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Die Studie behandelt zum einen Fragen zur Institutionengeschichte, zur Organisationskultur und zum Personal des Ministeriums. Zum anderen werden Probleme der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik 1949-63 analysiert. Dabei wird die Leitfrage verfolgt, wie ein politikökonomisches Konzept (die Soziale Marktwirtschaft), das größtenteils auf die Kräfte der Wettbewerbsgesellschaft baut und sich von der Lenkungswirtschaft vor 1945 absetzen will, in der Praxis einer Vewaltungs- und Planungsinstanz wie dem Bundeswirtschaftsministerium mit seinen personellen wie institutionellen Wurzeln im…mehr

Produktbeschreibung
Die Studie behandelt zum einen Fragen zur Institutionengeschichte, zur Organisationskultur und zum Personal des Ministeriums. Zum anderen werden Probleme der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik 1949-63 analysiert. Dabei wird die Leitfrage verfolgt, wie ein politikökonomisches Konzept (die Soziale Marktwirtschaft), das größtenteils auf die Kräfte der Wettbewerbsgesellschaft baut und sich von der Lenkungswirtschaft vor 1945 absetzen will, in der Praxis einer Vewaltungs- und Planungsinstanz wie dem Bundeswirtschaftsministerium mit seinen personellen wie institutionellen Wurzeln im Reichswirtschaftsminissterium umgesetzt und verformt wird, zumal im europäischen Rahmen mit seinen verschiedenartigen wirtschaftspolitischen Konzeptionen und Traditionen.

"Wer sich die Zeit zum gründlichen Studium nimmt, wird reich belohnt. Im bisherigen Schrifttum über Erhard und die von ihm durchgesetzte neoliberale Renaissance existiert keine zweite Untersuchung, in der alles Wesentliche so kundig, quellengestützt und mit sicherem Urteilsvermögen dargestellt wird...." FAZ
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2003

Das Ludwigswunder
Aufbau des Bundeswirtschaftsministeriums 1949 bis 1963

Bernhard Löffler: Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis. Das Bundeswirtschaftsministerium unter Ludwig Erhard. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2002. 658 Seiten, 110,- [Euro].

Die Soziale Marktwirtschaft - einstmals das Erfolgsrezept der "Wohlfahrt für alle" - steckt in einer tiefen Bestandskrise. Zwar regt sich in CDU und FDP durchaus eine Gruppe von Nachwuchspolitikern, die entschlossen sind, das Land nach den Prinzipien der freiheitlichen Ordnungspolitik Ludwig Erhards zu revitalisieren. Doch wer weiß noch, wie das seinerzeit konzeptuell und administrativ angepackt wurde? In dieser Lage fällt der Wissenschaft die Aufgabe zu, als eine Art institutionelles Gedächtnis zu wirken.

Daß daher gerade jetzt eine sehr sorgfältig recherchierte, hochinformative Untersuchung über das Bundeswirtschaftsministerium unter Ludwig Erhard erscheint, ist somit ein Glücksfall. Wer sich die Zeit zum gründlichen Studium nimmt, wird reich belohnt. Im bisherigen Schrifttum über Erhard und die von ihm durchgesetzte neoliberale Renaissance existiert keine zweite Untersuchung, in der alles Wesentliche so kundig, quellengestützt und mit sicherem Urteilsvermögen dargestellt wird: die durchaus flexiblen ordnungspolitischen Ansätze, das interessante Personal der "Brigade Erhard", die spezifische Behördenkultur des Bundeswirtschaftsministeriums, die Organisation, Medien und Journalisten, die Erhards neoliberale Botschaft verbreitet haben, und das Ringen um politische Umsetzung des Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft in der Regierungsmaschine.

Gestützt auf die derzeit aktuelle betriebswirtschaftliche Organisationstheorie, analysiert Bernhard Löffler besonders eindringlich das Spitzenpersonal des seinerzeit mit 1200 bis 1500 Mitarbeitern vergleichsweise großen Ministeriums. Detaillierte Karriereskizzen der maßgebenden Beamten stützen die These, daß sich damals in der Leistungsetage und auf dem Weg dorthin eine ganz bemerkenswerte Truppe hoher Beamter fand. Manche - so Ludger Westrick und Alfred Müller-Armack - kamen als Außenseiter aus Wirtschaft und Wissenschaft. Viele stammten aus den ehemaligen Reichsministerien, wobei sich anfangs ein zähes Ringen zwischen den Alt-Etatisten und den Befürworten neuen, marktwirtschaftlichen Denkens ergab.

Erhard selbst, der optimistische, zähe, redegewaltige und populäre "Patron", war als ein eher mäßiger Administrator verrufen. Tatsächlich aber ist ihm der auf persönlicher Ausstrahlung und gemeinsamen ordnungspolitischen Überzeugungen beruhende Aufbau einer "Beamtengefolgschaft" gelungen, die nicht nur während seiner Amtszeit, sondern auch in der Folge über Jahrzehnte hinweg aus dem Bundeswirtschaftsministerium das "ordnungspolitische Gewissen" verschiedenster Bundesregierungen machte. Unbeschadet der Übereinstimmung im Grundsätzlichen herrschte aber in dem Hause, wie an vielen Beispielen gezeigt wird, eine bemerkenswerte Spannweite der Meinungen - flexible "corporate culture" nennt man das heute.

Besonders interessant sind dabei die Beobachtungen zur Europa-Politik. Bekanntlich hing Erhard, der eine sich in Brüssel einnistende Pariser Planifikation ablehnte und mehr in globalen Freihandelskategorien dachte, der Ruf des Antieuropäers an. In der vorliegenden Studie wird jedoch verdeutlicht, daß die "kühne politische Avantgarde" deutscher Beamter, die seit Mitte der fünfziger Jahre, sei es in Brüssel, sei es in Bonn, europapolitisch maßgeblich wurde, in starkem Maß im Bundeswirtschaftsministerium wurzelte - Persönlichkeiten also wie Hans von der Groeben, Hans Michaelis, Ulrich Everding oder Ulrich Meyer-Cording. Gelegentlich mißtrauisch, im ganzen aber doch einsichtsvoll ließ Erhard dieses neuartige Netzwerk von "Europabeamten" zumeist gewähren. Letztlich konnte er darauf vertrauen, daß diese modern denkenden, ganz auf Westeuropa orientierten Beamten auch innerhalb der EWG den marktwirtschaftlichen Grundsätzen zum Durchbruch verhelfen würden.

Von besonderem Interesse sind die Kapitel, die sich mit der Öffentlichkeitsarbeit befassen. Auch in dieser Hinsicht war das Haus sehr innovativ und sehr erfolgreich. Erhards PR-Leute (heute würde man sie "spin doctors" nennen) verstanden es, seine charismatische Ausstrahlung und seine frohe Botschaft "Wohlfahrt für alle" über zahlreiche Kanäle in die Öffentlichkeit zu transportieren. Die F.A.Z., so erfährt der Leser, mit Erich Welter und Fritz Ulrich Fack war so etwas wie das marktwirtschaftliche "Leitmedium". Doch "Die Welt", "Das Handelsblatt", auch die "Süddeutsche" und "Die Zeit" des liberalen Verlegers Gerd Bucerius schrieben gleichfalls in diese Richtung, gepflegt und orientiert in informellen kleinen und feinen Kreisen. Von großer fachlicher Bedeutung waren nicht zuletzt die Gremien und Individuen der neoliberalen Professorenschaft. Demgegenüber wandte sich "Die Waage" an die breiten Wählerschichten, und Econ spielte die Rolle des "Hausverlags" von Erhard.

So verfügte der "freischaffende Künstler" Erhard, wie man ihn seinerzeit manchmal karikierte, über ein hochprofessionelles Ministerium und über eine beträchtliche Schar hoher Beamter, die auch in einer später nie mehr so wiederholten Intensität auch publizistisch produktiv waren. Dem verdienten Autor, der gegenwärtig an einer Erhard-Biographie arbeitet, sei gewünscht, daß er in dem ganz anderen Genre der Biographie ähnlich reüssiert wie mit dieser - allen modernen Standards entsprechenden - Behördengeschichte des seinerzeit interessantesten Ressorts in der Frühgeschichte der Bundesrepublik.

HANS-PETER SCHWARZ

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Hans-Peter Schwarz würdigt Bernhard Löfflers "Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis" als "sehr sorgfältig recherchierte, hochinformative Untersuchung" über das Bundeswirtschaftsministerium unter Ludwig Erhard. Er empfindet es geradezu als einen "Glücksfall", dass diese Arbeit jetzt erschienen ist - schließlich komme der Wissenschaft in einer Zeit, in der die Soziale Marktwirtschaft in der Krise steckt, auch die Aufgabe zu, als "eine Art institutionelles Gedächtnis zu wirken". Eine Aufgabe, die Löfflers Arbeit zur Freude von Schwarz mit Bravour erfüllt. Keine andere Untersuchung ist ihm bekannt, die alles Wesentliche über das Thema "so kundig, quellengestützt und mit sicherem Urteilsvermögen" auf den Punkt bringt. Dargestellt werden unter anderem die flexiblen ordnungspolitischen Ansätze, das interessante Personal in Erhards Ministerium, die spezifische Behördenkultur des Bundeswirtschaftsministeriums, das Ringen um politische Umsetzung des Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft in der Regierungsmaschine. Vor allem Löfflers "eindringliche" Analyse des Spitzenpersonals des Wirtschaftsministeriums, seine Beobachtungen zur Europa-Politik und zur Öffentlichkeitsarbeit befassen haben ihn beeindruckt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Löffler's book will be indispensable to scholars who are interested in Ludwig Erhard and West German economic policy up to 1963. It contains a wealth of detail that is not readily available elsewhere."
Business History Review