Mit Hilfe des Spiegels kam der Mensch nicht nur sich selbst, sondern auch den unendlichen Fernen des Universums näher als mit irgendeinem anderen Medium. Als Medium der Selbsterkenntnis fand der Spiegel die Grenzen seiner wissenschaftlichen Rezipierbarkeit in der Selbstbezüglichkeit, dem großen Thema aller psychoanalytisch orientierten Forschungsansätze. Als Leerstelle der Welterkenntnis bekamen Spiegel eine wissenschaftliche Perspektive vor allem jenseits ihrer eigenen Medialität - in Bildern und Metaphern, den Paradigmen aller bild- und textorientierten Forschungsansätze. Die vorliegende Kunst- und Kulturgeschichte der Spiegel versucht, solche Widersprüche als Charakteristika eines übergreifenden methodologischen Komplexes zu verstehen, der kontinuierlich neue Modelle des Bildes entstehen lässt. Die zunehmende Ungreifbarkeit grassierender (auch gedachte, geträumte oder gestische 'Bilder' einschließender) Bildmodelle und die sich parallel ausbreitende Mikrostrukturierung der Kompetenzbereiche bedeuten eine Herausforderung hinsichtlich ihrer empirischen Anwendbarkeit auf transdisziplinäre und metamediale Phänomene. Die Spiegel bieten sich für eine grundlegende Hinterfragung solcher Konzepte an. Als wissenschaftlicher Rahmen wurde daher eine problemgeschichtliche Untersuchung der Spiegel als Metamedien der Visualität gewählt. Die Spiegel in ihrer kunsthistorischen und gesamtkulturellen Bedeutung neu zu evaluieren verlangte folglich auch, die Spiegelung oder Reflexion in ihrer aktuellen wissenschaftlichen Praxis als 'vierte Kulturtechnik' (neben Bild, Schrift und Zahl) anzuerkennen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Süddeutsche ZeitungDas eigene Bild
erkennend
Slacko Kacunko versucht eine
Kulturgeschichte der Spiegelung
Spiegel sind für unser Sehen und Denken eine Herausforderung. Vielleicht unterscheidet den Menschen von seiner tierischen Verwandtschaft nur, sich im Spiegel selbst wiederzuerkennen. Dabei war es ein relativ spätes Stadium menschlicher Kultur, in dem es zur gezielten Herstellung von Spiegeln kam und selbst dann blieben sie noch lange Objekte des Kults und Luxusprodukte. Die Entwicklungen, die seit der Antike ein immer klareres Bild der Spiegelung ergaben, bilden eine eigene Technikgeschichte. Grundsätzlich bieten die Auseinandersetzungen mit der Geschichte des Spiegels den Anlass zu kulturhistorischen Reflexionen.
Slavko Kacunkos historischer Abriss über den Spiegel reicht von der Mythologie und der damit verbundenen Metallurgie der frühen Antike in Vorderasien und Ägypten bis zur Spiegelreflexion der Kunst unserer Tage. Die Erwähnungen von Spiegeln und die damit verbundenen Reflexionen über das Sehen referiert er von den frühen schriftlichen Religionen bis zur aktuellen Kunsttheorie, wobei der Autor die philosophische Auseinandersetzung mit der Vorstellung, was ein Bild sei, ebenfalls einbezieht.
Die Geschichte der Herstellungstechniken, mit Exkursen zur Entwicklung der Optik, wird eingeflochten. Dies bietet wiederum Anlass zu wirtschaftsgeschichtlichen Exkursen. Zauber und Aberglaube streift Kacunko ebenfalls. Nicht zuletzt ist der Geschichte der Rahmung und damit des architektonischen Bezugs von Spiegeln seit dem 17. Jahrhundert ein umfangreicher Abschnitt gewidmet.
Naiver Naturalismus
Zentrale Kapitel zum Spiegel als Objekt der Malerei bieten dem Autor die Gelegenheit, eine Perlenkette der berühmtesten Gemälde Europas aufzureihen, von Jan van Eycks Doppelbildnis der Arnolfinis mit dem Konvexspiegel im Zentrum der Darstellung bis zu Velázquez’ Bild vom Hofstaat der spanischen Habsburgerprinzessin. Gerade dieses Bild, „Las Meninas“, dessen Geheimnis der Raumkomposition und Blickachsen in zahlreichen Interpretationen zu immer wieder neuen Erklärungen führte, wird jedoch in einer Beiläufigkeit behandelt, die dem Anspruch seines Themas nicht gerecht werden kann. Seine Schlussfolgerung, man müsse das Bild als „Live-Videoaufnahme“ verstehen, redet daher nur einem erstaunlich naivem Naturalismus das Wort.
Kacunko war bislang mit einer brillanten Studie über die Geschichte der Videoinstallation in der Kunst seit den 1960er Jahren aufgefallen. Die Kapitel am Ende des Buches, die künstlerische Spiegelwerke eben dieser Zeit der Videotechnik beiordnen, gehören auch zu den spannendsten des vorliegenden Buches. Hier ist der Autor bei sich und seinem Thema. Ziel seines Buches ist aber der hohe Anspruch, der, laut Kacunko üblichen, psychoanalytischen Herangehensweise an die Kultur des Spiegels literaturwissenschaftliche, spracharchäologische, tiefenhermeneutische, psychodynamische, bild- und kulturwissenschaftliche Verfahren gegenüberzustellen.
In der inflationär verwendeten indirekten Rede seines Referats umfangreicher Kulturhistorie und ihrer kritischen Aufarbeitung distanziert sich der Autor jedoch vom Referierten, ohne selbst Position zu beziehen. Für den Rezensenten steht daher der in einigen Kapiteln beigefügte theoretische Überbau in eklatanter Diskrepanz zu dieser referierenden Kulturgeschichte. Das anspruchsvolle Thema bekommt so unbesehen der erhellenden Kapitel dieser umfangreichen Abhandlung letztlich den Charakter einer akademischen Pflichtübung, deren Jargon die Lektüre nicht eben angenehm macht. Der hohe Anspruch von Kacunkos Ansatz, die Spiegelung als eine Kulturtechnik neben Bild, Schrift und Zahl zu stellen, wird so leider kaum eingelöst. ANDREAS STROBL
SLAVKO KACUNKO: Spiegel – Medium – Kunst. Zur Geschichte des Spiegels im Zeitalter des Bildes. Wilhelm Fink Verlag, München 2010. 820 Seiten, 119 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
erkennend
Slacko Kacunko versucht eine
Kulturgeschichte der Spiegelung
Spiegel sind für unser Sehen und Denken eine Herausforderung. Vielleicht unterscheidet den Menschen von seiner tierischen Verwandtschaft nur, sich im Spiegel selbst wiederzuerkennen. Dabei war es ein relativ spätes Stadium menschlicher Kultur, in dem es zur gezielten Herstellung von Spiegeln kam und selbst dann blieben sie noch lange Objekte des Kults und Luxusprodukte. Die Entwicklungen, die seit der Antike ein immer klareres Bild der Spiegelung ergaben, bilden eine eigene Technikgeschichte. Grundsätzlich bieten die Auseinandersetzungen mit der Geschichte des Spiegels den Anlass zu kulturhistorischen Reflexionen.
Slavko Kacunkos historischer Abriss über den Spiegel reicht von der Mythologie und der damit verbundenen Metallurgie der frühen Antike in Vorderasien und Ägypten bis zur Spiegelreflexion der Kunst unserer Tage. Die Erwähnungen von Spiegeln und die damit verbundenen Reflexionen über das Sehen referiert er von den frühen schriftlichen Religionen bis zur aktuellen Kunsttheorie, wobei der Autor die philosophische Auseinandersetzung mit der Vorstellung, was ein Bild sei, ebenfalls einbezieht.
Die Geschichte der Herstellungstechniken, mit Exkursen zur Entwicklung der Optik, wird eingeflochten. Dies bietet wiederum Anlass zu wirtschaftsgeschichtlichen Exkursen. Zauber und Aberglaube streift Kacunko ebenfalls. Nicht zuletzt ist der Geschichte der Rahmung und damit des architektonischen Bezugs von Spiegeln seit dem 17. Jahrhundert ein umfangreicher Abschnitt gewidmet.
Naiver Naturalismus
Zentrale Kapitel zum Spiegel als Objekt der Malerei bieten dem Autor die Gelegenheit, eine Perlenkette der berühmtesten Gemälde Europas aufzureihen, von Jan van Eycks Doppelbildnis der Arnolfinis mit dem Konvexspiegel im Zentrum der Darstellung bis zu Velázquez’ Bild vom Hofstaat der spanischen Habsburgerprinzessin. Gerade dieses Bild, „Las Meninas“, dessen Geheimnis der Raumkomposition und Blickachsen in zahlreichen Interpretationen zu immer wieder neuen Erklärungen führte, wird jedoch in einer Beiläufigkeit behandelt, die dem Anspruch seines Themas nicht gerecht werden kann. Seine Schlussfolgerung, man müsse das Bild als „Live-Videoaufnahme“ verstehen, redet daher nur einem erstaunlich naivem Naturalismus das Wort.
Kacunko war bislang mit einer brillanten Studie über die Geschichte der Videoinstallation in der Kunst seit den 1960er Jahren aufgefallen. Die Kapitel am Ende des Buches, die künstlerische Spiegelwerke eben dieser Zeit der Videotechnik beiordnen, gehören auch zu den spannendsten des vorliegenden Buches. Hier ist der Autor bei sich und seinem Thema. Ziel seines Buches ist aber der hohe Anspruch, der, laut Kacunko üblichen, psychoanalytischen Herangehensweise an die Kultur des Spiegels literaturwissenschaftliche, spracharchäologische, tiefenhermeneutische, psychodynamische, bild- und kulturwissenschaftliche Verfahren gegenüberzustellen.
In der inflationär verwendeten indirekten Rede seines Referats umfangreicher Kulturhistorie und ihrer kritischen Aufarbeitung distanziert sich der Autor jedoch vom Referierten, ohne selbst Position zu beziehen. Für den Rezensenten steht daher der in einigen Kapiteln beigefügte theoretische Überbau in eklatanter Diskrepanz zu dieser referierenden Kulturgeschichte. Das anspruchsvolle Thema bekommt so unbesehen der erhellenden Kapitel dieser umfangreichen Abhandlung letztlich den Charakter einer akademischen Pflichtübung, deren Jargon die Lektüre nicht eben angenehm macht. Der hohe Anspruch von Kacunkos Ansatz, die Spiegelung als eine Kulturtechnik neben Bild, Schrift und Zahl zu stellen, wird so leider kaum eingelöst. ANDREAS STROBL
SLAVKO KACUNKO: Spiegel – Medium – Kunst. Zur Geschichte des Spiegels im Zeitalter des Bildes. Wilhelm Fink Verlag, München 2010. 820 Seiten, 119 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Die überaus interessante und komplexe Geschichte des Spiegels wird in Slavko Kacunkos Studie zu Andreas Strobls Enttäuschung eher pflichtschuldig abgehandelt. Der Rezensent gesteht dem Autor zwar zu, alle wichtigen Themen, die die Kulturgeschichte des Spiegels von der Antike bis heute berühren, umfassend zu referieren. Was ihm aber fehlt, ist eine Interpretation der Erkenntnisse, die dem hohen kulturwissenschaftlichen Anspruch, den Kacunko vertritt, gerecht werden. Die Deutung des berühmten Velasquez-Gemäldes 'Las Maninas" als 'Live-Videoaufnahme" beispielsweise findet er bemerkenswert kurz gegriffen. Am besten hat Strobel noch Kacunkos Vergleich von Spiegel- und Videokunst gefallen, ein Thema, in dem sich der Autor bereits durch eine "brillante" Untersuchung einen Namen gemacht hat, wie der Rezensent erinnert.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH