Dieser Band der Reihe "Kreatives Schreiben" ist ein Gang durch die Katakomben des Grauens und die Büros der Privatdetektive: Inspiration von Edgar Allan Poe bis Jussi Adler-Olsen. Es gilt, die Elemente von Detektivroman, Thriller und Schauergeschichte zu erkennen und in die eigenen Texte einzubringen. Gestalten Sie spannende Geschichten mit Mördern, Opfern und Ermittlern.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2012Eine nutzlose Anleitung zum Krimischreiben
Man stelle sich ein Kochbuch über Gewürze vor, in dem steht: Wenn es würzig schmecken soll, müssen Sie würzen. Pfeffern Sie erst vorsichtig, dann akzentuiert. Oder fruchtig. Eben so, dass es schmeckt. Probieren Sie etwas, das Eckart Witzigmann gewürzt hat, und orientieren Sie sich daran. Salz gehört dazu.
Vor uns liegt ein ähnlich nützlicher Ratgeber. Er will Leute, die offenbar noch nie einen Krimi in der Hand gehabt haben, lehren, literarisch Spannung zu erzeugen (Christian Schärf: "Spannend schreiben. Krimi-, Mord- und Schauergeschichten". Reihe "Kreatives Schreiben". Dudenverlag: Mannheim, 157 S., br., 15,40 [Euro].). Dass an solche Leute gedacht ist, geht aus braven Nacherzählungen der allerbekanntesten Exemplare des Genres hervor, von "Dracula" und den Geschichten Edgar Allan Poes bis zu Sherlock Holmes. Ihnen folgen Schreibaufgaben zu Einzelgewürzen wie "unheimliche Räume", "der Täter" oder "das geschlossene Labyrinth". Sie lauten so: "Schreiben Sie zunächst einen inneren Monolog, in dem das Ich einen Mord plant. Hierin sollte eine gewisse innere Logik liegen, die aber nicht zu stringent wirken darf." Oder: "Stellen Sie sich vor, Sie seien als leitender Ingenieur bei der Inquisition beschäftigt und hätten ein paar neue Tötungsapparate zu entwerfen." Oder: "Gehen Sie von ihrer eigenen sozialen Wirklichkeit aus und situieren Sie in dem sich daraus ergebenden Milieu einen fiktiven Mord."
Das wirkt als Deutsch nicht zu stringent - "wir gehen damit auf ein Phänomen zu, das allgegenwärtig ist" -, und ist auch sonst echt für die Tonne. Der Autor, der als leitender Germanist in Hildesheimer Schreibkursen beschäftigt ist, hält die Leser nur dazu an, Schablonen auszumalen. Das ist, als erhoffte man sich vom Nachzeichnen der van Goghschen Sonnenblumen auf Pauspapier den Ursprung interessanter Bilder.
Die Literaturkennerschaft, die dem angeblich zugrunde liegt, ist keinen Cent wert. Von Mankell heißt es, das sei die "komplexeste Spielart der Kriminalliteratur". Mr. Ripley firmiert als erster moderner "Thrillerroman". Das Grauen, wird behauptet, korreliere in der Literatur mit Wetterumschwüngen (genau, darum heißt es ja Schauerroman). Es müsse überdies "immer im Alltäglichen wurzeln" (klar, wer kennt nicht jemanden wie Hannibal Lecter?). "Untergebene" Personen seien als Täter ungeeignet, denn sie mordeten meist nur aus zu trivialen, niederen Beweggründen (sowieso, die perversen Faschisten bei Larsson haben natürlich höhere). Poe wird gerügt, ein Affe als Täter lasse das Interesse an den Motiven unbefriedigt (das war gerade die Pointe, Germanist!). Kurz darauf wird S. S. van Dines Behauptung unterstrichen, im Detektivroman seien subtile Charakteranalysen und das Bemühen um Atmosphäre entbehrlich (und worum hat sich Simenon bemüht, mein Herr?).
Hier versucht also jemand den Rat zu verkaufen, spannend zu schreiben bedeute, spannende Bücher abzuschreiben. Damit tritt urplötzlich der grauenhafteste aller Schrecken hervor, die im Alltäglichen wurzeln: komplette Ahnungslosigkeit. Der Spannungstötungsapparat schlechthin.
JÜRGEN KAUBE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Man stelle sich ein Kochbuch über Gewürze vor, in dem steht: Wenn es würzig schmecken soll, müssen Sie würzen. Pfeffern Sie erst vorsichtig, dann akzentuiert. Oder fruchtig. Eben so, dass es schmeckt. Probieren Sie etwas, das Eckart Witzigmann gewürzt hat, und orientieren Sie sich daran. Salz gehört dazu.
Vor uns liegt ein ähnlich nützlicher Ratgeber. Er will Leute, die offenbar noch nie einen Krimi in der Hand gehabt haben, lehren, literarisch Spannung zu erzeugen (Christian Schärf: "Spannend schreiben. Krimi-, Mord- und Schauergeschichten". Reihe "Kreatives Schreiben". Dudenverlag: Mannheim, 157 S., br., 15,40 [Euro].). Dass an solche Leute gedacht ist, geht aus braven Nacherzählungen der allerbekanntesten Exemplare des Genres hervor, von "Dracula" und den Geschichten Edgar Allan Poes bis zu Sherlock Holmes. Ihnen folgen Schreibaufgaben zu Einzelgewürzen wie "unheimliche Räume", "der Täter" oder "das geschlossene Labyrinth". Sie lauten so: "Schreiben Sie zunächst einen inneren Monolog, in dem das Ich einen Mord plant. Hierin sollte eine gewisse innere Logik liegen, die aber nicht zu stringent wirken darf." Oder: "Stellen Sie sich vor, Sie seien als leitender Ingenieur bei der Inquisition beschäftigt und hätten ein paar neue Tötungsapparate zu entwerfen." Oder: "Gehen Sie von ihrer eigenen sozialen Wirklichkeit aus und situieren Sie in dem sich daraus ergebenden Milieu einen fiktiven Mord."
Das wirkt als Deutsch nicht zu stringent - "wir gehen damit auf ein Phänomen zu, das allgegenwärtig ist" -, und ist auch sonst echt für die Tonne. Der Autor, der als leitender Germanist in Hildesheimer Schreibkursen beschäftigt ist, hält die Leser nur dazu an, Schablonen auszumalen. Das ist, als erhoffte man sich vom Nachzeichnen der van Goghschen Sonnenblumen auf Pauspapier den Ursprung interessanter Bilder.
Die Literaturkennerschaft, die dem angeblich zugrunde liegt, ist keinen Cent wert. Von Mankell heißt es, das sei die "komplexeste Spielart der Kriminalliteratur". Mr. Ripley firmiert als erster moderner "Thrillerroman". Das Grauen, wird behauptet, korreliere in der Literatur mit Wetterumschwüngen (genau, darum heißt es ja Schauerroman). Es müsse überdies "immer im Alltäglichen wurzeln" (klar, wer kennt nicht jemanden wie Hannibal Lecter?). "Untergebene" Personen seien als Täter ungeeignet, denn sie mordeten meist nur aus zu trivialen, niederen Beweggründen (sowieso, die perversen Faschisten bei Larsson haben natürlich höhere). Poe wird gerügt, ein Affe als Täter lasse das Interesse an den Motiven unbefriedigt (das war gerade die Pointe, Germanist!). Kurz darauf wird S. S. van Dines Behauptung unterstrichen, im Detektivroman seien subtile Charakteranalysen und das Bemühen um Atmosphäre entbehrlich (und worum hat sich Simenon bemüht, mein Herr?).
Hier versucht also jemand den Rat zu verkaufen, spannend zu schreiben bedeute, spannende Bücher abzuschreiben. Damit tritt urplötzlich der grauenhafteste aller Schrecken hervor, die im Alltäglichen wurzeln: komplette Ahnungslosigkeit. Der Spannungstötungsapparat schlechthin.
JÜRGEN KAUBE
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