Martin steht vor der Entscheidung seines Lebens: Soll er die Professur in Boston annehmen? Alles einfach hinter sich lassen und in der Ferne glücklich werden? Da zwingt ihn der Tod seines Jugendfreundes in eine andere Richtung: Der Besuch in der alten Heimat wird für ihn und seine Partnerin Nina zu einer Zeitreise in die Vergangenheit. Hier, in der Siedlung Spiegelberg, hatte alles begonnen. Sieben Freunde, Freunde fürs Leben. Die 60er und 70er, wilde und in vieler Hinsicht katastrophale Jahre zwischen Gewalt, Zurückweisung und sprachlosen Eltern, noch erfüllt von den Schrecken des Krieges. Martin erkennt, dass ihn sein Ursprung bis heute gefangen hält. Und nicht nur ihn. Lebensklug, geistreich und mit großer sprachlicher Sensibilität beschreibt Michael Göring den Kampf seiner Protagonisten mit dem Anspruch auf Selbstbestimmung einerseits und den Zwängen der eigenen Biografie auf der anderen Seite.Michael Göring zeigt in seinem neuen Roman die Traumata der Generation der heute 50-60-Jährigen auf, der sogenannten Babyboomer. Eine Generation, die sich im revolutionären Aufbruch wähnte, um sich dann doch häufig mit dem Erwartbaren zu begnügen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2016Liebe und Hiebe
Michael Görings Freude an brisanten Romanthemen
Michael Göring, Leiter der Zeit-Stiftung, hat sich für die Präsentation seines neuen Romans im Literaturhaus Hamburg prominenten Beistand geholt: den talkshowerprobten Kriminologen Christian Pfeiffer, der auch mal niedersächsischer Minister war und jetzt im Ruhestand ist. Pfeiffer stiehlt Göring die Show, als er über den Zusammenhang von Religiosität und Gewalt parliert, über die Krise der Jungs, Computerspiele als Reste der Machokultur und die überragende Bedeutung einer liebevollen Erziehung. Freilich vergisst er nicht, immer im rechten Moment den Autor dafür zu loben, wie akkurat, feinsinnig und mit genauem Blick für die Details der über Gewalterfahrung und Schuld schreibe - all das also, was auch ihn, Pfeiffer, beschäftige.
"Spiegelberg" heißt dieser neue, im Hamburger Osburg-Verlag erschienene Roman Görings, der die sechziger und siebziger Jahre in der Bundesrepublik aufleben lässt. Als Kinder noch wie selbstverständlich geschlagen und die Kohlen im Keller gestapelt wurden, als man sich mit beigen Decken wärmte und es Kakao nur am Wochenende gab. Und als auf einmal italienische Gastarbeiter in Spiegelberg, einer Nachkriegssiedlung in Westfalen, auftauchten. Göring, Jahrgang 1957, erzählt von seiner Generation, von den "Traumata der Generation der Babyboomer", die sich im Aufbruch wähnte und sich häufig genug dann doch mit dem Erwartbaren begnügte.
Göring ist derzeit auch Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Deutschen Stiftungen, trotzdem hat er in rascher Folge drei Romane verfasst: 2011 "Der Seiltänzer", 2013 "Vor der Wand" und jetzt "Spiegelberg". Immer geht es ihm um die ganz großen Themen. In "Seiltänzer" um den sexuellen Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche, in "Vor der Wand" um das Schweigen der Väter über die Verbrechen des Nationalsozialismus, und "Spiegelberg" erhebt im Untertitel gleich den Anspruch, "Roman einer Generation" zu sein. Manches sei autobiographisch, sagt Göring. Einiges habe auch mit seinem Namen zu tun, denn oft werde er gefragt, ob er mit Hermann Göring verwandt sei. Michael Göring ist ein viel zu ernster und genauer Mensch, um auf einmal im Literarischen leicht zu werden. Heiteres könne er nicht, sagt er selbst. An seinem vierten Roman schreibt er bereits. Um Migration werde es gehen, noch ein ganz großes Thema.
FRANK PERGANDE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Michael Görings Freude an brisanten Romanthemen
Michael Göring, Leiter der Zeit-Stiftung, hat sich für die Präsentation seines neuen Romans im Literaturhaus Hamburg prominenten Beistand geholt: den talkshowerprobten Kriminologen Christian Pfeiffer, der auch mal niedersächsischer Minister war und jetzt im Ruhestand ist. Pfeiffer stiehlt Göring die Show, als er über den Zusammenhang von Religiosität und Gewalt parliert, über die Krise der Jungs, Computerspiele als Reste der Machokultur und die überragende Bedeutung einer liebevollen Erziehung. Freilich vergisst er nicht, immer im rechten Moment den Autor dafür zu loben, wie akkurat, feinsinnig und mit genauem Blick für die Details der über Gewalterfahrung und Schuld schreibe - all das also, was auch ihn, Pfeiffer, beschäftige.
"Spiegelberg" heißt dieser neue, im Hamburger Osburg-Verlag erschienene Roman Görings, der die sechziger und siebziger Jahre in der Bundesrepublik aufleben lässt. Als Kinder noch wie selbstverständlich geschlagen und die Kohlen im Keller gestapelt wurden, als man sich mit beigen Decken wärmte und es Kakao nur am Wochenende gab. Und als auf einmal italienische Gastarbeiter in Spiegelberg, einer Nachkriegssiedlung in Westfalen, auftauchten. Göring, Jahrgang 1957, erzählt von seiner Generation, von den "Traumata der Generation der Babyboomer", die sich im Aufbruch wähnte und sich häufig genug dann doch mit dem Erwartbaren begnügte.
Göring ist derzeit auch Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Deutschen Stiftungen, trotzdem hat er in rascher Folge drei Romane verfasst: 2011 "Der Seiltänzer", 2013 "Vor der Wand" und jetzt "Spiegelberg". Immer geht es ihm um die ganz großen Themen. In "Seiltänzer" um den sexuellen Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche, in "Vor der Wand" um das Schweigen der Väter über die Verbrechen des Nationalsozialismus, und "Spiegelberg" erhebt im Untertitel gleich den Anspruch, "Roman einer Generation" zu sein. Manches sei autobiographisch, sagt Göring. Einiges habe auch mit seinem Namen zu tun, denn oft werde er gefragt, ob er mit Hermann Göring verwandt sei. Michael Göring ist ein viel zu ernster und genauer Mensch, um auf einmal im Literarischen leicht zu werden. Heiteres könne er nicht, sagt er selbst. An seinem vierten Roman schreibt er bereits. Um Migration werde es gehen, noch ein ganz großes Thema.
FRANK PERGANDE
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