Eine Ode an die Stadt Dublin.
Ein sehr persönlicher Dublin-Stadtführer und zugleich eine autobiographische Reise des großen irischen Schriftstellers und Man Booker Prize-Trägers John Banville an ganz besondere Orte in der Sehnsuchtsstadt seiner Kindheit. Geboren und aufgewachsen in Wexford durfte John Banville als Kind an seinem Geburtstag die exzentrische Lieblingstante in Dublin besuchen - das für ihn so zu einem Ort der Verheißungen wurde. Nachdem er als Erwachsener dorthin gezogen war, sah Banville Dublin zwar mit realistischeren Augen, und doch blieb die Faszination, die die Stadt schon auf den Siebenjährigen ausgeübt hatte.
In diesem Buch führt Banville den Leser zu bekannten und weniger bekannten Plätzen. Dabei verwebt er die Erinnerungen, die sich an bestimmte Straßen und Gebäude knüpfen, mit einer großen Kenntnis des Orts und seiner Geschichte. Das Ergebnis ist eine wunderbar eigenwillige Tour durch Dublin; eine zärtliche und imposante Ode an die Stadt und eine Fundgrube für alle Dublin-Reisenden. Ein Buch, genauso vielschichtig, reich, geistreich und überraschend wie die Romane des großen irischen Romanciers und Krimiautors.
Ein sehr persönlicher Dublin-Stadtführer und zugleich eine autobiographische Reise des großen irischen Schriftstellers und Man Booker Prize-Trägers John Banville an ganz besondere Orte in der Sehnsuchtsstadt seiner Kindheit. Geboren und aufgewachsen in Wexford durfte John Banville als Kind an seinem Geburtstag die exzentrische Lieblingstante in Dublin besuchen - das für ihn so zu einem Ort der Verheißungen wurde. Nachdem er als Erwachsener dorthin gezogen war, sah Banville Dublin zwar mit realistischeren Augen, und doch blieb die Faszination, die die Stadt schon auf den Siebenjährigen ausgeübt hatte.
In diesem Buch führt Banville den Leser zu bekannten und weniger bekannten Plätzen. Dabei verwebt er die Erinnerungen, die sich an bestimmte Straßen und Gebäude knüpfen, mit einer großen Kenntnis des Orts und seiner Geschichte. Das Ergebnis ist eine wunderbar eigenwillige Tour durch Dublin; eine zärtliche und imposante Ode an die Stadt und eine Fundgrube für alle Dublin-Reisenden. Ein Buch, genauso vielschichtig, reich, geistreich und überraschend wie die Romane des großen irischen Romanciers und Krimiautors.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.06.2019Leuchtende
Erinnerung
Mit John Banville
unterwegs in Dublin
Lange Zeit habe er Dublin für sein Schreiben ignoriert, notiert John Banville an einer Stelle. Joyce habe ihm einfach nichts übrig gelassen. Wie ein literarischer Vampir habe der Autor des „Ulysses“ die Stadt für seine ästhetischen Zwecke ausgesaugt und unbrauchbar gemacht, „genauso wie Kafka den Buchstaben K“. Erst für seine Kriminalromane, so Banville, sei die Stadt wieder interessant geworden. Aber nur als Kulisse, die Orte der eigenen Kindheit hätten noch ein wenig ruhen müssen.
Vielleicht liegt es an der Bekanntschaft mit dem Fotografen Paul Joyce, dem Urgroßneffen von James, dass John Banville nun ein ganzes Buch über Dublin geschrieben hat. Die eher nüchternen Schwarz-Weiß-Bilder, die Dubliner Straßen genauso in ästhetische Figurationen verwandeln wie Türen, Dachkonstruktionen oder den Rücken des Autors, dürften eine gute Anregung gewesen sein für Banvilles Wanderungen durch die Stadt. Lose zwischen die Seiten gestreut bilden sie ein ideales Gegenstück zu jenem Kindheitszauber, den Banville immer wieder beschwört.
Wie wird die Gegenwart zur Vergangenheit? Welche Verwandlung müssen die profanen Alltagserlebnisse durchlaufen, damit sie zu prächtig leuchtenden Erinnerungsbildern werden? So fragt Banville gleich am Anfang seines Buches und stellt überrascht fest, dass diese Metamorphose genau umgekehrt zu der Bewegung verläuft, die das Erwachsenwerden ausmacht. Was für Kinder neu und geheimnisvoll ist, wird nach und nach selbstverständlich: „Wir hören auf, uns von Dingen in Erstaunen versetzen zu lassen (...), einzig und allein, weil wir uns an sie gewöhnt haben.“ Doch mit Baudelaire im Rücken ist er überzeugt, dass die Kindheit nie aufhört, sondern einen wichtigen Impulsgeber für das eigene Schreiben bildet. Man müsse die intensiven Momente nur aus der „puckernden Vergangenheit“ heraufrufen.
Und so entfaltet Banville, was die „Alchimie der Zeit“ in seiner Erinnerung hinterlassen hat. Szenen aus dem Dublin seiner Kindheit gehören dazu, Geburtstagsfahrten aus dem kleinen Wexford, wo er aufwuchs, in die Hauptstadt, die Gerüche der Eisenbahn und glitzernde Schaufenster, prasselnder Regen und die Mahlzeiten bei seiner Tante, die vorwiegend aus Wurst, Speckscheiben und Schokosahnetorte bestanden. Anfang der 60er-Jahre, gerade 18 geworden, verließ er das Elternhaus und zog nach Dublin, just in die Wohnung jener Tante, der er seine schönsten Kindheitserinnerungen verdankt. Literatur war überall. Banville schrieb Short Storys und vertiefte sich in die Bücher von Joyce. Unter ihm wohnte die Tochter von Yeats.
„Time Pieces. A Dublin Memoir“ heißt das Buch im Englischen. In der Übersetzung sind daraus „Spaziergänge durch Dublin“ geworden, was insofern passend ist, als Banville seine Rückblicke in Kindheit und Jugend bald schon mit Ausflügen in die Gegenwart verbindet. Ein gemächlich schreitender Flaneur allerdings ist er nicht. Vielmehr kreuzt er gemeinsam mit seinem Freund Cicero durch die Stadt, am liebsten in Ciceros kleinem zweisitzigen Oldtimer. Natürlich entpuppt sich der Freund zuverlässig als Cicerone, der Banville hier auf historische Spuren hinweist, dort architektonische Details erläutert. Und sich doch immer ein Geheimnis vorbehält: „Eine Bedingung bei diesen Ausflügen in Dublins Vergangenheit ist, dass mir Cicero nie vorher sagt, wo wir hingehen.“
Umso schöner für den Autor. Denn so kehrt etwas von der Vorfreude und Neugier wieder, die er als kleiner Junge empfunden hat. Bei aller Begeisterung weiß er allerdings auch, dass die Imagination nicht selten über ihr Ziel hinausschießt, die puckernden Erinnerungen etwas von Trugbildern haben können, die vieles ausblenden. Die gesellschaftliche Realität im Irland der 50er- und 60er-Jahre sah keineswegs rosig aus. In den besten Kapiteln schildert er die Bruchstellen dieser Zeit, von der rigiden Überwachung durch Kirche und Staat bis zu den Spuren der IRA.
Ab und an gerät Banville sein vergangenheitsgetränkter Blick ein wenig zu nostalgisch, dann drohen seine Erinnerungen abzurutschen in einen Abgesang auf die gute alte Zeit. Auch hat er einige Marotten aus seinen Romanen und Erzählungen in die „Quasimemoiren“ übernommen, etwa die Eigenheit, hinter jedem zweiten Satz eine mythologische Anspielung aufblitzen zu lassen, oder die Selbstinszenierung des Sprechers als „altes Scheusal“, „Mimose“ oder „eingebildeter Schnösel“. Dass diese Momente zur ironischen Grundausrichtung des Buches gehören – geschenkt. Aber wie bemerkt Banville an einer Stelle selbst: Die Kunst liegt in der Dosierung.
Christa Schuenke hat diese Maxime in ihren Übersetzungen beherzigt. So rhythmisch ihre deutschen Sätze sind, hat sie doch immer wieder kleine Stauungen und Schlenker eingebaut. Und passende Entsprechungen für Banvilles Bilder gefunden. Ein ungenießbarer Tee glänzt hier in der „Farbe von Baumstämmen, die ein paar hundert Jahre in sumpfigem Wasser gelegen haben“. Auch solche Bilder sind es, aus denen die Vergangenheit sich zusammensetzt.
NICO BLEUTGE
John Banville: Spaziergänge durch Dublin. Aus dem Englischen von Christa Schuenke. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019. 272 Seiten, 22 Euro.
Ab und an gerät Banvilles
vergangenheitsgetränkter Blick
etwas zu nostalgisch
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Erinnerung
Mit John Banville
unterwegs in Dublin
Lange Zeit habe er Dublin für sein Schreiben ignoriert, notiert John Banville an einer Stelle. Joyce habe ihm einfach nichts übrig gelassen. Wie ein literarischer Vampir habe der Autor des „Ulysses“ die Stadt für seine ästhetischen Zwecke ausgesaugt und unbrauchbar gemacht, „genauso wie Kafka den Buchstaben K“. Erst für seine Kriminalromane, so Banville, sei die Stadt wieder interessant geworden. Aber nur als Kulisse, die Orte der eigenen Kindheit hätten noch ein wenig ruhen müssen.
Vielleicht liegt es an der Bekanntschaft mit dem Fotografen Paul Joyce, dem Urgroßneffen von James, dass John Banville nun ein ganzes Buch über Dublin geschrieben hat. Die eher nüchternen Schwarz-Weiß-Bilder, die Dubliner Straßen genauso in ästhetische Figurationen verwandeln wie Türen, Dachkonstruktionen oder den Rücken des Autors, dürften eine gute Anregung gewesen sein für Banvilles Wanderungen durch die Stadt. Lose zwischen die Seiten gestreut bilden sie ein ideales Gegenstück zu jenem Kindheitszauber, den Banville immer wieder beschwört.
Wie wird die Gegenwart zur Vergangenheit? Welche Verwandlung müssen die profanen Alltagserlebnisse durchlaufen, damit sie zu prächtig leuchtenden Erinnerungsbildern werden? So fragt Banville gleich am Anfang seines Buches und stellt überrascht fest, dass diese Metamorphose genau umgekehrt zu der Bewegung verläuft, die das Erwachsenwerden ausmacht. Was für Kinder neu und geheimnisvoll ist, wird nach und nach selbstverständlich: „Wir hören auf, uns von Dingen in Erstaunen versetzen zu lassen (...), einzig und allein, weil wir uns an sie gewöhnt haben.“ Doch mit Baudelaire im Rücken ist er überzeugt, dass die Kindheit nie aufhört, sondern einen wichtigen Impulsgeber für das eigene Schreiben bildet. Man müsse die intensiven Momente nur aus der „puckernden Vergangenheit“ heraufrufen.
Und so entfaltet Banville, was die „Alchimie der Zeit“ in seiner Erinnerung hinterlassen hat. Szenen aus dem Dublin seiner Kindheit gehören dazu, Geburtstagsfahrten aus dem kleinen Wexford, wo er aufwuchs, in die Hauptstadt, die Gerüche der Eisenbahn und glitzernde Schaufenster, prasselnder Regen und die Mahlzeiten bei seiner Tante, die vorwiegend aus Wurst, Speckscheiben und Schokosahnetorte bestanden. Anfang der 60er-Jahre, gerade 18 geworden, verließ er das Elternhaus und zog nach Dublin, just in die Wohnung jener Tante, der er seine schönsten Kindheitserinnerungen verdankt. Literatur war überall. Banville schrieb Short Storys und vertiefte sich in die Bücher von Joyce. Unter ihm wohnte die Tochter von Yeats.
„Time Pieces. A Dublin Memoir“ heißt das Buch im Englischen. In der Übersetzung sind daraus „Spaziergänge durch Dublin“ geworden, was insofern passend ist, als Banville seine Rückblicke in Kindheit und Jugend bald schon mit Ausflügen in die Gegenwart verbindet. Ein gemächlich schreitender Flaneur allerdings ist er nicht. Vielmehr kreuzt er gemeinsam mit seinem Freund Cicero durch die Stadt, am liebsten in Ciceros kleinem zweisitzigen Oldtimer. Natürlich entpuppt sich der Freund zuverlässig als Cicerone, der Banville hier auf historische Spuren hinweist, dort architektonische Details erläutert. Und sich doch immer ein Geheimnis vorbehält: „Eine Bedingung bei diesen Ausflügen in Dublins Vergangenheit ist, dass mir Cicero nie vorher sagt, wo wir hingehen.“
Umso schöner für den Autor. Denn so kehrt etwas von der Vorfreude und Neugier wieder, die er als kleiner Junge empfunden hat. Bei aller Begeisterung weiß er allerdings auch, dass die Imagination nicht selten über ihr Ziel hinausschießt, die puckernden Erinnerungen etwas von Trugbildern haben können, die vieles ausblenden. Die gesellschaftliche Realität im Irland der 50er- und 60er-Jahre sah keineswegs rosig aus. In den besten Kapiteln schildert er die Bruchstellen dieser Zeit, von der rigiden Überwachung durch Kirche und Staat bis zu den Spuren der IRA.
Ab und an gerät Banville sein vergangenheitsgetränkter Blick ein wenig zu nostalgisch, dann drohen seine Erinnerungen abzurutschen in einen Abgesang auf die gute alte Zeit. Auch hat er einige Marotten aus seinen Romanen und Erzählungen in die „Quasimemoiren“ übernommen, etwa die Eigenheit, hinter jedem zweiten Satz eine mythologische Anspielung aufblitzen zu lassen, oder die Selbstinszenierung des Sprechers als „altes Scheusal“, „Mimose“ oder „eingebildeter Schnösel“. Dass diese Momente zur ironischen Grundausrichtung des Buches gehören – geschenkt. Aber wie bemerkt Banville an einer Stelle selbst: Die Kunst liegt in der Dosierung.
Christa Schuenke hat diese Maxime in ihren Übersetzungen beherzigt. So rhythmisch ihre deutschen Sätze sind, hat sie doch immer wieder kleine Stauungen und Schlenker eingebaut. Und passende Entsprechungen für Banvilles Bilder gefunden. Ein ungenießbarer Tee glänzt hier in der „Farbe von Baumstämmen, die ein paar hundert Jahre in sumpfigem Wasser gelegen haben“. Auch solche Bilder sind es, aus denen die Vergangenheit sich zusammensetzt.
NICO BLEUTGE
John Banville: Spaziergänge durch Dublin. Aus dem Englischen von Christa Schuenke. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019. 272 Seiten, 22 Euro.
Ab und an gerät Banvilles
vergangenheitsgetränkter Blick
etwas zu nostalgisch
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Thomas David zufolge hat John Banville lange geglaubt, Joyce habe Dublin literarisch verbraucht, aber als Siebzigjähriger will er sein Zuhause wieder für sein eigenes Schreiben reklamieren. Das Resultat besteht laut David einerseits aus Beschreibungen von Ausflügen, die der Autor mit einem Freund zu den historischen Stätten Dublins unternimmt, und andererseits aus autobiografischen Anekdoten zu der Stadt, die dem Kritiker deutlich besser gefallen haben. Die philosophischen Gedanken zu Zeit und Vergänglichkeit, denen Banville in seinen Erinnerungen nachhängt, hat der Rezensent besonders bewundert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»In Irland und seiner Hauptstadt Dublin regiert immer und unter allen Umständen die 'gute Story'. Banville und sein Buch sind voll davon.« Hannelore Hippe WDR 3 Mosaik 20190718