29,95 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 2-4 Wochen
  • Broschiertes Buch

Mit Erich Honeckers Aufstieg zum Generalsekretär des Zentralkomitees der SED begann 1971 eine neue Phase in der DDR-Geschichte. Seine Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik , die den Bürgern die Erfolge und Errungenschaften des Sozialismus präsentieren sollte, prägte fortan den Alltag in der DDR und blieb bis zu ihrem Ende zentraler Bestandteil der SED-Politik. In keiner Stadt traten die Auswirkungen dieser Politik so stark in Erscheinung wie in der Hauptstadt der DDR, Ost-Berlin. Mit großer Anstrengung versuchte man durch umfangreiche Investitionen in Bereichen wie dem Wohnungsbau, dem…mehr

Produktbeschreibung
Mit Erich Honeckers Aufstieg zum Generalsekretär des Zentralkomitees der SED begann 1971 eine neue Phase in der DDR-Geschichte. Seine Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik , die den Bürgern die Erfolge und Errungenschaften des Sozialismus präsentieren sollte, prägte fortan den Alltag in der DDR und blieb bis zu ihrem Ende zentraler Bestandteil der SED-Politik. In keiner Stadt traten die Auswirkungen dieser Politik so stark in Erscheinung wie in der Hauptstadt der DDR, Ost-Berlin. Mit großer Anstrengung versuchte man durch umfangreiche Investitionen in Bereichen wie dem Wohnungsbau, dem Gesundheitswesen oder den Kinderkrippen die Zustimmung der Bürger zu erkaufen und gleichzeitig dem Rest der Welt eine strahlende Hauptstadt der DDR zu präsentieren. Die erhoffte Zustimmung der Bürger blieb jedoch aus: Trotz aller Bemühungen konnte die DDR dennoch nie den Charakter einer Diktatur abstreifen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als gelungen bezeichnet Karl Wilhelm Fricke Alexander Burdumys Versuch, das Verhältnis von Repression und Sozialpolitik in der DDR der siebziger und achtziger Jahre zu erforschen. Nicht nur findet Fricke die Frage sinnvoll. Außer einigen Petitessen gefällt ihm Burdumys mit umfangreichem Archivmaterial arbeitende Studie als auf empirischen und statistischen Daten aus Familien, Renten- und Gesundheitspolitik basierender Nachweis eines uneingeschränkten Zusammenspiels ausgezeichnet. Nicht zuletzt präsentiere der Autor ein realistisches Bild der Honecker-Ära, schreibt Fricke.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2013

Zuckerbrot und Überwachung
Strategien der SED zur Herrschaftsstabilisierung in der DDR

Die Interdependenz von Repression und sozialer Fürsorge in der DDR, exemplarisch gemacht an der Sozialpolitik der SED in den 1970er und 1980er Jahren: Diese hat Alexander Bruce Burdumy zum Kernthema seines Buches gemacht. Im Hinblick auf die unter Erich Honecker beschlossene Linie der SED von der "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" erscheint das als eine durchaus sinnvolle Fragestellung. Ob es sinnvoll war, sich dabei im Wesentlichen bewusst auf Ost-Berlin zu beschränken, steht auf einem anderen Blatt. Kritisch zu fragen ist, warum der Autor durchgängig vom "Bezirk Berlin" schreibt, obwohl er Ost-Berlin meint. Ost-Berlin war kein Bezirk der DDR. Die SED hatte es de facto als "Hauptstadt" ihres Staates deklariert, es sollte "Schaufenster des Sozialismus" sein, aber de jure galt der alliierte Viermächtestatus für Ost-Berlin genauso wie für die früheren drei Berliner Westsektoren.

Ungeachtet solcher Petitessen hat sich der in den Vereinigten Staaten geborene Autor in eine umfangreiche und komplizierte Materie eingearbeitet. Seine Vorstellungen von Herrschaft und Gesellschaft in der DDR sind kenntnisreich und realistisch. Ausgangspunkt ist der von Konrad Jarausch zur Charakterisierung der DDR geprägte, nicht unumstrittene Begriff der Fürsorgediktatur. Einleitend setzt sich der Autor mit verschiedenen Theorien der Herrschaftslegitimierung auseinander, er untersucht die unter Walter Ulbricht und Erich Honecker in der Spekulation darauf entwickelten Strategien, die DDR im Bewusstsein ihrer Bürger als sozialistischen Staat legitimieren und ihre Loyalität erwirken zu können: "In den frühen Jahren der DDR stützte sich der Legitimierungsanspruch unter anderem darauf, ,antifaschistisch' zu sein, was gleichzeitig für viele identitätsstiftend war. In den späteren Jahren hingegen schwand die Wirkung dieses Anspruchs zunehmend und die SED-Regierung musste sich mehr und mehr auf das Funktionieren des Repressionsapparates, vornehmlich der Stasi, aber auch andere etablierte Machtstrukturen . . . verlassen, um ihren Führungsanspruch zu behalten." Als Vehikel der Herrschaftsstabilisierung nutzte die SED in den Grenzen ihrer Möglichkeiten die Sozialpolitik. Burdumy macht das an einer Fülle empirischer und statistischer Daten zur Familienpolitik, zur Rentenpolitik, zum Gesundheitswesen und zum Wohnungsbau fest.

Mit Recht konstatiert er im historischen Kontext des Jahres 1953: "Im Juni-Aufstand, der die mangelhafte Legitimation und die fehlende Unterstützung aus der Bevölkerung in ihrem vollen Umfang aufzeigte, lag auch der Ursprung für die eigenartige Mischung aus Paranoia und Paternalismus, die so charakteristisch für die DDR sein sollte und zweifellos zum parallelen Wachstum von Repression und Sozialpolitik/Konsumpolitik führte. Ebenso lässt sich hiermit das fast absurde Festhalten der SED-Führung an der Politik selbst in Zeiten des wirtschaftlichen Niedergangs erklären - der Legitimationsdruck war zu groß, die Angst vor einem Aufstand gewaltig." Dieser Analyse kann man uneingeschränkt zustimmen.

Als Quellen hat der Autor die deutsche und anglo-amerikanische Fachliteratur herangezogen, ferner schriftliche Archivmaterialien, Akten lokaler Parteifunktionäre, MfS-Stimmungsberichte und andere Stasi-Akten sowie nicht zuletzt Eingaben von Berliner Bürgern, die in der Tat authentische Einblicke in den sozialistischen Alltag bieten. Burdumy schätzt sie als zeithistorische Quellen, die er in vielerlei Hinsicht für verlässlicher hält als biographische Interviews. Auf Zeitzeugenbefragungen und andere Elemente der "oral history" verzichtet er.

Alles in allem entwirft der Autor ein wirklichkeitsnahes DDR-Bild der in sich widerspruchsvollen Honecker-Ära. Wie wenig populär das Regime der SED in der Bevölkerung dennoch blieb, ließ die bis zur Endzeit der DDR hohe Zahl "Republikflüchtiger" und ausreisewiliger Bürger ermessen. Sein Resümee: "Bis auf den Volksaufstand am 17. Juni 1953 blieb es in der DDR jedoch bemerkenswert ruhig. Diese frappierende Passivität war das Resultat eines nahezu reibungslos funktionierenden Repressionsapparates, dem die DDR einen großen Teil ihrer 40-jährigen Existenz zu verdanken hat." Mit der friedlichen Revolution waren die scheinbar apolitische Apathie der Bevölkerung und ihr Arrangement mit dem System - von denen Burdumy spricht - überwunden und verweht.

KARL WILHELM FRICKE

Alexander Burdumy: Sozialpolitik und Repression in der DDR. Ost-Berlin 1971-1989. Klartext Verlag, Essen 2013. 368 S., 29,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr