Die Demokratie Nachkriegsdeutschlands ist gemeinhin untersucht worden, als hätte sie sich wie ein Phönix als Zivilgesellschaft aus der Asche des Zusammenbruchs des Nationalsozialismus erhoben. Aber die Geschichte war ganz anders. Man muß die Demokratisierung Deutschlands durch die amerikanische Besatzungsherrschaft anhand der originalen Dokumente nachzeichnen, um zu zeigen, welch spannende Dinge sich tatsächlich in der Stunde Null, dem (nicht nur) metaphorischen Wendepunkt der deutschen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, ereignet haben. Uta Gerhardt befaßt sich anhand der konkreten Vorgaben, die damals die Politik bestimmten, mit den Programmperspektiven der amerikanischen Besatzungsherrschaft. Trotz seines zeitgeschichtlichen Stoffs handelt es sich aber um ein am Denken Max Webers geschultes soziologisches Buch, in dessen Zentrum die Frage steht, wie es mittels einer Herrschaft des Übergangs binnen kurzer Zeit gelingen kann, eine von Diktatur geprägte Gesellschaft in eine demokratische zu transformieren - eine Frage, die heute mehr denn je aktuell ist.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Mit ihrer Studie zu Plänen der Amerikaner, wie die deutsche Diktatur nach dem Krieg in eine Demokratie zu verwandeln sei, fügt Ute Gerhardt einem Thema, für das eine "Gesamtdarstellung" noch fehlt, einen "wichtigen Teilbereich" hinzu, lobt Rezensent Tim B. Müller. In ihrem Buch untersucht die Autorin "eingehend" die Konzepte für ein Nachkriegsdeutschland, wie sie in amerikanischen Plänen seit 1944 ausgearbeitet wurden, wobei der angestrebte Übergang zur Demokratie sich zu einer eigenen Form "nicht-autoritärer Besatzungsherrschaft" entwickelte, erklärt der Rezensent. Er lobt die Darlegungen der Autorin zu den amerikanischen Plänen, die sie als "entscheidende Voraussetzung" für die bundesdeutsche Demokratie begreift, als "überzeugend" und findet überhaupt, dass es sich um eine "höchst lesenswerte" Untersuchung handelt. Allerdings beschreibe Gerhardt ihren Gegenstand stets nur aus der amerikanischen Perspektive heraus und bleibe dadurch immer auf der "normativen Ebene". Die "komplexe Praxis" im besetzten Deutschland werde dagegen außer Acht gelassen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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