Vom NS-Regime als Vorwand für Massenverbrechen genutzt, in der Sowjetunion mythisch überhöht und in der jüngsten Debatte über die Wehrmacht höchst umstritten: Bis heute ist die sowjetische Partisanenbewegung als konkrete historische Erscheinung schwer greifbar. Anhand von Quellen aus weißrussischen Beständen ermöglicht Bogdan Musial in der vorliegenden Dokumentation nun Innenansichten des Alltags der Freischärler. Die Beschränkung auf das Gebiet Baranovici das bis 1939 als Wojewodschaft Nowogrodek zu Polen gehörte, erlaubt dabei nicht nur den Nahblick auf die Praxis vor Ort, sondern eröffnet auch eine Perspektive auf spezifische Konfliktlinien des Krieges im Osten, die sich hier in besonderer Weise verdichteten. Neben der Entstehung, Organisation und Kampftätigkeit der Partisanenbewegung werden deren Verhältnis zur Zivilbevölkerung, die spezifische Rolle jüdischer Partisanen und schließlich der Konflikt mit der polnischen Heimatarmee beleuchtet, der in einen "Krieg im Krieg" mündete.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2009Orgie hemmungsloser Gewalt
Die Partisanen kommen selbst zu Wort: Bogdan Musial entzaubert den Mythos vom heldenhaften sowjetischen Volkskrieg
In der sowjetischen Geschichtsschreibung über den Zweiten Weltkrieg gab es keine Deserteure und keine Kollaborateure. Es gab nur Helden, die sich für das Vaterland aufopferten und sich den deutschen Besatzern todesmutig entgegenwarfen. In den Nachkriegsjahren musste der Sieg über die Aggressoren noch als Tat des Diktators bejubelt werden, weil Leistungen und Erfolge solchen Ausmaßes nur Stalin allein vollbringen durfte. Erst in den sechziger Jahren begann die Verwandlung des "Großen Vaterländischen Krieges" in einen Krieg des ganzen Volkes, weil die Kommunistische Partei nach neuen Legitimationsquellen für ihre Herrschaft suchte. Nunmehr konnten sich die Überlebenden auf eine Weise an den Krieg erinnern, der sie mit Stolz erfüllte und selbst die Opfer vergessen ließ, was in den Jahren des stalinistischen Terrors geschehen war. Im Zentrum des inszenierten Volkskrieges stand der Partisanenmythos. Für seine Inszenierung mussten die Historiker allerdings einen hohen Preis entrichten: Sie durften die Geschichte der Partisanen nur noch als eine Heldengeschichte erzählen. Niemand konnte gegen die nationale Interpretation des Großen Vaterländischen Krieges recht behalten. Und weil im Westen Europas, vor allem in Deutschland, der Krieg an der Ostfront nichts weiter als eine Geschichte der Deutschen gewesen war, konnte der Partisanenmythos auch hierzulande bleiben, was er war.
Damit ist es nun vorbei. Denn der deutsch-polnische Historiker Bogdan Musial hat die Geschichte der sowjetischen Partisanen nicht nur umgeschrieben. Er entzaubert den Mythos vom heldenhaften Volkskrieg, indem er die Partisanen selbst zu Wort kommen lässt. Denn fast alles, worauf sich Musial zur Rechtfertigung seiner Interpretation berufen kann, stammt aus jenen russischen und weißrussischen Archiven, von denen die politischen Eliten in der ehemaligen Sowjetunion behaupten, dass in ihnen die Geschichte des heldenhaften und aufopferungsvollen Volkswiderstandes dokumentiert wird.
Als die Wehrmacht im Juni 1941 die sowjetische Grenze überschritt, betrat sie ein vom Terror verwüstetes Land. Hunderttausende waren während der Kollektivierung, der Hungersnot und der Gewaltexzesse der späten dreißiger Jahre allein in Weißrussland und in der Ukraine um Leben und Freiheit gebracht worden. Deshalb wurden die Eroberer an vielen Orten als Befreier von der Diktatur der Bolschewiki begrüßt. Anfangs versuchten die Besatzer, die Unterstützung der weißrussischen Bevölkerung zu gewinnen. Denn ohne die Hilfe von Einheimischen wäre eine Beherrschung der eroberten Gebiete unmöglich gewesen. Schon in den ersten Monaten nach dem Einmarsch der Wehrmacht kam es in Weißrussland zu einem Elitenwechsel: Kommunisten flohen oder wurden getötet; ihre Posten wurden an Bauern vergeben, die Opfer des kommunistischen Terrors gewesen waren.
In den ersten Monaten nach dem Einmarsch der Wehrmacht kam es zwischen der Wehrmacht, den SS-Einheiten und den weißrussischen Kollaborateuren zu einer reibungslosen Zusammenarbeit, die alle Widerstandsversuche im Keim erstickte. Zwar hatte die Führung in Moskau die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Besatzer aufgerufen. Aber dieser Widerstand war unorganisiert und brach gewöhnlich zusammen, wenn er auf den bewaffneten Arm der Besatzer stieß. Denn die meisten Partisanen waren Deserteure, aus den Kesseln entkommene oder aus der Kriegsgefangenschaft geflohene Soldaten, die ziellos in den Wäldern umherirrten und auf der Suche nach Nahrung und Obdach Dörfer überfielen und Bauern ausraubten. Noch 1941 waren sie Partisanen wider Willen, die von den Bauern an die Deutschen verraten wurden.
Musial datiert den Beginn des Partisanenkrieges auf die erste Hälfte des Jahres 1942, seinen Höhepunkt auf das Jahr 1943. Als nach der Gegenoffensive der Roten Armee die Front im Januar 1942 um mehrere hundert Kilometer nach Westen verschoben wurde, gelang es der militärischen Führung, einen ständigen Kontakt zu den Partisanen im Hinterland des Gegners herzustellen und sie in die Kriegführung zu integrieren. Zur Eskalation des Partisanenkrieges aber kam es erst, als die Besatzer den Entschluss fassten, Widerstand durch Terror zu bekämpfen.
In mehreren Feldzügen versuchten die Sicherungsbataillone der Wehrmacht und der SS, die Partisanen aus den Wald- und Sumpfgebieten zu vertreiben, indem sie ganze Landstriche verwüsteten, Dörfer niederbrannten und ihre Bewohner entweder sofort töteten oder als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschickten. Das Partisanengebiet sollte in eine "tote Zone" verwandelt werden, kein Partisan sollte in ihr noch überleben können. Während der brutalen Pazifizierungsfeldzüge der SS und ihrer Hilfstruppen kamen 250 000 Menschen ums Leben, mehr als eine halbe Million weißrussische Juden wurden von Einsatzgruppen getötet oder in die Vernichtungslager abtransportiert. Für jene Bauern, die dem Terror der Deutschen schutzlos ausgeliefert waren, gab es nur die Wahl, verschleppt oder erschossen zu werden oder in die Wälder zu flüchten, wo sie sich den Partisanen anschließen mussten, wenn sie überleben wollten. Musial nennt aber auch pragmatische Gründe dafür, dass sich die Bauern von den Besatzern abwandten und mit den Partisanen kooperierten. Nach der Schlacht von Stalingrad mussten sie nicht nur mit der Rückkehr der sowjetischen Truppen rechnen. Sie hatten die Erfahrung gemacht, dass die deutschen Besatzer sich gegen die Partisanen nicht durchsetzen konnten. 1943 kontrollierten die Untergrundkämpfer zwei Drittel des Territoriums, das von nur 20 000 Soldaten der Wehrmacht und der einheimischen Polizei kontrolliert wurde.
Die Partisanen zwangen dem Gegner einen Krieg auf, den er nicht gewinnen konnte. Und dennoch war ihr militärischer Nutzen gering. Zwar konnten sie die Nachschubwege der Deutschen zerstören, Brücken und Schienen beschädigen, in der direkten militärischen Auseinandersetzung aber erlitten sie hohe Verluste. Aber darin lag nicht die strategische Bedeutung des Partisanenkampfes. Partisanen waren unsichtbar, sie konnten Furcht und Schrecken verbreiten und die Besatzer verunsichern. Sie hielten aber auch die Bevölkerung in einem Zustand der Angst, um Unterstützung und Loyalität zu erzwingen. Musial erzählt von Partisaneneinheiten, die Dörfer überfielen und ihre Bewohner ausraubten, Deserteure jagten und Kollaborateure erschossen, Dörfer in Brand setzten und deren Bewohner töteten, wenn sie sie im Verdacht hatten, mit den Deutschen kooperiert zu haben. Überall wurden Bauern von Partisanen gezwungen, sich ihnen als Kämpfer anzuschließen. Die meisten Partisanen, so Musial, seien zwangsweise rekrutiert worden.
Musial beschreibt den Partisanenkrieg als eine Orgie hemmungsloser Gewalt, in der die Grenzen zwischen Freund und Feind verwischt wurden. In diesem Kosmos der Gewalt lösten sich die Praktiken der Vernichtung von den Motiven, die sie ursprünglich ins Werk gesetzt hatten. In der Isolation gedieh der Verfolgungswahn. Niemand konnte sicher sein, wer zu den Freunden, wer zu den Feinden gehörte. Musial erzählt von jüdischen Flüchtlingen, die in den Wäldern von Partisanen aufgespürt und als "Spione" der Deutschen erschossen worden seien. In den Partisanengruppen herrschte das Regiment der Willkür. Die lokalen Warlords waren jeglicher Kontrolle entzogen, sie konnten nach Belieben brandschatzen, foltern und töten und ihr Herrschaftsgebiet in eine blutige Despotie verwandeln.
Als die Deutschen abgezogen waren, gab es in Weißrussland keinen Staat mehr. Er musste neu geschaffen werden, benötigte neue Eliten und eine neue Legitimation. Diesen Zweck erfüllte der Partisanenmythos. Man könnte auch sagen, dass die poststalinistische Sowjetunion nur noch von Partisanen regiert und bewohnt wurde. Der Mythos wird bleiben. Aber die Historiker können ihn nicht länger als Wahrheitsbeweis verwenden. Diese Einsicht haben wir Bogdan Musial zu verdanken.
JÖRG BABEROWSKI
Bogdan Musial: Sowjetische Partisanen 1941-1944. Mythos und Wirklichkeit. Schöningh Verlag, Paderborn 2009. 592 S., 39,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Partisanen kommen selbst zu Wort: Bogdan Musial entzaubert den Mythos vom heldenhaften sowjetischen Volkskrieg
In der sowjetischen Geschichtsschreibung über den Zweiten Weltkrieg gab es keine Deserteure und keine Kollaborateure. Es gab nur Helden, die sich für das Vaterland aufopferten und sich den deutschen Besatzern todesmutig entgegenwarfen. In den Nachkriegsjahren musste der Sieg über die Aggressoren noch als Tat des Diktators bejubelt werden, weil Leistungen und Erfolge solchen Ausmaßes nur Stalin allein vollbringen durfte. Erst in den sechziger Jahren begann die Verwandlung des "Großen Vaterländischen Krieges" in einen Krieg des ganzen Volkes, weil die Kommunistische Partei nach neuen Legitimationsquellen für ihre Herrschaft suchte. Nunmehr konnten sich die Überlebenden auf eine Weise an den Krieg erinnern, der sie mit Stolz erfüllte und selbst die Opfer vergessen ließ, was in den Jahren des stalinistischen Terrors geschehen war. Im Zentrum des inszenierten Volkskrieges stand der Partisanenmythos. Für seine Inszenierung mussten die Historiker allerdings einen hohen Preis entrichten: Sie durften die Geschichte der Partisanen nur noch als eine Heldengeschichte erzählen. Niemand konnte gegen die nationale Interpretation des Großen Vaterländischen Krieges recht behalten. Und weil im Westen Europas, vor allem in Deutschland, der Krieg an der Ostfront nichts weiter als eine Geschichte der Deutschen gewesen war, konnte der Partisanenmythos auch hierzulande bleiben, was er war.
Damit ist es nun vorbei. Denn der deutsch-polnische Historiker Bogdan Musial hat die Geschichte der sowjetischen Partisanen nicht nur umgeschrieben. Er entzaubert den Mythos vom heldenhaften Volkskrieg, indem er die Partisanen selbst zu Wort kommen lässt. Denn fast alles, worauf sich Musial zur Rechtfertigung seiner Interpretation berufen kann, stammt aus jenen russischen und weißrussischen Archiven, von denen die politischen Eliten in der ehemaligen Sowjetunion behaupten, dass in ihnen die Geschichte des heldenhaften und aufopferungsvollen Volkswiderstandes dokumentiert wird.
Als die Wehrmacht im Juni 1941 die sowjetische Grenze überschritt, betrat sie ein vom Terror verwüstetes Land. Hunderttausende waren während der Kollektivierung, der Hungersnot und der Gewaltexzesse der späten dreißiger Jahre allein in Weißrussland und in der Ukraine um Leben und Freiheit gebracht worden. Deshalb wurden die Eroberer an vielen Orten als Befreier von der Diktatur der Bolschewiki begrüßt. Anfangs versuchten die Besatzer, die Unterstützung der weißrussischen Bevölkerung zu gewinnen. Denn ohne die Hilfe von Einheimischen wäre eine Beherrschung der eroberten Gebiete unmöglich gewesen. Schon in den ersten Monaten nach dem Einmarsch der Wehrmacht kam es in Weißrussland zu einem Elitenwechsel: Kommunisten flohen oder wurden getötet; ihre Posten wurden an Bauern vergeben, die Opfer des kommunistischen Terrors gewesen waren.
In den ersten Monaten nach dem Einmarsch der Wehrmacht kam es zwischen der Wehrmacht, den SS-Einheiten und den weißrussischen Kollaborateuren zu einer reibungslosen Zusammenarbeit, die alle Widerstandsversuche im Keim erstickte. Zwar hatte die Führung in Moskau die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Besatzer aufgerufen. Aber dieser Widerstand war unorganisiert und brach gewöhnlich zusammen, wenn er auf den bewaffneten Arm der Besatzer stieß. Denn die meisten Partisanen waren Deserteure, aus den Kesseln entkommene oder aus der Kriegsgefangenschaft geflohene Soldaten, die ziellos in den Wäldern umherirrten und auf der Suche nach Nahrung und Obdach Dörfer überfielen und Bauern ausraubten. Noch 1941 waren sie Partisanen wider Willen, die von den Bauern an die Deutschen verraten wurden.
Musial datiert den Beginn des Partisanenkrieges auf die erste Hälfte des Jahres 1942, seinen Höhepunkt auf das Jahr 1943. Als nach der Gegenoffensive der Roten Armee die Front im Januar 1942 um mehrere hundert Kilometer nach Westen verschoben wurde, gelang es der militärischen Führung, einen ständigen Kontakt zu den Partisanen im Hinterland des Gegners herzustellen und sie in die Kriegführung zu integrieren. Zur Eskalation des Partisanenkrieges aber kam es erst, als die Besatzer den Entschluss fassten, Widerstand durch Terror zu bekämpfen.
In mehreren Feldzügen versuchten die Sicherungsbataillone der Wehrmacht und der SS, die Partisanen aus den Wald- und Sumpfgebieten zu vertreiben, indem sie ganze Landstriche verwüsteten, Dörfer niederbrannten und ihre Bewohner entweder sofort töteten oder als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschickten. Das Partisanengebiet sollte in eine "tote Zone" verwandelt werden, kein Partisan sollte in ihr noch überleben können. Während der brutalen Pazifizierungsfeldzüge der SS und ihrer Hilfstruppen kamen 250 000 Menschen ums Leben, mehr als eine halbe Million weißrussische Juden wurden von Einsatzgruppen getötet oder in die Vernichtungslager abtransportiert. Für jene Bauern, die dem Terror der Deutschen schutzlos ausgeliefert waren, gab es nur die Wahl, verschleppt oder erschossen zu werden oder in die Wälder zu flüchten, wo sie sich den Partisanen anschließen mussten, wenn sie überleben wollten. Musial nennt aber auch pragmatische Gründe dafür, dass sich die Bauern von den Besatzern abwandten und mit den Partisanen kooperierten. Nach der Schlacht von Stalingrad mussten sie nicht nur mit der Rückkehr der sowjetischen Truppen rechnen. Sie hatten die Erfahrung gemacht, dass die deutschen Besatzer sich gegen die Partisanen nicht durchsetzen konnten. 1943 kontrollierten die Untergrundkämpfer zwei Drittel des Territoriums, das von nur 20 000 Soldaten der Wehrmacht und der einheimischen Polizei kontrolliert wurde.
Die Partisanen zwangen dem Gegner einen Krieg auf, den er nicht gewinnen konnte. Und dennoch war ihr militärischer Nutzen gering. Zwar konnten sie die Nachschubwege der Deutschen zerstören, Brücken und Schienen beschädigen, in der direkten militärischen Auseinandersetzung aber erlitten sie hohe Verluste. Aber darin lag nicht die strategische Bedeutung des Partisanenkampfes. Partisanen waren unsichtbar, sie konnten Furcht und Schrecken verbreiten und die Besatzer verunsichern. Sie hielten aber auch die Bevölkerung in einem Zustand der Angst, um Unterstützung und Loyalität zu erzwingen. Musial erzählt von Partisaneneinheiten, die Dörfer überfielen und ihre Bewohner ausraubten, Deserteure jagten und Kollaborateure erschossen, Dörfer in Brand setzten und deren Bewohner töteten, wenn sie sie im Verdacht hatten, mit den Deutschen kooperiert zu haben. Überall wurden Bauern von Partisanen gezwungen, sich ihnen als Kämpfer anzuschließen. Die meisten Partisanen, so Musial, seien zwangsweise rekrutiert worden.
Musial beschreibt den Partisanenkrieg als eine Orgie hemmungsloser Gewalt, in der die Grenzen zwischen Freund und Feind verwischt wurden. In diesem Kosmos der Gewalt lösten sich die Praktiken der Vernichtung von den Motiven, die sie ursprünglich ins Werk gesetzt hatten. In der Isolation gedieh der Verfolgungswahn. Niemand konnte sicher sein, wer zu den Freunden, wer zu den Feinden gehörte. Musial erzählt von jüdischen Flüchtlingen, die in den Wäldern von Partisanen aufgespürt und als "Spione" der Deutschen erschossen worden seien. In den Partisanengruppen herrschte das Regiment der Willkür. Die lokalen Warlords waren jeglicher Kontrolle entzogen, sie konnten nach Belieben brandschatzen, foltern und töten und ihr Herrschaftsgebiet in eine blutige Despotie verwandeln.
Als die Deutschen abgezogen waren, gab es in Weißrussland keinen Staat mehr. Er musste neu geschaffen werden, benötigte neue Eliten und eine neue Legitimation. Diesen Zweck erfüllte der Partisanenmythos. Man könnte auch sagen, dass die poststalinistische Sowjetunion nur noch von Partisanen regiert und bewohnt wurde. Der Mythos wird bleiben. Aber die Historiker können ihn nicht länger als Wahrheitsbeweis verwenden. Diese Einsicht haben wir Bogdan Musial zu verdanken.
JÖRG BABEROWSKI
Bogdan Musial: Sowjetische Partisanen 1941-1944. Mythos und Wirklichkeit. Schöningh Verlag, Paderborn 2009. 592 S., 39,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Sehr verdienstvoll findet Rolf-Dieter Müller diese Dokumentensammlung zum Partisanenkampf in Weißrussland, die der polnische Historiker Bogdan Musial vom Deutschen Historischen Institut in Warschau herausgegeben hat. Erstmals sieht der Rezensent hier eine Innenansicht in den Alltag der polnischen und sowjetischen Partisanen möglich gemacht, aber auch in Organisationsformen und Kampfeinsätze. Besonders interessant findet er dabei die deutlich werdenden Konfliktlinien zwischen polnischen und sowjetischen Partisanen, die laut Rezensent schließlich- Stalin hatte besondere Interessen in Polen - in einen "Krieg im Krieg" mündeten: "Einheimische Helfer der Deutschen und polnische Widerstandsgruppen wurden gnadenlos bekämpft und liquidiert", schreibt Müller. Alerdings verhehlen die hauptsächlich dem Minsker Staatsarchiv entnommenen Dokumente nach Müllers Ansicht auch nicht, wie brutal zum teil die jüdischen Überlebenden vorgingen oder wie antisemitisch andererseits die polnischen Gruppen eingestellt waren.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH