Das Speculum Virginum, als Handbuch für die Seelsorge an Frauenklöstern unverzichtbare Quelle zur Erforschung der Anthropologie des Mittelalters, entstand 1140 in lateinischer Sprache. Im 15. Jahrhundert begann eine rege Übersetzer- und Abschreibertätigkeit in den Klöstern des Niederrheins. Somit vollzieht sich durch Rezeption und Übersetzung eines Textes der scholastischen Tradition 300 Jahre später im Umkreis der Devotio moderna eine äußerst interessante geistige "Horizontverschmelzung". Einem bisher unerfüllt gebliebenen Desiderat der Forschung, den mittelniederländischen Text zu edieren, ist hiermit nachgekommen worden, vor allem, um die Überprüfbarkeit bisheriger und fernerhin zu erarbeitender Aussagen zu gewährleisten.