Editorial »Spanien verstehen« Am 26. Juni 2016 wurde in Spanien zum zweiten Mal innerhalb von sechs Monaten gewählt. Zum Zeitpunkt der Herausgabe dieses Magazins ist eine zügige Regierungsbildung nicht in Sicht. Fest steht: Der traditionelle Zweiparteienblock aus konservativer Volkspartei und Sozialisten funktioniert nicht mehr. Die linksalternative Protestpartei Podemos möchte das Land verändern: Transparenz statt Filz, Kontrolle statt Korruption, soziale Gerechtigkeit statt Sparpolitik hat sie sich auf die Fahnen geschrieben. Auch sonst bewegt sich einiges in Spanien: Das Königshaus zeigt sich bürgernah und transparent. Das Selbstbewusstsein aufstrebender junger Frauen hat enorm zugenommen. Fragen der Immigration beantworten spanische Politiker vergleichsweise tolerant. Derweil boomt der Tourismus im beliebtesten Auslandsreiseziel der Deutschen. Spanien zählt zu den Profiteuren politischer Unruhen und Verunsicherungen im südlichen und östlichen Mittelmeerraum. Auch abseits des Badetourismus hat das Land viel zu bieten: Stormwatching an der kantabrischen Küste etwa, Wandern im Nationalpark Picos de Europa oder im mallorquinischen Hinterland. Für 2016 erwartet Spanien erneut einen Besucherrekord. Große Herausforderungen bleiben: Die Katalanen streben noch immer nach staatlicher Unabhängigkeit. Die fünftgrößte Volkswirtschaft der EU hat sich seit der Krise 2008 nicht gänzlich erholt. »Wir brauchen einen Wandel, ein Umdenken in der Politik, wodurch jungen Menschen wieder Perspektiven eröffnet werden«, fordert die junge Generation. Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit über 45 Prozent erschreckend hoch. Ausdruck der Frustration von Jugendlichen und Studenten sind Protestaktionen, deren Ziel ein sozial gerechteres Spanien ist. Dietlind von Laßberg