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Am Beginn des 21. Jahrhunderts ruhten die Hoffnungen auf Veränderungen wieder einmal auf Lateinamerika. Die dortige Linkswende markierte das «Ende des Endes der Geschichte» und in Venezuela wurde unter Präsident Hugo Chávez der Sozialismus wieder salonfähig. Mit dem Rückenwind kräftig steigender Rohstoffpreise gelangen der Bolivarischen Revolution von Chávez nicht nur vielbeachtete soziale Entwicklungserfolge, sondern auch die Wirtschaft erreichte hohe Wachstumsraten. Der karibische Sozialismus schien sich positiv von den gescheiterten Modellen des «real existierenden Sozialismus»…mehr

Produktbeschreibung
Am Beginn des 21. Jahrhunderts ruhten die Hoffnungen auf Veränderungen wieder einmal auf Lateinamerika. Die dortige Linkswende markierte das «Ende des Endes der Geschichte» und in Venezuela wurde unter Präsident Hugo Chávez der Sozialismus wieder salonfähig. Mit dem Rückenwind kräftig steigender Rohstoffpreise gelangen der Bolivarischen Revolution von Chávez nicht nur vielbeachtete soziale Entwicklungserfolge, sondern auch die Wirtschaft erreichte hohe Wachstumsraten. Der karibische Sozialismus schien sich positiv von den gescheiterten Modellen des «real existierenden Sozialismus» abzuheben.

Doch bald wurden die Erfolgsmeldungen spärlicher und Nachrichten von Verschwendung, Korruption sowie zunehmenden autoritären Tendenzen untergruben den Modellcharakter. Spätestens mit dem Tod des comandante im März 2013 und dem Einbruch der Erdölpreise begann der Niedergang der Bolivarischen Revolution. Allerdings bleiben viele bisherige Analysen an der Oberfläche, beschreiben oft nurgenüsslich das Missmanagement der Regierung und scheitern an einem besseren Verständnis der Besonderheiten der Erdölgesellschaft Venezuelas.

Das Buch verbindet die Analyse der Bolivarischen Revolution in Venezuela mit Einblicken in die Funktionsweise von erdölbasierten Rentengesellschaften. Es bietet Einblicke in die Praxis des Sozialismus des 21. Jahrhunderts, nimmt eine kritische Würdigung der Erfolge des Chavismus vor und analysiert die Gründe des Scheiterns der Bolivarischen Revolution.

Auf dieser Grundlage wird die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen revolutionärer Veränderungen in rohstoffreichen Ländern des Globalen Südens diskutiert, bevor die Zukunftsszenarien für Venezuela ausgeleuchtet werden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2019

Das schwarze Gold des Teufels
Warum die Bolivarische Revolution in Venezuela nach 20 Jahren gescheitert ist

Den Sozialismus in seinem Lauf, den halten die Chavisten schon ganz alleine auf. Anders lässt sich die vorläufige Bilanz der sogenannten Bolivarischen Revolution in Venezuela, die in diesem Jahr 20 Jahre alt wird, nicht beschreiben. Es ist eine Zwischenbilanz des Grauens, die auch der Politikwissenschaftler Stefan Peters in seinem neuen Buch "Sozialismus des 21. Jahrhunderts - Aufstieg und Fall der Bolivarischen Revolution von Hugo Chávez" zieht. Die Inflationsrate lag Ende 2018 nach Angaben des Internationalen Währungsfonds bei fast 1,4 Millionen Prozent, Oppositionspolitiker werden gegängelt, das Parlament wurde entmachtet, die Justiz gefügig gemacht.

Auch wenn die Wirtschaft des Landes schon seit einigen Jahren kriselt, hielt sich das sozialistische Regime erstaunlich lange an der Macht. Wenige Tage nach dem Jahreswechsel haben sich die Ereignisse in Venezuela aber überschlagen. Machthaber Nicolás Maduro ist angezählt, Juan Guaidó hat sich zum Interimspräsidenten ausgerufen, die Welt blickt nach Venezuela - und fragt sich, auf welche Seite sich das Militär schlagen wird. Wie aber konnte es so weit kommen, dass Millionen Bürger ihre Heimat verließen, dass ein vermeintlich so reiches Land in einem solch desolaten Zustand verharrt? War es nicht die Bolivarische Revolution, dank der die Wirtschaft des Landes Mitte des vergangenen Jahrzehnts so prosperierte und Geld en masse verteilt werden konnte?

Noch heute gibt es weltweit linke Romantiker, die den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" in Venezuela verteidigen. In Deutschland allen voran die Linkspartei, die sich in den vergangenen Wochen eindeutig zu Maduro bekannt hat - und damit ganz auf der Linie von Ländern wie Russland, Syrien, und Iran liegt. Andere geben zu, dass Maduro gescheitert ist, trauern jedoch "Comandante" Hugo Chávez hinterher, dem 2013 an Krebs verstorbenen Vorgänger. Dieser hatte dank seines Charismas vor 20 Jahren die Idee des Sozialismus wieder wachgeküsst - und das Ende vom Ende der Geschichte versprochen. Doch wer Chávez verklärt, verkennt, dass die Wirtschaftskrise von heute schon unter dem ehemaligen Präsidenten angelegt war. Sie gründet, wie Peters überzeugend darstellt, vor allem auf zwei Dingen: zum einen auf der jahrzehntelangen Abhängigkeit vom Erdöl, zum anderen auf dem System der Einnahmenverteilung. Peters greift ein altes Zitat auf, formuliert von einem der Gründungsväter der Organisation erdölexportierender Länder (Opec), Juan Pablo Pérez Alfonzo: "Wir ertrinken im Exkrement des Teufels." Nicht zum ersten Mal bekommt Venezuela die Folgen der Abhängigkeit vom schwarzen Gold zu spüren. Vor etwas mehr als hundert Jahren förderte das Land erstmals Erdöl. Die Exporterlöse ermöglichten später die Etablierung einer Demokratie, die sich positiv von den Diktaturen in den lateinamerikanischen Nachbarstaaten abhob. In den achtziger und neunziger Jahren krankte die Demokratie aber an gefallenen Rohstoffpreisen und dem verlorengegangenen Vertrauen in die Politik. Das begünstigte den Aufstieg von Chávez, der 1999 überraschend Präsident wurde. Den Sozialisten kam nach der Jahrtausendwende zugute, dass die Rohstoffpreise wieder stark anzogen und es endlich wieder viel zu verteilen gab.

Doch nicht nur die einseitige Ausrichtung auf die Einnahmen aus dem Export des wichtigen Rohstoffs zwingen die Chavisten gegenwärtig in die Knie, sondern auch das System der Verteilung der Erlöse aus dem Ölgeschäft; ebenfalls ein seit langem bestehender Konstruktionsfehler. Dieses System hatte sich schon im 20. Jahrhundert etabliert. Die Chavisten verpassten es, sich von ihm zu befreien. Im Gegenteil: Mit der Macht über den staatlichen Erdölkonzern PdVSA sicherten sie sich auch die Macht über das Land. In Venezuela, das macht Peters deutlich, hat die Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg den Anspruch entwickelt, dass die Einnahmen aus dem Erdölexport dem Volk zustehen. Sollte die Opposition Maduro stürzen, wird sie es schwer haben, das System der Geldverteilung zu beenden; sofern sie es denn überhaupt vorhat.

Nie zuvor in der Geschichte Venezuelas verfügte eine Regierung über so viel Geld wie nach der Jahrtausendwende. Wie ihre Vorgängerregierungen haben es die Sozialisten aber verpasst, die Wirtschaft breiter aufzustellen und höhere Steuern einzuführen, die bei sinkenden Rohstoffpreisen fehlende Einnahmen ausgleichen könnten. Auch hier, schreibt Peters, müsste eine mögliche künftige Regierung ansetzen. Ein weiterer Fehler der Sozialisten war es, den staatlichen Erdölkonzern mit hörigem Personal zu besetzen, dem es an Knowhow fehlt. So verpasste es der Staat, Geld in die Förderanlagen und Raffinerien zu investieren. Mittlerweile muss Venezuela, das Land mit den größten Erdölreserven der Welt, Benzin importieren. Nichts veranschaulicht das Wirtschaftsdesaster der Sozialisten besser.

TIM NIENDORF

Stefan Peters: Sozialismus des 21. Jahrhunderts in Venezuela. Aufstieg und Fall der Bolivarischen Revolution von Hugo Chávez. Schmetterling Verlag, Stuttgart 2019. 248 S., 19,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Tim Niendorf lässt sich von Stefan Peters noch einmal das Desaster der Bolivarischen Revolution in Venezuela vor Augen führen. Als Bilanz des Grauens erscheint ihm, was mit Hugo Chavez und der Abhängigkeit vom Erdöl begann und sich dann durch eine fehlerhafte Verteilung der Erlöse aus dem Öl weiter aufs Katastrophale zu bewegte. Diese Entwicklung kann der Autor dem Rezensenten überzeugend darstellen. Weitere Mängel, die der Band Niendorf aufzeigt: Das Versäumnis, höhere Steuern einzuführen, die Raffinerien in Schuss zu halten und den staatlichen Ölkonzern mit Fachpersonal statt mit Kuschern zu besetzen.

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