Die Soziale Marktwirtschaft ist zweifelsohne das wirkmächtigste Konzept der deutschen Wirtschaftspolitik. Der in den 1940er Jahren eingeführte Begriff entwickelte sich vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Aufschwungs Westdeutschlands und angesichts seiner vielfältigen Anschlussfähigkeit zu einem Containerwort, auf das sich heute quasi alle politischen Kräfte positiv beziehen können. Aber wofür steht die Soziale Marktwirtschaft konzeptionell, welche theoretischen Wurzeln liegen ihr zugrunde? Die Ursprünge führen zurück in die späten 1920er Jahre, in denen sich ein neuer Liberalismus formierte, der seit den 1950er Jahren in seiner deutschen Variante als Ordoliberalismus firmiert. Dieser Band zeigt auf, wie sich diese Konzeption bis in die Gegenwart entwickelt hat und warum sie auf nationaler und sogar auf europäischer Ebene so einflussreich werden konnte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.08.2020Rheinisch kapitalistisch
Ein Band erläutert das Konzept soziale Marktwirtschaft
Soziale Marktwirtschaft und Ordoliberalismus sind zwei Kassenschlager der Bundesrepublik. Die in den zwanziger Jahren entstandene Schule des Ordoliberalismus, verbunden mit Namen wie Werner Eucken, Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke, gilt als theoretische Grundlage jener Politik, die Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard unter dem Namen soziale Marktwirtschaft zum politischen Erfolgsrezept der jungen Bundesrepublik machten. Der Erfolg war so durchschlagend, dass sie bis heute fast alle Parteien für sich reklamieren.
Die soziale Marktwirtschaft war zwar nie eine schulbuchmäßige Anwendung der ordoliberalen Theorie, aber bis in die sechziger Jahre bewegte man sich mehr oder weniger im Einklang. Es hat also durchaus Sinn, dass Ralf Ptak und Thomas Biebricher die beiden Konzepte zusammen behandeln. Der Band verknüpft auf souveräne Weise Wirtschaft, Politik und eine auf politische Debatten Bezug nehmende Wirtschaftstheorie. Wer sich für wirtschaftspolitische Debatten interessiert, hat von dem Buch genauso Gewinn wie der Volkswirt, dem sein Fach zu eng ist.
Schon bei ihrem Erfinder Müller-Armack war die soziale Marktwirtschaft den Autoren zufolge ein so anpassungsfähiges Konzept, dass in ihr auch keynesianische Krisenpolitik und Ausbau des Sozialstaats unterzubringen waren. Das vertrug sich seit den sechziger Jahren nicht mehr mit der Lehre des Ordoliberalismus, die freien Wettbewerb in einem starken institutionellen Rahmen wollte, aber skeptisch gegenüber dem Sozialstaat und unternehmerischer Mitbestimmung blieb.
Womit für die Autoren aber auch die soziale Marktwirtschaft um ihren Sinn gebracht wurde. Sie wird von ihnen als Konzept dargestellt, das in den siebziger Jahren sozialstaatlich überstrapaziert und später ausgerechnet von der rot-grünen Koalition zugunsten einer neoliberal gefärbten Reform des Finanz- und Arbeitsmarktes aufgegeben wurde. Die wirtschaftspolitische Realität der siebziger und achtziger Jahre wird von ihnen deshalb als Rheinischer oder Korporativer Kapitalismus beschrieben, der eine stark institutionalisierte Verbindung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft anstrebte. Er geriet seit den neunziger Jahren unter Druck, wurde nach der Finanzkrise zwar von manchen, aber weitgehend erfolglos herbeigesehnt.
Den Ordoliberalismus beschreiben die Autoren als deutsche Spielart des Neoliberalismus, die mit einem vage organizistischen Gesellschaftsmodell einhergegangen sei. Seit den sechziger Jahren verlor er zusehends an Boden und wurde unter dem Namen Ordnungsökonomik weitgehend marginalisiert. Die heutige Situation ist den Augen der Autoren kurios: In der Wirtschaftswissenschaft friste die Ordnungsökonomik zwar ein Schattendasein, auf die Politik dagegen sei sie weiter von Einfluss. Den Ökonomen müsste das eigentlich zu denken geben.
THOMAS THIEL.
Ralf Ptak und Thomas Biebricher: "Soziale Marktwirtschaft und Ordoliberalismus zur Einführung".
Junius Verlag, Hamburg 2020. 256 S., br., 15, - [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Band erläutert das Konzept soziale Marktwirtschaft
Soziale Marktwirtschaft und Ordoliberalismus sind zwei Kassenschlager der Bundesrepublik. Die in den zwanziger Jahren entstandene Schule des Ordoliberalismus, verbunden mit Namen wie Werner Eucken, Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke, gilt als theoretische Grundlage jener Politik, die Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard unter dem Namen soziale Marktwirtschaft zum politischen Erfolgsrezept der jungen Bundesrepublik machten. Der Erfolg war so durchschlagend, dass sie bis heute fast alle Parteien für sich reklamieren.
Die soziale Marktwirtschaft war zwar nie eine schulbuchmäßige Anwendung der ordoliberalen Theorie, aber bis in die sechziger Jahre bewegte man sich mehr oder weniger im Einklang. Es hat also durchaus Sinn, dass Ralf Ptak und Thomas Biebricher die beiden Konzepte zusammen behandeln. Der Band verknüpft auf souveräne Weise Wirtschaft, Politik und eine auf politische Debatten Bezug nehmende Wirtschaftstheorie. Wer sich für wirtschaftspolitische Debatten interessiert, hat von dem Buch genauso Gewinn wie der Volkswirt, dem sein Fach zu eng ist.
Schon bei ihrem Erfinder Müller-Armack war die soziale Marktwirtschaft den Autoren zufolge ein so anpassungsfähiges Konzept, dass in ihr auch keynesianische Krisenpolitik und Ausbau des Sozialstaats unterzubringen waren. Das vertrug sich seit den sechziger Jahren nicht mehr mit der Lehre des Ordoliberalismus, die freien Wettbewerb in einem starken institutionellen Rahmen wollte, aber skeptisch gegenüber dem Sozialstaat und unternehmerischer Mitbestimmung blieb.
Womit für die Autoren aber auch die soziale Marktwirtschaft um ihren Sinn gebracht wurde. Sie wird von ihnen als Konzept dargestellt, das in den siebziger Jahren sozialstaatlich überstrapaziert und später ausgerechnet von der rot-grünen Koalition zugunsten einer neoliberal gefärbten Reform des Finanz- und Arbeitsmarktes aufgegeben wurde. Die wirtschaftspolitische Realität der siebziger und achtziger Jahre wird von ihnen deshalb als Rheinischer oder Korporativer Kapitalismus beschrieben, der eine stark institutionalisierte Verbindung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft anstrebte. Er geriet seit den neunziger Jahren unter Druck, wurde nach der Finanzkrise zwar von manchen, aber weitgehend erfolglos herbeigesehnt.
Den Ordoliberalismus beschreiben die Autoren als deutsche Spielart des Neoliberalismus, die mit einem vage organizistischen Gesellschaftsmodell einhergegangen sei. Seit den sechziger Jahren verlor er zusehends an Boden und wurde unter dem Namen Ordnungsökonomik weitgehend marginalisiert. Die heutige Situation ist den Augen der Autoren kurios: In der Wirtschaftswissenschaft friste die Ordnungsökonomik zwar ein Schattendasein, auf die Politik dagegen sei sie weiter von Einfluss. Den Ökonomen müsste das eigentlich zu denken geben.
THOMAS THIEL.
Ralf Ptak und Thomas Biebricher: "Soziale Marktwirtschaft und Ordoliberalismus zur Einführung".
Junius Verlag, Hamburg 2020. 256 S., br., 15, - [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Thomas Thiel liest mit Gewinn diesen Band, der das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft historisch und analytisch erklärt. Die beiden Autoren Ralf Ptak und Thomas Biebricher verbinden Wirtschaft, Politik und Wissenschaft auf "souveräne" Weise, versichert der Rezensent in seiner kurzen Besprechung, in der er auch darauf hinweist, dass in der Politik der alte Ordoliberalismus eine größere Rolle spiele als in der Ökonomie. Eine klare Empfehlung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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