geschichte ist auch Sophies Tod unterm Fallbeil am 22. Februar 1943. „Sie hatte einen Glanz in ihren Augen, den ich sonst nicht kannte”, schreibt die Mutter tags darauf über die Minuten vor der Hinrichtung. Für das, was ihr am kostbarsten war, hat Sophie Scholl sich geopfert: „Freiheit. FREIHEIT.” Barbara Beuys ruft diese Botschaft auf eindrucksvolle Weise in Erinnerung. DORION WEICKMANN
BARBARA BEUYS: Sophie Scholl. Biographie. Hanser Verlag, München 2010. 493 Seiten, 24,90 Euro.
Dorion Weickmann ist freie Journalistin.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2010

Tatendrang
Sophie Scholls Umfeld

Sie ist die Ikone in der Geschichte des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus: seit dem Untergang des "Dritten Reiches" Identifikationsfigur für viele Nachgeborene und für manche ihrer Zeitgenossen. Immer wieder erscheinen Biographien über die Studentin. Bisher ist Sophie Scholls kurzes Leben - geboren am 9. Mai 1921 in Forchtenberg, hingerichtet am 22. Februar 1943 in München-Stadelheim gemeinsam mit ihrem Bruder Hans - noch nie auf einer so umfassenden Quellenbasis geschildert worden wie jetzt von Barbara Beuys, die mit Büchern über Hildegard von Bingen, Annette von Droste-Hülshoff und Paula Modersohn-Becker hervorgetreten ist. Die Journalistin hat sich in ihre Heldin eingefühlt, ihr Denken und Tun bis in einzelne Tage hinein rekonstruiert - hin und wieder in einer Breite (durch Brief- und Tagebuchzitate), die dem Leser viel Geduld abverlangt, weil er vielleicht das ein oder andere aus den Beziehungsgeflechten gar nicht so genau wissen will.

Frau Beuys stützt sich auf die seit 2005 im Institut für Zeitgeschichte zugängliche Dokumentensammlung von Inge Aicher-Scholl (1917-1998), der älteren Schwester von Hans und Sophie. Auf die lebende Sophie war Inge oft eifersüchtig gewesen, während sie nach 1945 mit Leidenschaft das Andenken an die toten Geschwister wachhielt. Die Ulmer Jahre der Scholls seien - so ein Ergebnis - "nicht nur länger, sondern in mancher, oft bedeutender Hinsicht anders" gewesen als in Inge Scholls Bestseller "Die Weiße Rose" (1952) dargestellt. Das Umfeld und die anfänglichen Erwartungen der jungen Scholls an das "Dritte Reich" werden prägnant beschrieben - während die Eltern sofort auf Distanz gingen und der Vater später für einige Monate ins Gefängnis musste. Sophies lange Suche nach dem "schrecklich fernen Gott" und ihr allmählicher Weg in den Widerstand lassen sich eindringlich nachvollziehen: "Auch Sophie Scholl wird gebeutelt vom uralten Dualismus zwischen Geist und Fleisch, Leib und Seele, Verstand und Herz." Seit Juni 1942 habe sich bei ihr der "Drang zur Tat gefestigt und gestärkt". Mit der Flugblattaktion vom 18. Februar 1943 in der Münchener Universität, die zur Verhaftung und Hinrichtung von Hans und Sophie Scholl führte, hätten die Geschwister aber "kein öffentliches Fanal provozieren" wollen.

RAINER BLASIUS

Barbara Beuys: Sophie Scholl. Biografie. Carl Hanser Verlag, München 2010. 493 S., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Sabine Fröhlich ist voll des Lobes angesichts Barbara Beuys Sophie-Scholl-Biografie. "Klug recherchiert" findet die Rezensentin die Arbeit und es sind ihr auch einige Details zur politischen Entwicklung Sophie Scholls zu entnehmen, die so bislang nicht herausgearbeitet worden sind, wie sie anerkennend festhält. So wird bei Beuys deutlich, wie wichtig Scholls "Hinwendung zu einem spirituellen Christentum" für ihren Entschluss, aktiv in den Widerstand zu gehen, gewesen ist. Außerdem hält die Rezensentin als besonders interessant fest, dass bereits 1942, also lange bevor sie sich in der Widerstandgruppe "Weiße Rose" engagierte, bereits um den Kauf eines Vervielfältigungsapparats bemüht hatte. Einen exakten Moment des Umschwungs vom Mitglied im "Bund Deutscher Mädel" zur Widerstandskämpferin kann auch die Autorin nicht bestimmen und so liegt für Fröhlich die Schlussfolgerung nahe, dass es ein durch den Glauben und den "wachsenden Druck" ausgelöster Entwicklungsprozess war, der Sophie Scholl in den Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime trieb.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Diese Sophie-Scholl-Biografie ist ein Ereignis: Sie ist nicht nur glänzend geschrieben, sondern öffnet auch neue Zugänge zum Verständnis der Widerstandskämpferin." Volker Ullrich, Die Zeit, 11.02.10 "Die bislang umfassendste Sophie-Scholl-Biografie. Sehr lesenswert." Christian Schröder, Der Tagesspiegel, 08.02.10 "'Freiheit. FREIHEIT.' Barbara Beuys ruft diese Botschaft auf eindrucksvolle Weise in Erinnerung." Dorion Weickmann, Süddeutsche Zeitung, 06.02.10 "Dies ist die wichtigste Neuerscheinung zum Thema Widerstand und NS-Geschichte. Alles, was man bis heute dazu (zu Sophie Scholl) wissen kann, steht in diesem großen Buch." Michael Grill, Abendzeitung, 22.02.10 "Man erfährt in dem faktenreichen, dicht und zugleich verständlich geschriebenen Buch vieles aus dem Innenleben einer ungewöhnlichen Familie." Angela Bachmair, Augsburger Allgemeine Zeitung, 22.02.10 "Barbara Beuys hat eine einfühlsame, dabei historisch und psychologisch informative, spannend zu lesende Biographie geschrieben." Silverster Lechner, Südwest Presse, 11.02.10 "Barbara Beuys´ überzeugende Biografie lichtet den mythischen Nebel um Sophie Scholl, ohne die Person zu demontieren." Ulrike Frenkel, Stuttgarter Zeitung, 13.03.10 "Die bislang umfassendste Sophie-Scholl-Biografie. Behutsam und überzeugend relativiert und korrigiert Barbara Beuys die Mythen, die sich um die zu Ikonen des Widerstands verklärten Geschwister Scholl ranken, schärft vor allem den Blick für Widersprüche und unbeantwortbare Fragen." Oliver Pfohlmann, Frankfurter Rundschau, 13.03.10 "In einer großartigen Biografie entschlüsselt Barbara Beuys das Leben der Sophie Scholl. Barbara Beuys spekuliert nicht, sie wägt die Quellen und Ereignisse miteinander ab und lässt den Leser an dieser Arbeit teilhaben. Diese Vorsicht macht das Buch zu einer herausragenden politischen Biografie." Johannes Tuchel, Die Welt, 20.03.10 "...ein atemberaubendes, erschütternd bewegendes Buch, in dessen Mittelpunkt Sophie Scholl ohne jede Verklärung steht." Wolf Peter Schnetz, Nürnberger Zeitung, 30.03.10 "Barbara Beuys ist mit dieser Biografie ein großer Wurf gelungen." Wolfgang Hädecke, Sächsische Zeitung, 03.04.10 "In einer großartigen Biografie entschlüsselt Barbara Beuys das Leben der Sophie Scholl" Johannes Tuchel, Die Welt, 20.03.10 "Ausführlickeit und Nachempfinden: Das sind die Qualitäten des Buches." Alexandra Kedves, Tages-Anzeiger, 11.06.10 "Beeindruckende Biographie." Damals, 12/10 (Platz 1 in der Rubrik "Biographien" des Wettbewerbs "Das Historische Buch 2010)…mehr