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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2013

Freiheit oder Sozialismus?
Eine Analyse aus Spanien im Geiste der österreichischen Schule

Jesús Huerta de Soto lehrt Politische Ökonomie und Wirtschaftspolitik in Madrid. Er ist einer der wichtigsten aktuellen Vertreter der Österreichischen Schule der Wirtschaftswissenschaften, die vor allem auf Werken von Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek aufbaut. In seinem Buch greift er die Frage wieder auf, ob der Sozialismus mit einer rationalen Ressourcenallokation kompatibel ist. Dabei reicht ihm die traditionelle Definition von Sozialismus durch Staatseigentum an den Produktionsmitteln nicht. Für ihn ist Sozialismus "jedes System institutioneller Aggression gegen die freie Ausübung menschlicher Handlungen beziehungsweise seine unternehmerische Funktion."

Nach dieser Definition ist nicht nur die Verstaatlichung der Industrie, sondern auch sozialdemokratischer Interventionismus "sozialistisch". Für ihn ist menschliches Handeln tendenziell immer unternehmerisch, weil Menschen handeln, um ihre Lage zu verbessern und zukünftige Ziele zu erreichen. Man entdeckt Möglichkeiten eines unternehmerischen Gewinns, ordnet den Zielen möglichst kostengünstige Mittel zu und gibt natürlich immer wieder auch Ziele auf, weil Handeln mit Opportunitätskosten verbunden ist oder Verluste statt Gewinne gemacht werden. Dabei werden Informationen entdeckt und geschaffen, wobei das Wissen typischerweise subjektiv und praktisch, oft auch stillschweigend oder implizit statt "wissenschaftlich" ist. Die Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit durch Zwang, die den Sozialismus ausmachen, führen dazu, dass die Informationen für eine Wirtschaftsrechnung gar nicht geschaffen werden, so dass das Problem der rechnerischen Verarbeitung der Informationen für Huerta de Soto zweitrangig wird. Wie Mises und Hayek betont er die positive Funktion des Wettbewerbs zwischen autonomen Unternehmern, die spontane Koordination auf dem Markt und die Mobilisierung des vorhandenen, aber verstreuten Wissens und die Schaffung von neuem Wissen in einer freiheitlichen Gesellschaft.

Zwar bestreitet Huerta de Soto weder das Prinzip des abnehmenden Grenznutzens noch die Zeitpräferenz im Sinne der Bevorzugung von Nutzen heute statt erst morgen, aber er betont wie auch Mises, dass diese Aussagen keine empirischen oder psychologischen Gesetze sind, sondern in der Kategorie der Handlung enthalten sind. Da ist es nicht verwunderlich, dass in den Registern weder das Stichwort Falsifikation noch der Name Popper auftaucht.

Die ersten drei Kapitel entwickeln die theoretischen Grundgedanken, während die letzten vier Kapitel im Wesentlichen eine Ideengeschichte darstellen, wobei vor allem Mises, aber auch Lange jeweils ein Kapitel gewidmet werden. Weil die Kontrahenten im Streit um die Möglichkeit einer Wirtschaftsrechnung oft ähnliche oder gar identische Argumente vorbrachten, lässt sich ermüdende Wiederholung nicht vermeiden. Das gilt sowohl für die Grundgedanken zur Informationsbeschaffung durch unternehmerische Tätigkeit, die manchmal zeitweilige Akzeptanz von manchen Formen des Wettbewerbs oder von "Versuch und Irrtum" bei manchen Sympathisanten des Sozialismus als auch für die Ablehnung des neoklassischen Gleichgewichtsdenkens und der Mathematisierung durch "österreichische" Ökonomen.

Ob man das Werk mit Gewinn lesen wird, hängt stark davon ab, was der Leser erwartet. Wer über die Kalkulationsdebatte im Detail informiert werden will, findet hier ein Standardwerk aus dezidiert "österreichischer" Perspektive. Wer Schwierigkeiten mit der von Mises und Huerta de Soto vertretenen Methodologie hat, kann zwar viele Aussagen von Mises, Hayek oder Huerta de Soto als empirisch zu prüfende Hypothesen auffassen, wird aber das Werk immer auch aus skeptischer Distanz betrachten.

ERICH WEEDE.

Jesús de Soto: Sozialismus, Wirtschaftsrechnung und unternehmerische Funktion.

Stuttgart: Lucius und Lucius 2013, 306 Seiten, 49 Euro.

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