In Kiel erinnert heute nicht mehr viel an die Zeit zwischen 1815 und 1848, doch für die Stadt waren es sehr bedeutsame und bewegte Jahre. Diese Epoche lag zwischen den Ereignissen von 1814, als im Kieler Frieden Nordeuropa völlig neu geordnet wurde, und denen des Jahres 1848, als im Kieler Rathaus die Schleswig-Holsteinische Erhebung und eine von Dänemark unabhängige Provisorische Regierung proklamiert wurde und damit der Prozess der Loslösung vom dänischen Königreich begann.Dieses Buch rekonstruiert eine historische Stadtführung aus der Sicht Theodor Storms, der von 1837 bis 1843 in Kiel studierte, während dieser Zeit die Brüder Theodor und Tycho Mommsen kennenlernte und mit ihnen gemeinsam das "Liederbuch dreier Freunde" (1843) herausgab. Gemeinsam sammelten sie Material für das Buchprojekt "Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg" (1845).Zwischen den Kapiteln aus der Theodor-Storm-Perspektive, welche zum überwiegenden Teil auf biografisch gesicherten Fakten beruhen, werden in 55 lexikonartigen Abschnitten verschiedene Aspekte der Kieler Geschichte und Kultur von 1815 bis 1848 ausführlich dargestellt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.01.2019Kuchenesser der alten Zeit
Einen "historischen Stadtführer auf den Spuren Theodor Storms" bietet der Boyens Verlag an, aber Peter Wenners Buch "Spaziergänge durch Alt-Kiel" ist damit nur unzureichend beschrieben. Ausgangspunkt für den Band, der historisches Global- ebenso wie Detailwissen in großer Fülle transportiert, ist zwar in der Tat Theodor Storms (unterbrochene) Studienzeit in Kiel, die Jahre also zwischen 1838 und 1843, deren Begebenheiten hier auch mit Blick auf das damals entstehende und das spätere Werk Storms dargeboten werden - am folgenreichsten sicherlich die Liebe zu Bertha von Buchan, der viele von Storms frühen Gedichten gelten. Zugleich aber enthält der Band einiges zu den Verhältnissen in Kiel und in den dänisch regierten Herzogtümern. Wenners berichtet von Kaufleuten und Handwerkern, vom Theater, der Universität und den Spannungen mit Kopenhagen, die sich wenige Jahre nach Storms Studienzeit im Aufstand der Herzogtümer entladen sollten - und veranschaulicht das mit einer Fülle klug ausgewählter Abbildungen, die umso nötiger sind, als man nur sehr wenig aus jener Zeit im Stadtbild Kiels noch finden wird. Nachlässigkeiten im Kleinen - mal trägt Storm vierzig Gedichte zum "Liederbuch dreier Freunde" bei, mal einundvierzig; das Bild neben einem Kasten zum Studenten Storm zeigt ihn als Greis und dergleichen mehr - stören den Eindruck des gesamten Werks nicht, auch nicht, dass man sich manchmal wünschte, der Autor wäre etwas weniger um einen lebendigen Ton und spekulative Einfühlung in Storms Psyche bemüht ("Das, was man den Ernst des Lebens nannte, begann. Das konnte ja heiter werden"). Schließlich hält man insgesamt einen schätzbaren Band in Händen, dessen Material man sich sonst mühsam zusammensuchen müsste.
spre
"Spaziergänge durch Alt-Kiel" von Peter Wenners. Boyens Verlag, Heide 2018. 240 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Broschiert, 19,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Einen "historischen Stadtführer auf den Spuren Theodor Storms" bietet der Boyens Verlag an, aber Peter Wenners Buch "Spaziergänge durch Alt-Kiel" ist damit nur unzureichend beschrieben. Ausgangspunkt für den Band, der historisches Global- ebenso wie Detailwissen in großer Fülle transportiert, ist zwar in der Tat Theodor Storms (unterbrochene) Studienzeit in Kiel, die Jahre also zwischen 1838 und 1843, deren Begebenheiten hier auch mit Blick auf das damals entstehende und das spätere Werk Storms dargeboten werden - am folgenreichsten sicherlich die Liebe zu Bertha von Buchan, der viele von Storms frühen Gedichten gelten. Zugleich aber enthält der Band einiges zu den Verhältnissen in Kiel und in den dänisch regierten Herzogtümern. Wenners berichtet von Kaufleuten und Handwerkern, vom Theater, der Universität und den Spannungen mit Kopenhagen, die sich wenige Jahre nach Storms Studienzeit im Aufstand der Herzogtümer entladen sollten - und veranschaulicht das mit einer Fülle klug ausgewählter Abbildungen, die umso nötiger sind, als man nur sehr wenig aus jener Zeit im Stadtbild Kiels noch finden wird. Nachlässigkeiten im Kleinen - mal trägt Storm vierzig Gedichte zum "Liederbuch dreier Freunde" bei, mal einundvierzig; das Bild neben einem Kasten zum Studenten Storm zeigt ihn als Greis und dergleichen mehr - stören den Eindruck des gesamten Werks nicht, auch nicht, dass man sich manchmal wünschte, der Autor wäre etwas weniger um einen lebendigen Ton und spekulative Einfühlung in Storms Psyche bemüht ("Das, was man den Ernst des Lebens nannte, begann. Das konnte ja heiter werden"). Schließlich hält man insgesamt einen schätzbaren Band in Händen, dessen Material man sich sonst mühsam zusammensuchen müsste.
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"Spaziergänge durch Alt-Kiel" von Peter Wenners. Boyens Verlag, Heide 2018. 240 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Broschiert, 19,95 Euro.
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