17,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
  • Broschiertes Buch

Mit den Büchern von Carsten Friedrichs, Christiane Rösinger und Bernd Begemann startet im Ventil Verlag eine Reihe, in der die Texte deutscher Musiker:innen erstmals in Buchform zugänglich gemacht werden. Texte von Musiker:innen, die die hiesige (Sub-)Kultur mit ihren Songtexten in der Retrospektive ebenso geprägt haben wie die ausschließlich schreibende Zunft. Eine längst überfällige Würdigung außergewöhnlicher Songwriter:innen, deren Texte nicht bloße Anhängsel großartiger Musik sind, sondern ebenso auch für sich stehen. Carsten Friedrichs, geboren 1971, macht seit den späten 80ern Musik,…mehr

Produktbeschreibung
Mit den Büchern von Carsten Friedrichs, Christiane Rösinger und Bernd Begemann startet im Ventil Verlag eine Reihe, in der die Texte deutscher Musiker:innen erstmals in Buchform zugänglich gemacht werden. Texte von Musiker:innen, die die hiesige (Sub-)Kultur mit ihren Songtexten in der Retrospektive ebenso geprägt haben wie die ausschließlich schreibende Zunft. Eine längst überfällige Würdigung außergewöhnlicher Songwriter:innen, deren Texte nicht bloße Anhängsel großartiger Musik sind, sondern ebenso auch für sich stehen. Carsten Friedrichs, geboren 1971, macht seit den späten 80ern Musik, zunächst bei Twee-Pop Bands wie Die Fünf Freunde, später gründete er die Beat/Punk-Band Superpunk. Seit 2012 veröffentlicht er mit Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen Alben und schrieb Songs mit und für Andreas Dorau. Er interessiert sich sehr für Popmusik und arbeitet beim Hamburger Label Tapete Records.
Autorenporträt
Carsten Friedrichs, geboren 1971, macht seit den späten 80ern Musik, zunächst bei Twee-Pop Bands wie Die Fünf Freunde, später gründete er die Beat/Punk-Band Superpunk. Seit 2012 veröffentlicht er mit Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen Alben und schrieb Songs mit und für Andreas Dorau. Er interessiert sich sehr für Popmusik und arbeitet beim Hamburger Label Tapete Records.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2022

Rund um die Uhr gegen die Arbeitsagentur
Carsten Friedrichs legt eine amüsante Sammlung von Liedtexten vor: "Später kommen, früher gehen"

Seien wir ehrlich: Songtexte zu lesen und dabei nicht auch die dazu komponierte Musik zu hören hat etwas ziemlich Unbefriedigendes. Ein bisschen ist es so, als müssten die Lieder wacklig auf einem Bein stehen. An Tanzen ist nicht zu denken. Es fehlt was, meist sogar sehr viel. Songtexte zwischen zwei Buchdeckel drucken, das darf guten Gewissens ohnehin nur der Literaturnobelpreisträger Bob Dylan. Und selbst dessen Lyrics erklimmen nicht immer olympische Dichterhöhen.

Womit wir also bei Carsten Friedrichs wären: Der ist so etwas wie der deutsche Vorzeige-Mod, eine sehr bescheidene Mischung aus dem frühen Ray Davies und dem jungen Paul Weller. Seit dreißig Jahren versucht er, mit Bands wie Superpunk und Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen die Lässigkeit des Englischen ins deutsche Idiom und das Northern-Soul-Feeling leicht scheppernd in die Gegenwart zu übertragen. Was für die Mods das Seebad Brighton war, ist für Friedrichs der Hamburger Hafen. Als etwas zu spät geborener Mod hat er es freilich nie zu großen Popstar-Ehren gebracht, was neben dem falschen Timing auch andere Gründe hat - nicht zuletzt einen gewissen Mangel an Aura und stimmlichen Fähigkeiten. Er selbst charakterisiert sich in einem Song als "Amateur", als "Liebhaber" also, und macht sich einen Reim auf die Vermutung, "dass mir das Talent fehlt / Ein Umstand, der mich nicht sehr quält". Aber um das deutsche Liedgut hat sich Carsten Friedrichs trotzdem verdient gemacht, auch dank seiner angemessen zur rumpeligen Grooviness seiner Stücke passenden Lyrics. Wenn die Kinks den Dandy besingen, bedichtet Friedrichs den "letzten großen Bohemien": "Er steht spät auf / Und er kommt spät nach Haus / Und rund um die Uhr / Trotzt er der Arbeitsagentur". Uhr und Arbeitsagentur so hübsch zu verknüpfen, das hätte sonst vielleicht nur Robert Gernhardt hingekriegt.

Ein paar Dutzend seiner Liedtexte erscheinen nun als Buch - der Beginn einer neuen Reihe des Ventil Verlags, die Songschreiber deutscher Zunge wie Christiane Rösinger oder Bernd Begemann endlich auch als Poeten angemessen würdigen will. "Später kommen, früher gehen" dürfte Friedrichs der Unsterblichkeit kaum sonderlich näherbringen, entwickelt aber durchaus subtilen Charme. Das liegt allerdings weniger an den mitunter arg kalauernden, auf englische Lieblingssongs referierenden Liedtexten. Sondern mehr an den kurzen Kommentaren und längeren Geschichten, die Friedrichs seinen Lyrics beigefügt hat. Wie in Paul McCartneys kürzlich erschienenen Lebenserinnerungen, die er anhand von 154 seiner Songs erzählt hat, gewährt uns Friedrichs Einblick in seine Liedermacher-Werkstatt. So erfahren wir beispielsweise, dass die metaphorisch gewagte Zeile "Die Zeit ist eine Säure, die die Liebe zerfrisst" einem Chanson von Serge Gainsbourg entliehen ist. Oft sind es Songtitel verehrter Musikerinnen und Musiker, die bei Friedrichs zur Initialzündung für eigene Elaborate werden. Die Liner Notes rücken die Stücke in ihren musikalischen Kontext, aber auch in einen sozialen: Immer wieder tauchen Namen verbandelter Bands und Sänger wie Andreas Dorau, Carsten Erobique Meyer oder Timo Blunck auf, und so entstehen unter der Hand der Lebenslauf eines Indie-Haudegens und die Geschichte einer langsam historisch werdenden Subkultur-Szene. Die längeren erzählerischen Passagen und Anmerkungen sind die eigentlichen Highlights des Buches: Sie nehmen kuriose Wendungen, lassen sich assoziativ treiben und sind nicht ohne Komik. Manchmal auch von schnoddriger Meinungsfreudigkeit: "Diese Glorifizierung der Arbeit hierzulande ist doch Verarschung, da muss jede Band, die was auf sich hält, mindestens einmal in ihrer Karriere einen Song darüber machen. Beziehungsweise dagegen machen. Aber hier setzen sich Musiker ja gerne mal hin und erzählen, wie hart sie an ihrer Musik 'arbeiten', und sind da auch noch stolz drauf. Kann ja sein, dass die sich da einen abbrechen, wenn sie 'ne Platte machen. Will ich nicht hören, so was, wo ist denn da der Witz? Die nehmen ja auch den jungen Leuten alle Illusionen. Ich erwarte von Musikern, dass die lange ausschlafen, dann auf der Gitarre klimpern, und dabei kommt dann der Hit raus. Und dann verprassen sie die Kohle für allerlei unvernünftiges Zeug."

Dass Carsten Friedrichs bei seinem Tun Glück empfindet, gerne auf der Gitarre klimpert und einen Hit nach dem anderen produziert (was bisher wenige Leute gemerkt haben), ist für ihn gewiss erfreulich. Noch dazu aber hat er einen sozialphilosophischen Auftrag: der Hannes-Wader-haftigkeit politischer Liedkunst eine angemessene und zeitgenössische Form des Protest- und Arbeitersongs entgegenzusetzen - etwa das "Feiertagsdilemma", das im altertümlichen Wilhelm-Busch-Sound daherkommt: "Fast überall auf dieser Welt / Wenn der freie Tag auf Sonntag fällt / Er auf Montag wird verschoben / Diese Praxis ist zu loben / Denn das Gleichgewicht wird hergestellt // Nur in Deutschland hat man Pech / Das ist für die Psyche schlecht / Ist am Sonntag 1. Mai / Hat man montags hier nicht frei / Das ist auch sehr ungerecht // Doch die SPD sagt Nee, und die CDU sagt Nee, und die GAL sagt Nee / Deshalb hier mein Plädoyer: / Ist am Sonntag 1. Mai, woll'n wir Samstag, Sonntag, Montag frei!" Ein solch schmetterndes Hoch auf die internationale Solidarität ist begrüßenswert - und Friedrichs am Ende bei aller putzigen Reimerei sehr anzurechnen. ULRICH RÜDENAUER

Carsten Friedrichs: "Später kommen, früher gehen". Ausgewählte Songtexte.

Ventil Verlag.

Mainz 2022. 214 S.,

geb., 17,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Ulrich Rüdenauer vergnügt sich bei seiner Lektüre von Carsten Friedrichs Liedtextsammlung, was nicht nur am Klamauk der Liedtexte liegt. Vielmehr lobt der Rezensent insbesondere die Kommentare und Geschichten, die die Lieder ergänzen und allerlei Hintergrund und Anekdoten liefern zur Arbeitsweise und sozialen wie politischen Verortung des Künstlers.

© Perlentaucher Medien GmbH