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Nabokovs vorletzter und letzter Roman. Sehr kursorische Hinweise auf die Inhalte: Durchsichtige Dinge Lebensgeschichte des Amerikaners Hugh Person, den wir vor allem während seiner vier Reisen in die Schweiz kennen lernen. (Reise 1: sein Vater stirbt, Reise 2: er trifft die Liebe seines Lebens, Reise 3: sie ist seine Frau, Reise 4: Rückkehr an die alten Stätten, nachdem er in Gefängnissen und Irrenhäusern für ihren Tod gebüßt hat.) Der Roman ist eine Geistergeschichte - die Geister sind die ´durchsichtigen Dinge´ -, erzählt von einem neu vergeisterten Toten, der am Ende seine Hauptfigur im…mehr

Produktbeschreibung
Nabokovs vorletzter und letzter Roman. Sehr kursorische Hinweise auf die Inhalte:
Durchsichtige Dinge Lebensgeschichte des Amerikaners Hugh Person, den wir vor allem während seiner vier Reisen in die Schweiz kennen lernen. (Reise 1: sein Vater stirbt, Reise 2: er trifft die Liebe seines Lebens, Reise 3: sie ist seine Frau, Reise 4: Rückkehr an die alten Stätten, nachdem er in Gefängnissen und Irrenhäusern für ihren Tod gebüßt hat.) Der Roman ist eine Geistergeschichte - die Geister sind die ´durchsichtigen Dinge´ -, erzählt von einem neu vergeisterten Toten, der am Ende seine Hauptfigur im Totenreich begrüßt.
Sieh doch die Harlekine! Die Autobiographie des im vorrevolutionären Russland geborenen Autors Vadim Vadimowitsch N. (Pseudonym V. Irisin) - auf den ersten Blick eine parodistische Übertreibung all dessen, was Nabokov angeblich charakterisiert: Selbstbezogenheit, Puppenspielerposen, Bücher in Russisch und Englisch, eines davon über die Perversion eines älteren Schurken, der sich von kleinen Mädchen fleischlich angezogen fühlt. Vadim fürchtet, "der nicht-identische Zwilling, die Parodie, die minderwertige Variante von eines anderen Mannes Leben" zu sein - Nabokovs.
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Autorenporträt
Vladimir Nabokov wird am 22. April 1899 in St. Petersburg geboren. Nach der Oktoberrevolution flieht die Familie 1919 nach Westeuropa. 1919-1922 in Cambridge Studium der russischen und französischen Literatur. 1922-1937 in Berlin, erste Veröffentlichungen, meist unter dem Pseudonym W. Sirin. 1937-1940 nach der Flucht aus Nazideutschland in Südfrankreich und in Paris, seit 1940 in den USA. 1961-1977 wohnt Nabokov im Palace Hotel in Montreux. Er stirbt am 2. Juli 1977. Dieter E. Zimmer, geb. 1934, war freier Autor und Übersetzer. Von 1959-1999 war er Redakteur bei DIE ZEIT, davon 1973-1977 Leiter des Feuilletons, danach als Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Psychologie, Biologie, Medizin und Linguistik. Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen erhielt er den Preis für Wissenschaftspublizistik der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Bei Rowohlt war er u. a. als Herausgeber und Übersetzer für die Nabokov-Gesamtausgabe verantwortlich.  Dieter E. Zimmer starb 2020 in Berlin. Uwe Friesel, geboren 1939 in Braunschweig,  schrieb in enger Anlehnung an das Stück die Lesefassung von 'Trummi kaputt', um das Thema allen zugänglich zu machen, die das Stück nicht kennen, und zum Nachlesen und Diskutieren für jene, die es gesehen haben. Dieter E. Zimmer, geb. 1934, war freier Autor und Übersetzer. Von 1959-1999 war er Redakteur bei DIE ZEIT, davon 1973-1977 Leiter des Feuilletons, danach als Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Psychologie, Biologie, Medizin und Linguistik. Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen erhielt er den Preis für Wissenschaftspublizistik der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Bei Rowohlt war er u. a. als Herausgeber und Übersetzer für die Nabokov-Gesamtausgabe verantwortlich.  Dieter E. Zimmer starb 2020 in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.2002

Wie Gras und Schnee
Der Wettkämpfer: Vladimir Nabokov in seinen späten Romanen

Nabokovs Helden sind Variationen zweier Grundfiguren, die man als Pnin-Typus und Humbert-Typus bezeichnen könnte. Die Pnins präsentieren sich als liebenswürdige Gestalten, vom Leben nicht gerade verwöhnt und oft mit einer gewissen existentiellen Tolpatschigkeit geschlagen - eben wie der milde, heimwehkranke russische Gelehrte. Sie drängen sich nie in den Vordergrund; deshalb wird von ihnen in der dritten Person erzählt. Ganz anders die fiebrig-nervösen Unsympathen à la Humbert Humbert, die mittels ihrer Obsessionen faszinieren. Es sind Exzentriker, die wie der Held von "Lolita" meist am Rand des Nervenzusammenbruchs operieren und sich gerade deshalb übermäßig selbstbewußt geben. Die hysterischen Humberts bringen sich selbstredend in Ichform zur Darstellung, in Bekenntnissen von auftrumpfender sprachlicher Brillanz, denen nie ganz zu trauen ist. Denn diese Figuren sind Opfer der eigenen deformierten Wahrnehmung. Beim Pnin-Typus gibt sich Nabokov als freundlicher Humorist, beim Humbert-Typus als bissiger Ironiker.

Im jetzt erschienenen Band 12 der "Gesammelten Werke" kann man anhand der späten Romane des Autors beide Heldentypen noch einmal kennenlernen und genießen. Hugh Person, der gelegentlich auch einfach nur "die Person" genannt wird, ist die Hauptfigur von "Durchsichtige Dinge". Ein Durchschnittsmensch. Seinem musischen Interesse entspricht kein ausgeprägtes Talent; ohne Ehrgeiz schlägt er sich durchs Leben, erleidet manche Schlappe, bis er in einem New Yorker Verlag unterkommt, als Lektor und "Schmeichler unserer Autoren". Vor allem hat Person keine glückliche Hand mit Frauen. Nach einer erotisch unergiebigen Jugend verliebt er sich endlich heftig in die attraktive Armande, die nur einen Fehler hat: Sie gehört zu den "unliebbaren" Frauen. Ein Hauptthema Nabokovs ist die "Qual und Komik einer hoffnungslosen, vergeudeten, verfehlten großen Emotion", schreibt der Herausgeber Dieter E. Zimmer in seinem Nachwort, das ein Höchstmaß an kompakter Information in eleganter Darstellung bietet.

Auf längeres Liebeselend folgt dann doch die Heirat. Aber das Pech bleibt Person treu: Von einem bösen Traum genarrt, erdrosselt er seine Armande versehentlich im Schlaf und landet in der Psychiatrie. Jahre später kehrt er als melancholischer Schlachtenbummler seiner einstigen Leidenschaft in den Schweizer Bergort zurück, wo er Armande kennenlernte - und kommt bei einem Hotelbrand ums Leben. Zahlreiche Todesfälle und Feuersbrünste markierten seinen Weg; ein leitmotivischer Schwelbrand, der im Finale offen auflodert. Indes gibt sich das Buch bei aller Katastrophenträchtigkeit entspannt und heiter: ein wunderbares kleines Spätwerk, das ungeachtet seiner Genauigkeit im realistischen Detail eigenartig entwirklicht scheint.

Während Nabokovs vorangehender Roman, die so umfangreiche wie ambitionierte "Ada", Hochleistungsleser fordert, bleibt "Durchsichtige Dinge" auch in der zeitlichen Verschachtelung gut überschaubar - vier Schweiz-Reisen Persons im Verlauf von zwanzig Jahren bilden das Handlungsgerüst. Einige Passagen allerdings wirken so rätselhaft, daß selbst ein Kenner Nabokovs wie John Updike zunächst vor dem Roman kapitulierte. Ihm wurde nicht durchsichtig, wer hier "ich" oder "wir" sagt, wer Persons Geschichte erzählt. Die Lösung des Rätsels findet sich im "Pnin", wo es an einer Stelle heißt: "Vielleicht bildeten die Seelen der Toten Komitees, und diese widmeten sich in fortlaufenden Sitzungen dem Geschick der Lebenden."

Diese skurrile Idee hat Nabokov in "Durchsichtige Dinge" ausphantasiert. Das Erzählkollektiv ist ein solches Totenkomitee, das sich Hugh Persons, dieser unscheinbaren Person, postum angenommen hat, allen voran der verstorbene Schriftsteller Mr. R. (mit seinem "teuflisch anschaulichen" Stil eine Selbstparodie Nabokovs), dessen geduldiger Lektor Hugh zu Lebzeiten gewesen ist. So erklärt sich die gewisse Geisterhaftigkeit des feingesponnenen Romans, an dessen gewitzten Spekulationen man seine Freude hat, wenn einem die Grundidee erst einmal aufgegangen ist. Für Tote wie Mr. R. sind die Lebenden und überhaupt alle irdischen Gegenstände "durchsichtige Dinge"; sie sehen nicht nur deren Gegenwart, sondern durchschauen sie bis in die Anfangsgründe, was sie zu idealen allwissenden Erzählern macht. Auf der letzten Seite begrüßen sie den soeben im Zuge des Hotelbrands erstickten Person und geben ihm noch ein bißchen finale Geburtshilfe ins Jenseits: "Immer sachte voran, dann wird's schon werden, Söhnchen."

Als das Gegenteil Persons empfiehlt sich der Schriftsteller Vadim Vadimowich N., der selbstherrliche Ich-Erzähler von "Sieh doch die Harlekine!" Nabokovs Verärgerung über den eigenen Biographen Andrew Field wurde zur Keimzelle dieses letzten, 1974 veröffentlichten Romans, der den Autor nochmals als Meister der fingierten Biographie zeigt. Jahrelang hatte er Field mit Informationen versorgt; als er dann dessen Manuskript zu Gesicht bekam, war er entsetzt. Was er immer wieder in seinen Romanen beschrieben hatte, war ihm nun selbst geschehen: Er war Opfer einer biographischen Entstellung geworden.

"Sieh doch die Harlekine!" ist die literarische Reaktion auf diese Ärgernisse; hier zündet Nabokov eine autobiographische Nebelbombe. Mit Vadim entwickelt er ein Double. Der Roman ist eine Lebensbeschreibung im Zerrspiegel; Authentisches wird mit Erfundenem gemischt, auf daß beides ununterscheidbar werde. Manches plumpe Vorurteil, das über ihn im Schwange war, fabuliert Nabokov dankbar aus. So hat Vadim - im Gegensatz zum Autor - eine unglückliche Kindheit, laut Vulgärpsychoanalyse eine unabdingbare Voraussetzung für Kreativität. Vadim ist ein Erotomane mit beträchtlichem Verschleiß an Ehefrauen, so wie man es sich bei einem berühmten Autor eben vorstellt. Und natürlich empfindet er etwas mehr als nur väterliche Zuneigung für seine attraktive Tochter, ein flaumzartes Nymphchen, wie es im Buch steht. Anders als Humbert hält er seine Gelüste jedoch unter Kontrolle. Kurzerhand heiratet der an ein Provinzcollege verschlagene Schriftsteller die Witwe eines Philosophen, schickt die dreizehnjährige Bel ins Internat und schreibt das skandalöse Meisterwerk "Ein Königreich am Meer" - das Pendant zu "Lolita".

In Minuten der Anfechtung wird Vadim von der Ahnung heimgesucht, er sei nur die schlechte Kopie eines anderen, begabteren Autors. Von einem Buchhändler ("verwirrter alter Tölpel") wird er einmal sogar mit einem gewissen Nabokov verwechselt. Auf jeder Seite finden sich Bezüge und Anspielungen auf dessen Leben und Werk, bis hin zu den verballhornten Titeln der Romane. Aus "Camera obscura" wird "Camera lucida", aus "Einladung zur Enthauptung" "Die rote Angströhre", aus "Pnin" "Dr. Olga Repnin". Wie Nabokov gelingt Vadim der Wechsel von der russischen zur englischen Sprache, was er in der ihm eigenen Bescheidenheit mitteilt: "In der Welt der athletischen Wettkämpfe hat es, glaube ich, nie einen Weltmeister in Rasentennis und Skifliegen gegeben; jedoch in zwei Literaturen, so ungleich wie Gras und Schnee, bin ich der Erste gewesen ..." Auch die "strong opinions" teilen sich Vadim und Vladimir, etwa die Verachtung des "Wiener Quacksalbers" Freud und die Geringschätzung Dostojewskijs, dessen "schwarzbärtige Mörder bloße Negative des konventionellen Christusbildes" seien. Und natürlich den Spott aufs Sowjetparadies, in dem aus romantischen Landschaften "Kiesgruben oder Massakerstätten" wurden.

Bei allem Vergnügen an solchen Passagen und an der Fülle funkelnder Details, mit denen der Beschreibungskünstler Nabokov aufwartet, sind Konzeptionsschwächen festzustellen. Dort, wo die Schreibart des Doubles rollengemäß prätentiös, hingehuscht und umständlich ist, wirkt sie oft auch so auf den Leser - der Witz der Stilimitation einer "schlechten" Autobiographie bleibt zumindest in der deutschen Übertragung (an der es sonst nichts zu bemäkeln gibt) schwerfällig. Im Gegensatz zu seinem Autor hat Vadim, heißt es, ein miserables Gedächtnis. Aber wieso bringt er dann wiederum (und zum Glück für den Leser) Seiten zu Papier, die der Rolls-Royce-Prosa Nabokovs sehr ähnlich sehen? Daß Vadims Lebensbeschreibung sich wie ein "Erinnerung, sei still!" ausnehme, also wie ein Anti-Nabokov, ist eine Auffassung Zimmers, die man nicht ganz nachvollziehen kann. Denn auch Vadim verfügt über den charakteristischen "Reichtum im Registrieren von Nebensächlichkeiten". Strapaziös lesen sich jene Abschnitte, in denen er ausgiebig seinen konstruiert wirkenden psychischen Defekt erörtert.

"Sieh doch die Harlekine!" ist ein Buch voller Vexierspiele und anagrammatischer Späße, eine selbstreferentielle Harlekinade, über die sich vor allem Nabokovianer freuen können. Für alle anderen gilt die Lektüreanweisung: "Immer sachte voran, Leser, dann wird's schon werden!"

Vladimir Nabokov: "Durchsichtige Dinge"; "Sieh doch die Harlekine!" Späte Romane. Gesammelte Werke, Band 12. Herausgegeben von Dieter E. Zimmer. Rowohlt Verlag, Reinbek 2002. 546 S., geb., 28,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Selbst als gestandener Nabokov-Süchtiger mag sich Andreas Isenschmid nicht recht über diesen neuen Band von Rowohlts schöner Nabokov-Ausgabe freuen. Zwar hat er in den beiden Romanen "Durchsichtige Dinge" und "Sieh doch die Harlekine" alles wiedergefunden, was ihn einst abhängig machte: die komischen und präzisen Beschreibungen, die psychologische Akuratesse, die "muskulöse, fürs Sanfte wie fürs Frostige, fürs Verspielte wir fürs ironisch Formelle gleich begabten Sprache". Doch vielleicht, überlegt Isenschmid, freut er sich so sehr an den "funkelnden Einzelheiten", weil die beiden Romane in ihrer Gesamtheit ein wenig freudlos sind. Der Held der "Durchsichtigen Dinge" kann weder als Liebender noch als Literat seinen Verwandten aus Nabokovs anderen Romanen das Wasser reichen, seufzt Isenschmid, und bei "Sieh doch die Harlekine" könne niemand darüber hinwegsehen, dass dies Nabokovs unvergnüglichster Roman sei. Umso erfreulicher ist für Isenschmid der "glänzende" Kommentar des Herausgebers Dieter E. Zimmer, dessen Übersetzung der "Durchsichtigen Dinge" er denn auch als makellos rühmt.

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