Da die Menschen sich der Erforschung des Weltraums zuwenden, beschließt die Gemeinschaft außerirdischer Spezies, dass es nun an der Zeit sei, dass die Menschheit ihre Empfindungsfähigkeit und ihre Qualitäten als gute Nachbarn unter Beweis stellen muss - gelingt der Menschheit das nicht, droht ihr
die Vernichtung ...
Hierfür nimmt die Autorin das Science-Fiction-Untergenre Space Opera…mehrDa die Menschen sich der Erforschung des Weltraums zuwenden, beschließt die Gemeinschaft außerirdischer Spezies, dass es nun an der Zeit sei, dass die Menschheit ihre Empfindungsfähigkeit und ihre Qualitäten als gute Nachbarn unter Beweis stellen muss - gelingt der Menschheit das nicht, droht ihr die Vernichtung ...
Hierfür nimmt die Autorin das Science-Fiction-Untergenre Space Opera wortwörtlich, denn im Gegensatz zu gewöhnlichen Weltraumopern wird hier nicht gekämpft, sondern die Vertreter der Menschheit müssen an einem Songwettbewerb teilnehmen, der durch seine liebenswerte Verrücktheit und Vielfältigkeit stark an den Eurovision Song Contest (ESC) erinnert ...
Genauso wie der ESC seinen Zuschauern eine gewisse Offenheit und Toleranz abverlangt, hat auch dieses Buch etwas überwältigend Schräges, für das man in der richtigen Stimmung sein sollte. Auch die bildreiche Sprache ist eine Herausforderung, gleichzeitig aber auch ein großer Genuss. Immer wieder überrascht die Autorin mit ungewohnten Vergleichen wie "und dann sangen sie den Song ein wie der Geist Oscar Wildes, der frisch von einem Kometen gestreift Sterne schnupfte wie Kokain" (S. 24)
Mit den zahlreichen Wortspielereien und Wortkreationen machte mich diese Lektüre so rundum glücklich, wie es schon lange kein Buch mehr geschafft hat, und ich ziehe vor der Übersetzerin Kirsten Borchardt meinen Hut, dass ihr die Übertragung ins Deutsche so gut geglückt ist. Die Autorin hat so wunderbare Einfälle wie "Glampire" oder "Apokalyptische Ölkatastrophe Nr. 4" (als Name eines Haarfärbemittels) und die Namen der verschiedene Wesen erinnerten mich an verschiedene Sprachen der Welt, beispielsweise Yüz an das türkische Wort für hundert, Keshet an das hebräische Wort für Regenbogen, Utorak heißt, wie ich recherchiert habe, im Kroatischen "hart, unbelebt" - alles sehr passend, das kann kein Zufall sein ...
Dazu kommt noch der funkelnde Humor von Catherynne M. Valente, sich selbst nicht ernstnehmend, das ist meine Lieblingshumorsorte. Dabei erzählt die Autorin in einem Nachwort, das hier zum Musikthema passend als "Liner Notes" bezeichnet wird, dass sie während des Schreibens aufgrund der Erkrankung und des Todes ihrer Katze eine schlimme Zeit durchlebte. Wer jemals wie sie eine Katze geliebt und aufgrund einer schlimmen Krankheit verloren hat, wird es nachfühlen können ...
Und natürlich hat diese sympathische Autorin den musikalischen Vertretern der Menschheit mit Capo auch eine coole Katze an die Seite gestellt - deren Unterhaltung mit einer der außerirdischen Spezies stellte für mich in puncto Lachanfälle einen der Höhepunkte dieses Romans dar.
Traurig ist hingegen das Bild, das die Autorin vom xenophoben Großbritannien in der nahen Zukunft zeichnet. Umso trauriger, da es gerade gar nicht so absurd wirkt, sondern stark dem not-so-great Brexitbritannien ähnelt.
Aus irgendeinem Grund musste ich ferner beim Lesen immer wieder an die meisterhafte, unübertroffene Science-Fiction-Serie Doctor Who denken. Nein, der Doctor kommt selbst nicht vor, aber allein schon die Idee, erst einmal einen Songwettbewerb zu veranstalten, anstatt gleich zu den Waffen zu greifen, könnte definitiv von ihm stammen ... Dann die Erwähnung der Taschenuhren, die mal mehr und mal weniger friedliche Koexistenz so vieler unterschiedlicher Wesen ... So war ich nicht überrascht, als er dann schließlich (allerdings nur als Fernsehserie, nicht als Handlungsfigur dieses Romans) auch erwähnt wurde. Auch die Liebe der Autorin zu Douglas Adams und David Bowie ist spürbar, aber aus all diesen Inspirationsquellen (nicht zu vergessen den ESC) schafft sie ihren ganz eigenen Roman, der sich wohltuend von der Masse anderer Science-Fiction-Romane abhebt.
Ein wunderbares, buntschillerndes Sprachfeuerwerk!